Gottsched, Luise Adelgunde Victorie: Die Pietisterey im Fischbein-Rocke. Rostock, 1736.im Fischbein-Rocke. Frau Glaubeleichtin. Nun? werden denn etwan die Leute mit Geld erkaufft, daß sie nur vorgeben, sie wären gesund worden? Sollten unsere Herren so gottloß seyn? Frau Bettelsackin. Das sage ich nicht. Frau Glaubeleichtin. Was wollt ihr denn sagen? Frau Bettelsackin. Sehn sie nur - - - es ist - - - Man muß doch diese Artzeneyen in den Ruf bringen, und da muß man allerley Leute kriegen - - - Da muß man vor viel arme Krancken die Artzeneyen ver- schreiben, und sie sind sehr theuer. Ubrigens muß man denen, welche gesund geworden sind, so viel Allmosen geben, damit sie es nur allenthalben aus- breiten. Wahrhafftig! eine eintzige Frau hat uns 70 Gulden gekostet; und ihre Kranckheit war doch nicht sonderlich. Frau Glaubeleichtin. Das ist alles sehr gut: Aber ich kann nicht mehr so viel geben: Da habt ihr vor dießmahl nur 2 Ducaten. Adjeu meine Tochter! grüsset eure Herren! Frau Bettelsackin. Jch werde es ausrichten. Vier- E 4
im Fiſchbein-Rocke. Frau Glaubeleichtin. Nun? werden denn etwan die Leute mit Geld erkaufft, daß ſie nur vorgeben, ſie waͤren geſund worden? Sollten unſere Herren ſo gottloß ſeyn? Frau Bettelſackin. Das ſage ich nicht. Frau Glaubeleichtin. Was wollt ihr denn ſagen? Frau Bettelſackin. Sehn ſie nur - - - es iſt - - - Man muß doch dieſe Artzeneyen in den Ruf bringen, und da muß man allerley Leute kriegen - - - Da muß man vor viel arme Krancken die Artzeneyen ver- ſchreiben, und ſie ſind ſehr theuer. Ubrigens muß man denen, welche geſund geworden ſind, ſo viel Allmoſen geben, damit ſie es nur allenthalben aus- breiten. Wahrhafftig! eine eintzige Frau hat uns 70 Gulden gekoſtet; und ihre Kranckheit war doch nicht ſonderlich. Frau Glaubeleichtin. Das iſt alles ſehr gut: Aber ich kann nicht mehr ſo viel geben: Da habt ihr vor dießmahl nur 2 Ducaten. Adjeu meine Tochter! gruͤſſet eure Herren! Frau Bettelſackin. Jch werde es ausrichten. Vier- E 4
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im Fiſchbein-Rocke.
Frau Glaubeleichtin.
Nun? werden denn etwan die Leute mit Geld
erkaufft, daß ſie nur vorgeben, ſie waͤren geſund
worden? Sollten unſere Herren ſo gottloß ſeyn?
Frau Bettelſackin.
Das ſage ich nicht.
Frau Glaubeleichtin.
Was wollt ihr denn ſagen?
Frau Bettelſackin.
Sehn ſie nur - - - es iſt - - - Man muß
doch dieſe Artzeneyen in den Ruf bringen, und da
muß man allerley Leute kriegen - - - Da muß
man vor viel arme Krancken die Artzeneyen ver-
ſchreiben, und ſie ſind ſehr theuer. Ubrigens muß
man denen, welche geſund geworden ſind, ſo viel
Allmoſen geben, damit ſie es nur allenthalben aus-
breiten. Wahrhafftig! eine eintzige Frau hat
uns 70 Gulden gekoſtet; und ihre Kranckheit war
doch nicht ſonderlich.
Frau Glaubeleichtin.
Das iſt alles ſehr gut: Aber ich kann nicht
mehr ſo viel geben: Da habt ihr vor dießmahl nur
2 Ducaten. Adjeu meine Tochter! gruͤſſet eure
Herren!
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