Gottsched, Luise Adelgunde Victorie: Die Pietisterey im Fischbein-Rocke. Rostock, 1736.Die Pietisterey Frau Bettelsackin. Das sind die Prediger, so man in Schlesien und anderwerts des Pietismi wegen abgesetzet hat. Wie sollten die armen Leute leben, wenn man ihnen nicht Vorschub thäte. Frau Glaubeleichtin. Das ist wohl gut: Aber, weil doch die meisten nicht von Königsberg sind, so möchte ein jeder in sein Land gehen. Frau Bettelsackin. Ach! was sagen sie? Sie leisten uns dem ohn- geachtet sehr grosse Dienste. Sie schreyen, sie kla- gen, sie gehen aus einem Hause ins andere, und schimpffen auf die Orthodoxen. Das wirckt viel Gutes. Frau Glaubeleichtin. Nun! das dritte? Frau Bettelsackin. Das ist die Artzeney aus dem Wäysenhause. Frau Glaubeleichtin. Nun! was wollt ihr sagen? Frau Bettelsackin. Davon werden so viel Leute gesund; und das kostet uns immer Geld - - - (Beyseite:) Potz tausend! da habe ich mich vergangen. Frau
Die Pietiſterey Frau Bettelſackin. Das ſind die Prediger, ſo man in Schleſien und anderwerts des Pietiſmi wegen abgeſetzet hat. Wie ſollten die armen Leute leben, wenn man ihnen nicht Vorſchub thaͤte. Frau Glaubeleichtin. Das iſt wohl gut: Aber, weil doch die meiſten nicht von Koͤnigsberg ſind, ſo moͤchte ein jeder in ſein Land gehen. Frau Bettelſackin. Ach! was ſagen ſie? Sie leiſten uns dem ohn- geachtet ſehr groſſe Dienſte. Sie ſchreyen, ſie kla- gen, ſie gehen aus einem Hauſe ins andere, und ſchimpffen auf die Orthodoxen. Das wirckt viel Gutes. Frau Glaubeleichtin. Nun! das dritte? Frau Bettelſackin. Das iſt die Artzeney aus dem Waͤyſenhauſe. Frau Glaubeleichtin. Nun! was wollt ihr ſagen? Frau Bettelſackin. Davon werden ſo viel Leute geſund; und das koſtet uns immer Geld ‒ ‒ ‒ (Beyſeite:) Potz tauſend! da habe ich mich vergangen. Frau
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0090" n="70"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Die Pietiſterey</hi> </fw><lb/> <sp who="#BETT"> <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Frau Bettelſackin.</hi> </hi> </speaker><lb/> <p>Das ſind die Prediger, ſo man in Schleſien und<lb/> anderwerts des Pietiſmi wegen abgeſetzet hat. Wie<lb/> ſollten die armen Leute leben, wenn man ihnen nicht<lb/> Vorſchub thaͤte.</p> </sp><lb/> <sp who="#GLAU"> <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Frau Glaubeleichtin.</hi> </hi> </speaker><lb/> <p>Das iſt wohl gut: Aber, weil doch die meiſten<lb/> nicht von Koͤnigsberg ſind, ſo moͤchte ein jeder in<lb/> ſein Land gehen.</p> </sp><lb/> <sp who="#BETT"> <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Frau Bettelſackin.</hi> </hi> </speaker><lb/> <p>Ach! was ſagen ſie? Sie leiſten uns dem ohn-<lb/> geachtet ſehr groſſe Dienſte. Sie ſchreyen, ſie kla-<lb/> gen, ſie gehen aus einem Hauſe ins andere, und<lb/> ſchimpffen auf die Orthodoxen. Das wirckt viel<lb/> Gutes.</p> </sp><lb/> <sp who="#GLAU"> <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Frau Glaubeleichtin.</hi> </hi> </speaker><lb/> <p>Nun! das dritte?</p> </sp><lb/> <sp who="#BETT"> <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Frau Bettelſackin.</hi> </hi> </speaker><lb/> <p>Das iſt die Artzeney aus dem Waͤyſenhauſe.</p> </sp><lb/> <sp who="#GLAU"> <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Frau Glaubeleichtin.</hi> </hi> </speaker><lb/> <p>Nun! was wollt ihr ſagen?</p> </sp><lb/> <sp who="#BETT"> <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Frau Bettelſackin.</hi> </hi> </speaker><lb/> <p>Davon werden ſo viel Leute geſund; und das<lb/> koſtet uns immer Geld ‒ ‒ ‒</p> <stage>(Beyſeite:)</stage> <p>Potz<lb/> tauſend! da habe ich mich vergangen.</p><lb/> <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#b">Frau</hi> </fw> </sp><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [70/0090]
Die Pietiſterey
Frau Bettelſackin.
Das ſind die Prediger, ſo man in Schleſien und
anderwerts des Pietiſmi wegen abgeſetzet hat. Wie
ſollten die armen Leute leben, wenn man ihnen nicht
Vorſchub thaͤte.
Frau Glaubeleichtin.
Das iſt wohl gut: Aber, weil doch die meiſten
nicht von Koͤnigsberg ſind, ſo moͤchte ein jeder in
ſein Land gehen.
Frau Bettelſackin.
Ach! was ſagen ſie? Sie leiſten uns dem ohn-
geachtet ſehr groſſe Dienſte. Sie ſchreyen, ſie kla-
gen, ſie gehen aus einem Hauſe ins andere, und
ſchimpffen auf die Orthodoxen. Das wirckt viel
Gutes.
Frau Glaubeleichtin.
Nun! das dritte?
Frau Bettelſackin.
Das iſt die Artzeney aus dem Waͤyſenhauſe.
Frau Glaubeleichtin.
Nun! was wollt ihr ſagen?
Frau Bettelſackin.
Davon werden ſo viel Leute geſund; und das
koſtet uns immer Geld ‒ ‒ ‒ (Beyſeite:) Potz
tauſend! da habe ich mich vergangen.
Frau
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_pietisterey_1736 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_pietisterey_1736/90 |
Zitationshilfe: | Gottsched, Luise Adelgunde Victorie: Die Pietisterey im Fischbein-Rocke. Rostock, 1736, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_pietisterey_1736/90>, abgerufen am 16.02.2025. |