ler Einsicht in die Natur unsrer Sprache', sich durch das Exempel der Holländer zu einer gar zu großen Kühnheit ver- leiten lassen. Er übersetzt z. E. aus Heinsii Poesien folgende Zeilen von Wort zu Wort, die dem Weingott zu Lobe ge- reichen:
Eben dergleichen neue Nahmen und Wörter findet man in seinem Lob des Kriegsgottes Mars, und an andern Orten. Er hat z. E. die Nacht eine Kummerwenderin, u. d. m. ge- nennet, welches endlich so übel nicht klinget als die vorigen, und also schon zu dulden wäre. Seine Nachfolger, z. E. Lohenstein, u. a. m. haben sich auch zuweilen großer Freyhei- ten bedienet, die ich keinem nachzuahmen rathen wollte. Sonderlich hat man sich bemühet, alle Wörter, die nur ei- niger maßen dem latein ähnlich waren, oder wircklich daraus herstammeten, auf eine wunderliche Art zu übersetzen, gerade als wenn die Lateiner vormahls alle griechische Nahmen oder dergleichen andre entlehnte und hergeleitete Wörter so hefftig verabscheuet hätten. Rachelius hat sich abermahl nicht enthalten können, diese Hirsenpfriemer, wie er sie nen- net, lächerlich zu machen. Jn seiner offt angezogenen Sa- tire heißt es:
Auch sieh dich eben für, daß deine Arbeit nicht, Sey allzu sehr genau und sorglich eingericht. Nach Hirsenpfriemers Art, wenn er also darf setzen: Der Ertzgott Jupiter, der hatte, sich zu letzen, Ein Gastmahl angestellt. Die Weidin gab das Wild. Der Glutfang den Toback. Der Saal ward angefüllt. Die Obstin trug zu Tisch in einer vollen Schüssel, Der Freye saß und spielt auf einem Hertzens-Schlüssel, Der kleine Liebreich sane ein Dichtling auf den Schmaus, Der trunckne Heldreich schlug die Tageleuchter aus, Die Feurin kam darzu aus ihrem Jungferzwinger Mit Schnäbeln angethan. Apollo ließ die Finger Frisch durch die Sayten gehn. Des Heldreichs Waldhauptmann Fieng lustig einen Tantz mit den Holdinnen an.
Je!
Das VII. Capitel
ler Einſicht in die Natur unſrer Sprache’, ſich durch das Exempel der Hollaͤnder zu einer gar zu großen Kuͤhnheit ver- leiten laſſen. Er uͤberſetzt z. E. aus Heinſii Poeſien folgende Zeilen von Wort zu Wort, die dem Weingott zu Lobe ge- reichen:
Eben dergleichen neue Nahmen und Woͤrter findet man in ſeinem Lob des Kriegsgottes Mars, und an andern Orten. Er hat z. E. die Nacht eine Kummerwenderin, u. d. m. ge- nennet, welches endlich ſo uͤbel nicht klinget als die vorigen, und alſo ſchon zu dulden waͤre. Seine Nachfolger, z. E. Lohenſtein, u. a. m. haben ſich auch zuweilen großer Freyhei- ten bedienet, die ich keinem nachzuahmen rathen wollte. Sonderlich hat man ſich bemuͤhet, alle Woͤrter, die nur ei- niger maßen dem latein aͤhnlich waren, oder wircklich daraus herſtammeten, auf eine wunderliche Art zu uͤberſetzen, gerade als wenn die Lateiner vormahls alle griechiſche Nahmen oder dergleichen andre entlehnte und hergeleitete Woͤrter ſo hefftig verabſcheuet haͤtten. Rachelius hat ſich abermahl nicht enthalten koͤnnen, dieſe Hirſenpfriemer, wie er ſie nen- net, laͤcherlich zu machen. Jn ſeiner offt angezogenen Sa- tire heißt es:
Auch ſieh dich eben fuͤr, daß deine Arbeit nicht, Sey allzu ſehr genau und ſorglich eingericht. Nach Hirſenpfriemers Art, wenn er alſo darf ſetzen: Der Ertzgott Jupiter, der hatte, ſich zu letzen, Ein Gaſtmahl angeſtellt. Die Weidin gab das Wild. Der Glutfang den Toback. Der Saal ward angefuͤllt. Die Obſtin trug zu Tiſch in einer vollen Schuͤſſel, Der Freye ſaß und ſpielt auf einem Hertzens-Schluͤſſel, Der kleine Liebreich ſane ein Dichtling auf den Schmaus, Der trunckne Heldreich ſchlug die Tageleuchter aus, Die Feurin kam darzu aus ihrem Jungferzwinger Mit Schnaͤbeln angethan. Apollo ließ die Finger Friſch durch die Sayten gehn. Des Heldreichs Waldhauptmann Fieng luſtig einen Tantz mit den Holdinnen an.
Je!
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Das VII. Capitel
ler Einſicht in die Natur unſrer Sprache’, ſich durch das
Exempel der Hollaͤnder zu einer gar zu großen Kuͤhnheit ver-
leiten laſſen. Er uͤberſetzt z. E. aus Heinſii Poeſien folgende
Zeilen von Wort zu Wort, die dem Weingott zu Lobe ge-
reichen:
Nachtlaͤufer, Huͤffteſohn, Hochſchreyer, Luͤfftenſpringer,
Gutgeber, Liebesfreund, Hauptbrecher, Loͤwenzwinger,
Hertzfanger, Hertzendieb, Mundbinder, Sinnentoll,
Geiſtruͤhrer, Wackelfuß, Stadtkreiſcher, Allzeitvoll.
Eben dergleichen neue Nahmen und Woͤrter findet man in
ſeinem Lob des Kriegsgottes Mars, und an andern Orten.
Er hat z. E. die Nacht eine Kummerwenderin, u. d. m. ge-
nennet, welches endlich ſo uͤbel nicht klinget als die vorigen,
und alſo ſchon zu dulden waͤre. Seine Nachfolger, z. E.
Lohenſtein, u. a. m. haben ſich auch zuweilen großer Freyhei-
ten bedienet, die ich keinem nachzuahmen rathen wollte.
Sonderlich hat man ſich bemuͤhet, alle Woͤrter, die nur ei-
niger maßen dem latein aͤhnlich waren, oder wircklich daraus
herſtammeten, auf eine wunderliche Art zu uͤberſetzen, gerade
als wenn die Lateiner vormahls alle griechiſche Nahmen
oder dergleichen andre entlehnte und hergeleitete Woͤrter ſo
hefftig verabſcheuet haͤtten. Rachelius hat ſich abermahl
nicht enthalten koͤnnen, dieſe Hirſenpfriemer, wie er ſie nen-
net, laͤcherlich zu machen. Jn ſeiner offt angezogenen Sa-
tire heißt es:
Auch ſieh dich eben fuͤr, daß deine Arbeit nicht,
Sey allzu ſehr genau und ſorglich eingericht.
Nach Hirſenpfriemers Art, wenn er alſo darf ſetzen:
Der Ertzgott Jupiter, der hatte, ſich zu letzen,
Ein Gaſtmahl angeſtellt. Die Weidin gab das Wild.
Der Glutfang den Toback. Der Saal ward angefuͤllt.
Die Obſtin trug zu Tiſch in einer vollen Schuͤſſel,
Der Freye ſaß und ſpielt auf einem Hertzens-Schluͤſſel,
Der kleine Liebreich ſane ein Dichtling auf den Schmaus,
Der trunckne Heldreich ſchlug die Tageleuchter aus,
Die Feurin kam darzu aus ihrem Jungferzwinger
Mit Schnaͤbeln angethan. Apollo ließ die Finger
Friſch durch die Sayten gehn. Des Heldreichs Waldhauptmann
Fieng luſtig einen Tantz mit den Holdinnen an.
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Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_versuch_1730/226>, abgerufen am 22.11.2024.
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