Die Metaphore ist also eine verblümte Redensart, wo man anstatt eines Wortes, so sich in eigentlichem Verstande zu der Sache schicket, ein anderes nimmt, welches eine gewis- se Aehnlichkeit damit hat, und also ein kurtzes Gleichniß in sich schließet. Zum Exempel Flemming schreibt in einer Ode p. 363. die demantenen Gewässer, und bald hernach ge- denckt er der buhlerischen Sterne. Wir haben schon oben die verwachte Rose, die taumelnden Cypressen, die gesun- den Schatten und schlummernden Gewächse aus eben diesem Poeten angeführet. Dieses sind lauter metaphori- sche Ausdrückungen. Jm eigentlichen Verstande hätte man sagen müssen: Die klaren Gewässer, die blinckenden Sterne, die verwelckte Rose, die hin und her wanckenden Cypressen; die kühlen Schatten; und die ruhigen Gewäch- se. Aber der Poet führet uns durch seine geistreiche Bey- wörter auf gantz andre Begriffe. Die allernechsten Wör- ter sind ihm zu schlecht; er holet sich von weitem gantz unge- meine Gedancken her, die sich aber zur Sache schicken, und dem Verstande sehr angenehme Bilder machen, wenn er die Aehnlichkeit derselben einsieht.
Eben dergleichen Metaphoren können auch in Nenn- wörtern und Hauptwörtern, ja fast in allen andern vorkom- men, z. E. Canitz schreibt:
Jsts ihm nicht mehr vergönnt zu küssen eine Docke, Die ihre freche Stirn mit Thürmen überhäuft etc.
Da ist das Wort Thürme, vor den hohen Kopfputz ge- braucht, der vor zwanzig oder dreyßig Jahren Mode gewe- sen. Eben so hat Heräus die großen Perrücken beschrieben: p. 248.
Der weisbestäubte Busch, der gantze Leiber deckt.
Jmgleichen Opitz, nennt ein Frauenzimmer ein Bild; wegen der Schönheit, die man in Bildern am vollkommensten fin- den kan. p. 165. der Poet. Wäld.
Hier geht ein schönes Bild, Wo nichts zu spüren war, als ungezähmtes Wild.
Von Hauptwörtern mögen folgende Exempel dienen. He- räus sagt, ein Fleißiger habe Minuten zu zehlen:
Wie
Von verbluͤmten Redens-Arten.
Die Metaphore iſt alſo eine verbluͤmte Redensart, wo man anſtatt eines Wortes, ſo ſich in eigentlichem Verſtande zu der Sache ſchicket, ein anderes nimmt, welches eine gewiſ- ſe Aehnlichkeit damit hat, und alſo ein kurtzes Gleichniß in ſich ſchließet. Zum Exempel Flemming ſchreibt in einer Ode p. 363. die demantenen Gewaͤſſer, und bald hernach ge- denckt er der buhleriſchen Sterne. Wir haben ſchon oben die verwachte Roſe, die taumelnden Cypreſſen, die geſun- den Schatten und ſchlummernden Gewaͤchſe aus eben dieſem Poeten angefuͤhret. Dieſes ſind lauter metaphori- ſche Ausdruͤckungen. Jm eigentlichen Verſtande haͤtte man ſagen muͤſſen: Die klaren Gewaͤſſer, die blinckenden Sterne, die verwelckte Roſe, die hin und her wanckenden Cypreſſen; die kuͤhlen Schatten; und die ruhigen Gewaͤch- ſe. Aber der Poet fuͤhret uns durch ſeine geiſtreiche Bey- woͤrter auf gantz andre Begriffe. Die allernechſten Woͤr- ter ſind ihm zu ſchlecht; er holet ſich von weitem gantz unge- meine Gedancken her, die ſich aber zur Sache ſchicken, und dem Verſtande ſehr angenehme Bilder machen, wenn er die Aehnlichkeit derſelben einſieht.
Eben dergleichen Metaphoren koͤnnen auch in Nenn- woͤrtern und Hauptwoͤrtern, ja faſt in allen andern vorkom- men, z. E. Canitz ſchreibt:
Jſts ihm nicht mehr vergoͤnnt zu kuͤſſen eine Docke, Die ihre freche Stirn mit Thuͤrmen uͤberhaͤuft ꝛc.
Da iſt das Wort Thuͤrme, vor den hohen Kopfputz ge- braucht, der vor zwanzig oder dreyßig Jahren Mode gewe- ſen. Eben ſo hat Heraͤus die großen Perruͤcken beſchrieben: p. 248.
Der weisbeſtaͤubte Buſch, der gantze Leiber deckt.
Jmgleichen Opitz, nennt ein Frauenzimmer ein Bild; wegen der Schoͤnheit, die man in Bildern am vollkommenſten fin- den kan. p. 165. der Poet. Waͤld.
Hier geht ein ſchoͤnes Bild, Wo nichts zu ſpuͤren war, als ungezaͤhmtes Wild.
Von Hauptwoͤrtern moͤgen folgende Exempel dienen. He- raͤus ſagt, ein Fleißiger habe Minuten zu zehlen:
Wie
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Von verbluͤmten Redens-Arten.
Die Metaphore iſt alſo eine verbluͤmte Redensart, wo
man anſtatt eines Wortes, ſo ſich in eigentlichem Verſtande
zu der Sache ſchicket, ein anderes nimmt, welches eine gewiſ-
ſe Aehnlichkeit damit hat, und alſo ein kurtzes Gleichniß in
ſich ſchließet. Zum Exempel Flemming ſchreibt in einer Ode
p. 363. die demantenen Gewaͤſſer, und bald hernach ge-
denckt er der buhleriſchen Sterne. Wir haben ſchon oben
die verwachte Roſe, die taumelnden Cypreſſen, die geſun-
den Schatten und ſchlummernden Gewaͤchſe aus eben
dieſem Poeten angefuͤhret. Dieſes ſind lauter metaphori-
ſche Ausdruͤckungen. Jm eigentlichen Verſtande haͤtte
man ſagen muͤſſen: Die klaren Gewaͤſſer, die blinckenden
Sterne, die verwelckte Roſe, die hin und her wanckenden
Cypreſſen; die kuͤhlen Schatten; und die ruhigen Gewaͤch-
ſe. Aber der Poet fuͤhret uns durch ſeine geiſtreiche Bey-
woͤrter auf gantz andre Begriffe. Die allernechſten Woͤr-
ter ſind ihm zu ſchlecht; er holet ſich von weitem gantz unge-
meine Gedancken her, die ſich aber zur Sache ſchicken, und
dem Verſtande ſehr angenehme Bilder machen, wenn er die
Aehnlichkeit derſelben einſieht.
Eben dergleichen Metaphoren koͤnnen auch in Nenn-
woͤrtern und Hauptwoͤrtern, ja faſt in allen andern vorkom-
men, z. E. Canitz ſchreibt:
Jſts ihm nicht mehr vergoͤnnt zu kuͤſſen eine Docke,
Die ihre freche Stirn mit Thuͤrmen uͤberhaͤuft ꝛc.
Da iſt das Wort Thuͤrme, vor den hohen Kopfputz ge-
braucht, der vor zwanzig oder dreyßig Jahren Mode gewe-
ſen. Eben ſo hat Heraͤus die großen Perruͤcken beſchrieben:
p. 248.
Der weisbeſtaͤubte Buſch, der gantze Leiber deckt.
Jmgleichen Opitz, nennt ein Frauenzimmer ein Bild; wegen
der Schoͤnheit, die man in Bildern am vollkommenſten fin-
den kan. p. 165. der Poet. Waͤld.
Hier geht ein ſchoͤnes Bild,
Wo nichts zu ſpuͤren war, als ungezaͤhmtes Wild.
Von Hauptwoͤrtern moͤgen folgende Exempel dienen. He-
raͤus ſagt, ein Fleißiger habe Minuten zu zehlen:
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Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_versuch_1730/247>, abgerufen am 19.01.2025.
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