Es muß sich mein Crystall von seiner Bosheit schwärtzen, Stammbuldens Glantz verliern ihr Licht.
Und so geht es in unzehligen Stellen: denn wie verkehrt klingt brechen ab, schlingen ein, zünden an, sprechen zu, streichen an, brennen an, tauschen ein, und andre Arten der Versetzungen mehr, so in dem ersten Auftritte dieses Trauerspiels zu finden sind. Eben dergleichen kan man fast in allen unsern Dichtern, die bis auf Chr. Wei- sen geschrieben, anmercken, auch so gar Hoffmannswaldauen und Bessern nicht ausgenommen, die doch, ich weiß nicht wie? ihrer Reinigkeit halber in Ruf gekommen. Dahin gehöret auch das thun, welches die Alten so offt eingeflicket. Z. E. Opitz von R. des Gem.
Ein frisches Haselhuhn, Nach dem die Bürger sonst die Finger lecken thun.
Dahin gehört die Trennung gewisser Wörter durch ein an- deres darzwischen geschobenes: Z. E.
Er wird mir auch verzeihen, Daß ich frey öffentlich als Herold aus darf schreyen etc. Opitz.
Dahin gehört die Veränderung der Geschlechter, da das weibliche ins männliche, oder beydes ins ungewisse, dem Verße zu gut verwandelt wird. Z. E. Opitz.
An dem ein schönes Quell mit Rauschen hin und wieder, Fleußt heller noch als Glas.
da es von rechtswegen eine schöne Quelle hätte heissen sollen. Dahin gehört die Abkürtzung gewisser Wörter. Z. E. Lohenstein sagt vom Frauenzimmer
Die keusch- und kältsten brennen, Wo Fürsten-Blicke falln.
Dahin gehöret auch die Ausdehnung einiger Wörter, die bloß des Sylbenmaaßes halber zu geschehen pflegt; Z. E. Genade, Gelücke, Gelauben, Grabestein, abe, nichtes, Große-Mutter. etc. Dahin gehöret die unnöthige Vorse- tzung einer Sylbe vor ein sonst gewöhnliches Wort: Z. E. Lohenstein.
Dessen
Q 2
Von poetiſchen Perioden und ihren Zierrathen.
Es muß ſich mein Cryſtall von ſeiner Bosheit ſchwaͤrtzen, Stammbuldens Glantz verliern ihr Licht.
Und ſo geht es in unzehligen Stellen: denn wie verkehrt klingt brechen ab, ſchlingen ein, zuͤnden an, ſprechen zu, ſtreichen an, brennen an, tauſchen ein, und andre Arten der Verſetzungen mehr, ſo in dem erſten Auftritte dieſes Trauerſpiels zu finden ſind. Eben dergleichen kan man faſt in allen unſern Dichtern, die bis auf Chr. Wei- ſen geſchrieben, anmercken, auch ſo gar Hoffmannswaldauen und Beſſern nicht ausgenommen, die doch, ich weiß nicht wie? ihrer Reinigkeit halber in Ruf gekommen. Dahin gehoͤret auch das thun, welches die Alten ſo offt eingeflicket. Z. E. Opitz von R. des Gem.
Ein friſches Haſelhuhn, Nach dem die Buͤrger ſonſt die Finger lecken thun.
Dahin gehoͤrt die Trennung gewiſſer Woͤrter durch ein an- deres darzwiſchen geſchobenes: Z. E.
Er wird mir auch verzeihen, Daß ich frey oͤffentlich als Herold aus darf ſchreyen ꝛc. Opitz.
Dahin gehoͤrt die Veraͤnderung der Geſchlechter, da das weibliche ins maͤnnliche, oder beydes ins ungewiſſe, dem Verße zu gut verwandelt wird. Z. E. Opitz.
An dem ein ſchoͤnes Quell mit Rauſchen hin und wieder, Fleußt heller noch als Glas.
da es von rechtswegen eine ſchoͤne Quelle haͤtte heiſſen ſollen. Dahin gehoͤrt die Abkuͤrtzung gewiſſer Woͤrter. Z. E. Lohenſtein ſagt vom Frauenzimmer
Die keuſch- und kaͤltſten brennen, Wo Fuͤrſten-Blicke falln.
Dahin gehoͤret auch die Ausdehnung einiger Woͤrter, die bloß des Sylbenmaaßes halber zu geſchehen pflegt; Z. E. Genade, Geluͤcke, Gelauben, Grabeſtein, abe, nichtes, Große-Mutter. ꝛc. Dahin gehoͤret die unnoͤthige Vorſe- tzung einer Sylbe vor ein ſonſt gewoͤhnliches Wort: Z. E. Lohenſtein.
Deſſen
Q 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><cit><quote><lgtype="poem"><pbfacs="#f0271"n="243"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Von poetiſchen Perioden und ihren Zierrathen.</hi></fw><lb/><l>Es muß ſich mein Cryſtall von ſeiner Bosheit ſchwaͤrtzen,</l><lb/><l>Stammbuldens Glantz verliern ihr Licht.</l></lg></quote></cit><lb/><p>Und ſo geht es in unzehligen Stellen: denn wie verkehrt<lb/>
klingt <hirendition="#fr">brechen ab, ſchlingen ein, zuͤnden an, ſprechen<lb/>
zu, ſtreichen an, brennen an, tauſchen ein,</hi> und andre<lb/>
Arten der Verſetzungen mehr, ſo in dem erſten Auftritte<lb/>
dieſes Trauerſpiels zu finden ſind. Eben dergleichen kan<lb/>
man faſt in allen unſern Dichtern, die bis auf Chr. Wei-<lb/>ſen geſchrieben, anmercken, auch ſo gar Hoffmannswaldauen<lb/>
und Beſſern nicht ausgenommen, die doch, ich weiß nicht<lb/>
wie? ihrer Reinigkeit halber in Ruf gekommen. Dahin<lb/>
gehoͤret auch das thun, welches die Alten ſo offt eingeflicket.<lb/>
Z. E. Opitz von R. des Gem.</p><lb/><cit><quote><lgtype="poem"><l><hirendition="#et">Ein friſches Haſelhuhn,</hi></l><lb/><l>Nach dem die Buͤrger ſonſt die Finger lecken thun.</l></lg></quote></cit><lb/><p>Dahin gehoͤrt die Trennung gewiſſer Woͤrter durch ein an-<lb/>
deres darzwiſchen geſchobenes: Z. E.</p><lb/><cit><quote><lgtype="poem"><l><hirendition="#et">Er wird mir auch verzeihen,</hi></l><lb/><l>Daß ich frey oͤffentlich als Herold <hirendition="#fr">aus darf ſchreyen ꝛc.</hi></l><lb/><l><hirendition="#fr"><hirendition="#et">Opitz.</hi></hi></l></lg></quote></cit><lb/><p>Dahin gehoͤrt die Veraͤnderung der Geſchlechter, da das<lb/>
weibliche ins maͤnnliche, oder beydes ins ungewiſſe, dem<lb/>
Verße zu gut verwandelt wird. Z. E. Opitz.</p><lb/><cit><quote><lgtype="poem"><l>An dem <hirendition="#fr">ein ſchoͤnes Quell</hi> mit Rauſchen hin und wieder,</l><lb/><l><hirendition="#fr">Fleußt heller noch als Glas.</hi></l></lg></quote></cit><lb/><p>da es von rechtswegen eine <hirendition="#fr">ſchoͤne Quelle</hi> haͤtte heiſſen<lb/>ſollen. Dahin gehoͤrt die Abkuͤrtzung gewiſſer Woͤrter.<lb/>
Z. E. Lohenſtein ſagt vom Frauenzimmer</p><lb/><cit><quote><lgtype="poem"><l><hirendition="#et">Die <hirendition="#fr">keuſch-</hi> und kaͤltſten brennen,</hi></l><lb/><l><hirendition="#fr">Wo Fuͤrſten-Blicke falln.</hi></l></lg></quote></cit><lb/><p>Dahin gehoͤret auch die Ausdehnung einiger Woͤrter, die<lb/>
bloß des Sylbenmaaßes halber zu geſchehen pflegt; Z. E.<lb/>
Genade, Geluͤcke, Gelauben, Grabeſtein, abe, nichtes,<lb/>
Große-Mutter. ꝛc. Dahin gehoͤret die unnoͤthige Vorſe-<lb/>
tzung einer Sylbe vor ein ſonſt gewoͤhnliches Wort: Z. E.<lb/>
Lohenſtein.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">Q 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">Deſſen</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[243/0271]
Von poetiſchen Perioden und ihren Zierrathen.
Es muß ſich mein Cryſtall von ſeiner Bosheit ſchwaͤrtzen,
Stammbuldens Glantz verliern ihr Licht.
Und ſo geht es in unzehligen Stellen: denn wie verkehrt
klingt brechen ab, ſchlingen ein, zuͤnden an, ſprechen
zu, ſtreichen an, brennen an, tauſchen ein, und andre
Arten der Verſetzungen mehr, ſo in dem erſten Auftritte
dieſes Trauerſpiels zu finden ſind. Eben dergleichen kan
man faſt in allen unſern Dichtern, die bis auf Chr. Wei-
ſen geſchrieben, anmercken, auch ſo gar Hoffmannswaldauen
und Beſſern nicht ausgenommen, die doch, ich weiß nicht
wie? ihrer Reinigkeit halber in Ruf gekommen. Dahin
gehoͤret auch das thun, welches die Alten ſo offt eingeflicket.
Z. E. Opitz von R. des Gem.
Ein friſches Haſelhuhn,
Nach dem die Buͤrger ſonſt die Finger lecken thun.
Dahin gehoͤrt die Trennung gewiſſer Woͤrter durch ein an-
deres darzwiſchen geſchobenes: Z. E.
Er wird mir auch verzeihen,
Daß ich frey oͤffentlich als Herold aus darf ſchreyen ꝛc.
Opitz.
Dahin gehoͤrt die Veraͤnderung der Geſchlechter, da das
weibliche ins maͤnnliche, oder beydes ins ungewiſſe, dem
Verße zu gut verwandelt wird. Z. E. Opitz.
An dem ein ſchoͤnes Quell mit Rauſchen hin und wieder,
Fleußt heller noch als Glas.
da es von rechtswegen eine ſchoͤne Quelle haͤtte heiſſen
ſollen. Dahin gehoͤrt die Abkuͤrtzung gewiſſer Woͤrter.
Z. E. Lohenſtein ſagt vom Frauenzimmer
Die keuſch- und kaͤltſten brennen,
Wo Fuͤrſten-Blicke falln.
Dahin gehoͤret auch die Ausdehnung einiger Woͤrter, die
bloß des Sylbenmaaßes halber zu geſchehen pflegt; Z. E.
Genade, Geluͤcke, Gelauben, Grabeſtein, abe, nichtes,
Große-Mutter. ꝛc. Dahin gehoͤret die unnoͤthige Vorſe-
tzung einer Sylbe vor ein ſonſt gewoͤhnliches Wort: Z. E.
Lohenſtein.
Deſſen
Q 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_versuch_1730/271>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.