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Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730.

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Von verblümten Redens-Arten.
Daß aus America die beste Spezerey,
Mit eurem Athem weit nicht zu vergleichen sey.
Daß solche Hände nicht gemahlet werden könnten,
Daß gegen ihnen, Schnee zu gleichen sey der Tinten.
Daß jedes Zähnlein sey ein köstlicher Demant,
An welches die Natur all ihre Kunst gewandt.
Und daß die Lippen auch, die mehr als Rosen blühen,
Weit weit den edelsten Corallen vorzuziehen.
Und daß der starcke Mars durch eurer Zungen Schein,
Die Waffen abzuthun bereitet würde seyn.
Beliebt es euch hernach von Venus was zu singen;
Die Winde könnet ihr mit eurer Stimme zwingen:
Und wenn ihr weiter euch auch zu der Lauten findt,
Jst Orpheus ungelehrt und gegen euch ein Kind.
Wenn ihr im Felde seyd, wohin man euch sieht gehen,
Da sieht man also bald die schönsten Blumen stehen.
Jn Summa, die Natur hat dies an euch gethan,
Daß eure Trefflichkeit kein Mensch beschreiben kan.
Wie möcht ich aber wohl so falsch erdachtes sagen,
Und die Aufschneiderey mit Langmuth nur ertragen?
Jch glaube, welcher sich nimmt solcher Lügen an,
Der Feder und Papier auch schamroth machen kan.

Was Opitz hier in der verliebten Sprache vor unerträglich
gehalten, das hat Canitz in der Beschreibung des Krieges-
Wesens, und in den Klagen über die Verstorbenen, als ei-
nen Fehler angemerckt. Jn seiner Satyre von der Poesie
heißt es:

Fällt das geringste vor in diesen Kriegeszeiten,
So dünckt mich, hör ich schon die Wetterglocke läuten.
Ein Flammenschwangrer Dampf beschwärtzt das Lufft-Revier,
Der Strahl beschwäntzte Blitz bricht überall herfür,
Der grause Donner brüllt und spielt mit Schwefelkeilen.
Der Leser wird betrübt, beginnet fortzueilen,
Bis er ins Truckne kommt; weil doch ein Wolckenguß,
Auf solchen harten Knall nothwendig folgen muß,
Und läst den armen Tropf der Welt zur Strafe reimen,
Wie ein Beseßner pflegt in seiner Angst zu schäumen.
Geht wo ein Schulregent in einem Flecken ab,
Mein GOtt! wie rasen nicht die Tichter um sein Grab?
Der Tod wird ausgefiltzt, daß er dem theuren Leben,
Nicht eine längre Frist als achzig Jahr gegeben.
Die Erde wird bewegt, im Himmel Lerm gemacht,
Minerva, wenn sie gleich in ihrem Hertzen lacht,
Auch
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Von verbluͤmten Redens-Arten.
Daß aus America die beſte Spezerey,
Mit eurem Athem weit nicht zu vergleichen ſey.
Daß ſolche Haͤnde nicht gemahlet werden koͤnnten,
Daß gegen ihnen, Schnee zu gleichen ſey der Tinten.
Daß jedes Zaͤhnlein ſey ein koͤſtlicher Demant,
An welches die Natur all ihre Kunſt gewandt.
Und daß die Lippen auch, die mehr als Roſen bluͤhen,
Weit weit den edelſten Corallen vorzuziehen.
Und daß der ſtarcke Mars durch eurer Zungen Schein,
Die Waffen abzuthun bereitet wuͤrde ſeyn.
Beliebt es euch hernach von Venus was zu ſingen;
Die Winde koͤnnet ihr mit eurer Stimme zwingen:
Und wenn ihr weiter euch auch zu der Lauten findt,
Jſt Orpheus ungelehrt und gegen euch ein Kind.
Wenn ihr im Felde ſeyd, wohin man euch ſieht gehen,
Da ſieht man alſo bald die ſchoͤnſten Blumen ſtehen.
Jn Summa, die Natur hat dies an euch gethan,
Daß eure Trefflichkeit kein Menſch beſchreiben kan.
Wie moͤcht ich aber wohl ſo falſch erdachtes ſagen,
Und die Aufſchneiderey mit Langmuth nur ertragen?
Jch glaube, welcher ſich nimmt ſolcher Luͤgen an,
Der Feder und Papier auch ſchamroth machen kan.

Was Opitz hier in der verliebten Sprache vor unertraͤglich
gehalten, das hat Canitz in der Beſchreibung des Krieges-
Weſens, und in den Klagen uͤber die Verſtorbenen, als ei-
nen Fehler angemerckt. Jn ſeiner Satyre von der Poeſie
heißt es:

Faͤllt das geringſte vor in dieſen Kriegeszeiten,
So duͤnckt mich, hoͤr ich ſchon die Wetterglocke laͤuten.
Ein Flammenſchwangrer Dampf beſchwaͤrtzt das Lufft-Revier,
Der Strahl beſchwaͤntzte Blitz bricht uͤberall herfuͤr,
Der grauſe Donner bruͤllt und ſpielt mit Schwefelkeilen.
Der Leſer wird betruͤbt, beginnet fortzueilen,
Bis er ins Truckne kommt; weil doch ein Wolckenguß,
Auf ſolchen harten Knall nothwendig folgen muß,
Und laͤſt den armen Tropf der Welt zur Strafe reimen,
Wie ein Beſeßner pflegt in ſeiner Angſt zu ſchaͤumen.
Geht wo ein Schulregent in einem Flecken ab,
Mein GOtt! wie raſen nicht die Tichter um ſein Grab?
Der Tod wird ausgefiltzt, daß er dem theuren Leben,
Nicht eine laͤngre Friſt als achzig Jahr gegeben.
Die Erde wird bewegt, im Himmel Lerm gemacht,
Minerva, wenn ſie gleich in ihrem Hertzen lacht,
Auch
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[227/0255] Von verbluͤmten Redens-Arten. Daß aus America die beſte Spezerey, Mit eurem Athem weit nicht zu vergleichen ſey. Daß ſolche Haͤnde nicht gemahlet werden koͤnnten, Daß gegen ihnen, Schnee zu gleichen ſey der Tinten. Daß jedes Zaͤhnlein ſey ein koͤſtlicher Demant, An welches die Natur all ihre Kunſt gewandt. Und daß die Lippen auch, die mehr als Roſen bluͤhen, Weit weit den edelſten Corallen vorzuziehen. Und daß der ſtarcke Mars durch eurer Zungen Schein, Die Waffen abzuthun bereitet wuͤrde ſeyn. Beliebt es euch hernach von Venus was zu ſingen; Die Winde koͤnnet ihr mit eurer Stimme zwingen: Und wenn ihr weiter euch auch zu der Lauten findt, Jſt Orpheus ungelehrt und gegen euch ein Kind. Wenn ihr im Felde ſeyd, wohin man euch ſieht gehen, Da ſieht man alſo bald die ſchoͤnſten Blumen ſtehen. Jn Summa, die Natur hat dies an euch gethan, Daß eure Trefflichkeit kein Menſch beſchreiben kan. Wie moͤcht ich aber wohl ſo falſch erdachtes ſagen, Und die Aufſchneiderey mit Langmuth nur ertragen? Jch glaube, welcher ſich nimmt ſolcher Luͤgen an, Der Feder und Papier auch ſchamroth machen kan. Was Opitz hier in der verliebten Sprache vor unertraͤglich gehalten, das hat Canitz in der Beſchreibung des Krieges- Weſens, und in den Klagen uͤber die Verſtorbenen, als ei- nen Fehler angemerckt. Jn ſeiner Satyre von der Poeſie heißt es: Faͤllt das geringſte vor in dieſen Kriegeszeiten, So duͤnckt mich, hoͤr ich ſchon die Wetterglocke laͤuten. Ein Flammenſchwangrer Dampf beſchwaͤrtzt das Lufft-Revier, Der Strahl beſchwaͤntzte Blitz bricht uͤberall herfuͤr, Der grauſe Donner bruͤllt und ſpielt mit Schwefelkeilen. Der Leſer wird betruͤbt, beginnet fortzueilen, Bis er ins Truckne kommt; weil doch ein Wolckenguß, Auf ſolchen harten Knall nothwendig folgen muß, Und laͤſt den armen Tropf der Welt zur Strafe reimen, Wie ein Beſeßner pflegt in ſeiner Angſt zu ſchaͤumen. Geht wo ein Schulregent in einem Flecken ab, Mein GOtt! wie raſen nicht die Tichter um ſein Grab? Der Tod wird ausgefiltzt, daß er dem theuren Leben, Nicht eine laͤngre Friſt als achzig Jahr gegeben. Die Erde wird bewegt, im Himmel Lerm gemacht, Minerva, wenn ſie gleich in ihrem Hertzen lacht, Auch P 2

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Zitationshilfe: Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_versuch_1730/255>, abgerufen am 22.11.2024.