Bedeutungen der Hauptwörter entweder eingeschräncket oder vergrößert, oder sonst auf gewisse Weise bestimmet wer- den: als z. Ex. wohl schreiben, recht reimen, schön dencken, starck rühren. Wir haben Vorwörter, welche man bey den Reim- und Vorwörtern nöthig hat, ihre Verhältnisse unter einander anzuzeigen: als von Rom, nach Paris; bey mir, zu ihm, über die Wolcken, im Staube, unter dem Pöbel. Wir haben Verbindungswörter, die den Zu- sammenhang unsrer Begriffe anzeigen, als da sind: Und, auch, aber, denn, weil, dafern, u. d. gl. Endlich auch Zwi- schenwörter, die gemeiniglich zum Ausdrucke gewisser Ge- müthsbewegungen und andrer kleiner Umstände dienen, die zu den vorigen nicht gebracht werden können. Als: Ach! O! Hey! Sa, Sa! St! Wohlan! lustig! u. d. m.
Aller dieser Gattungen von Wörtern, kan ein Poet eben so wenig, als die Geschichtschreiber und Redner entbehren. Allein er bedienet sich dabey offtmahls gewisser Freyheiten, die in andern Schrifften nicht erlaubt seyn würden. Jch würde hier Regeln und Exempel davon geben müssen, wenn sich solches nicht bequemer bey den folgenden Abtheilungen der Wörter thun ließe. Man kan nehmlich dieselben über- haupt, entweder als veraltete, oder als übliche, oder als neu- gemachte Wörter ansehen, und dabey fragen, welche von die- sen vor einen Poeten eigentlich gehören.
Was die altfränckischen Wörter betrifft, so finden wir sie in den Schrifften, die vor und um die Zeiten der Refor- mation Lutheri, ja bis auf Opitzens Zeiten, verfertiget wor- den. Man darf nur den Theuerdanck, Hans Sachsens und andrer solcher alten Meistersänger Schrifften nachsehen, so wird man die Proben davon gantz häuffig finden, z. E. im Theuerdanck steht gleich von Anfang beschaffen vor geschaf- fen, Gemahel vor Gemahlin, Künigein vor Königin, Be- filh, vor Befehle, bestet, vor bestattet, von nahenden, vor nahen. Einhelligklich, vor einhellig, endtschüttet, vor beschützet, abgan, vor abgehen. Morgenich, vor morgen- de, Faulkeit, vor Faulheit. Ruck, vor Rücken, offt und dick vor vielmahls, Gehueren vor Geweihe oder Gehörne
eines
Das VII. Capitel
Bedeutungen der Hauptwoͤrter entweder eingeſchraͤncket oder vergroͤßert, oder ſonſt auf gewiſſe Weiſe beſtimmet wer- den: als z. Ex. wohl ſchreiben, recht reimen, ſchoͤn dencken, ſtarck ruͤhren. Wir haben Vorwoͤrter, welche man bey den Reim- und Vorwoͤrtern noͤthig hat, ihre Verhaͤltniſſe unter einander anzuzeigen: als von Rom, nach Paris; bey mir, zu ihm, uͤber die Wolcken, im Staube, unter dem Poͤbel. Wir haben Verbindungswoͤrter, die den Zu- ſammenhang unſrer Begriffe anzeigen, als da ſind: Und, auch, aber, denn, weil, dafern, u. d. gl. Endlich auch Zwi- ſchenwoͤrter, die gemeiniglich zum Ausdrucke gewiſſer Ge- muͤthsbewegungen und andrer kleiner Umſtaͤnde dienen, die zu den vorigen nicht gebracht werden koͤnnen. Als: Ach! O! Hey! Sa, Sa! St! Wohlan! luſtig! u. d. m.
Aller dieſer Gattungen von Woͤrtern, kan ein Poet eben ſo wenig, als die Geſchichtſchreiber und Redner entbehren. Allein er bedienet ſich dabey offtmahls gewiſſer Freyheiten, die in andern Schrifften nicht erlaubt ſeyn wuͤrden. Jch wuͤrde hier Regeln und Exempel davon geben muͤſſen, wenn ſich ſolches nicht bequemer bey den folgenden Abtheilungen der Woͤrter thun ließe. Man kan nehmlich dieſelben uͤber- haupt, entweder als veraltete, oder als uͤbliche, oder als neu- gemachte Woͤrter anſehen, und dabey fragen, welche von die- ſen vor einen Poeten eigentlich gehoͤren.
Was die altfraͤnckiſchen Woͤrter betrifft, ſo finden wir ſie in den Schrifften, die vor und um die Zeiten der Refor- mation Lutheri, ja bis auf Opitzens Zeiten, verfertiget wor- den. Man darf nur den Theuerdanck, Hans Sachſens und andrer ſolcher alten Meiſterſaͤnger Schrifften nachſehen, ſo wird man die Proben davon gantz haͤuffig finden, z. E. im Theuerdanck ſteht gleich von Anfang beſchaffen vor geſchaf- fen, Gemahel vor Gemahlin, Kuͤnigein vor Koͤnigin, Be- filh, vor Befehle, beſtet, vor beſtattet, von nahenden, vor nahen. Einhelligklich, vor einhellig, endtſchuͤttet, vor beſchuͤtzet, abgan, vor abgehen. Morgenich, vor morgen- de, Faulkeit, vor Faulheit. Ruck, vor Ruͤcken, offt und dick vor vielmahls, Gehueren vor Geweihe oder Gehoͤrne
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Das VII. Capitel
Bedeutungen der Hauptwoͤrter entweder eingeſchraͤncket
oder vergroͤßert, oder ſonſt auf gewiſſe Weiſe beſtimmet wer-
den: als z. Ex. wohl ſchreiben, recht reimen, ſchoͤn dencken,
ſtarck ruͤhren. Wir haben Vorwoͤrter, welche man bey
den Reim- und Vorwoͤrtern noͤthig hat, ihre Verhaͤltniſſe
unter einander anzuzeigen: als von Rom, nach Paris;
bey mir, zu ihm, uͤber die Wolcken, im Staube, unter dem
Poͤbel. Wir haben Verbindungswoͤrter, die den Zu-
ſammenhang unſrer Begriffe anzeigen, als da ſind: Und,
auch, aber, denn, weil, dafern, u. d. gl. Endlich auch Zwi-
ſchenwoͤrter, die gemeiniglich zum Ausdrucke gewiſſer Ge-
muͤthsbewegungen und andrer kleiner Umſtaͤnde dienen, die
zu den vorigen nicht gebracht werden koͤnnen. Als: Ach! O!
Hey! Sa, Sa! St! Wohlan! luſtig! u. d. m.
Aller dieſer Gattungen von Woͤrtern, kan ein Poet eben
ſo wenig, als die Geſchichtſchreiber und Redner entbehren.
Allein er bedienet ſich dabey offtmahls gewiſſer Freyheiten,
die in andern Schrifften nicht erlaubt ſeyn wuͤrden. Jch
wuͤrde hier Regeln und Exempel davon geben muͤſſen, wenn
ſich ſolches nicht bequemer bey den folgenden Abtheilungen
der Woͤrter thun ließe. Man kan nehmlich dieſelben uͤber-
haupt, entweder als veraltete, oder als uͤbliche, oder als neu-
gemachte Woͤrter anſehen, und dabey fragen, welche von die-
ſen vor einen Poeten eigentlich gehoͤren.
Was die altfraͤnckiſchen Woͤrter betrifft, ſo finden wir
ſie in den Schrifften, die vor und um die Zeiten der Refor-
mation Lutheri, ja bis auf Opitzens Zeiten, verfertiget wor-
den. Man darf nur den Theuerdanck, Hans Sachſens
und andrer ſolcher alten Meiſterſaͤnger Schrifften nachſehen,
ſo wird man die Proben davon gantz haͤuffig finden, z. E. im
Theuerdanck ſteht gleich von Anfang beſchaffen vor geſchaf-
fen, Gemahel vor Gemahlin, Kuͤnigein vor Koͤnigin, Be-
filh, vor Befehle, beſtet, vor beſtattet, von nahenden, vor
nahen. Einhelligklich, vor einhellig, endtſchuͤttet, vor
beſchuͤtzet, abgan, vor abgehen. Morgenich, vor morgen-
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dick vor vielmahls, Gehueren vor Geweihe oder Gehoͤrne
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Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_versuch_1730/216>, abgerufen am 16.02.2025.
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