Gottsched, Luise Adelgunde Victorie: Die Pietisterey im Fischbein-Rocke. Rostock, 1736.im Fischbein-Rocke. selbst verkehren, den gantzen innern Menschen zer-nichten, und die Liebe zu GOtt nicht dulden können. Herr Wackermann. Mein GOtt! was Liebe und Sanfftmuth! Jungfer Luischen. Aber liebe Mama - - - Frau Glaubeleichtin. Nun? Jungfer Luischen. Was brauch ichs, die Orthodoxen zu kennen? Frau Glaubeleichtin. Wie? du ungelerniges Thier? Christus in uns; die Freyheit der Kinder GOttes; die Gesetze der Liebe; der unumstößliche Grund des gantzen Chri- stenthums; die unbefleckte Lauterkeit des Hertzens; ist dir das alles gleich viel? Herr Wackermann. Potz tausend, Frau Schwester! wo nehmen sie alles das schöne Zeug her? das sind ja Wör- ter, womit man vier Theologische Responsa aus- spicken könnte. Jungfer Luischen. Behüte mich GOtt dafür, Mama. Jch ver- ehre alles das, als heilige Sachen; aber ich sehe nicht, was ich mich drein zu mischen habe; und ob überhaupt ein Frauenzimmer - - - - Herr Wackermann. Warhafftig, sie hat recht! und wenn ihr wollt, daß B 4
im Fiſchbein-Rocke. ſelbſt verkehren, den gantzen innern Menſchen zer-nichten, und die Liebe zu GOtt nicht dulden koͤnnen. Herr Wackermann. Mein GOtt! was Liebe und Sanfftmuth! Jungfer Luischen. Aber liebe Mama ‒ ‒ ‒ Frau Glaubeleichtin. Nun? Jungfer Luischen. Was brauch ichs, die Orthodoxen zu kennen? Frau Glaubeleichtin. Wie? du ungelerniges Thier? Chriſtus in uns; die Freyheit der Kinder GOttes; die Geſetze der Liebe; der unumſtoͤßliche Grund des gantzen Chri- ſtenthums; die unbefleckte Lauterkeit des Hertzens; iſt dir das alles gleich viel? Herr Wackermann. Potz tauſend, Frau Schweſter! wo nehmen ſie alles das ſchoͤne Zeug her? das ſind ja Woͤr- ter, womit man vier Theologiſche Reſponſa aus- ſpicken koͤnnte. Jungfer Luischen. Behuͤte mich GOtt dafuͤr, Mama. Jch ver- ehre alles das, als heilige Sachen; aber ich ſehe nicht, was ich mich drein zu miſchen habe; und ob uͤberhaupt ein Frauenzimmer ‒ ‒ ‒ ‒ Herr Wackermann. Warhafftig, ſie hat recht! und wenn ihr wollt, daß B 4
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <sp who="#GLAU"> <p><pb facs="#f0043" n="23"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">im Fiſchbein-Rocke.</hi></fw><lb/> ſelbſt verkehren, den gantzen innern Menſchen zer-<lb/> nichten, und die Liebe zu GOtt nicht dulden koͤnnen.</p> </sp><lb/> <sp who="#WACK"> <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Herr Wackermann.</hi> </hi> </speaker><lb/> <p>Mein GOtt! was Liebe und Sanfftmuth!</p> </sp><lb/> <sp who="#LUI"> <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Jungfer Luischen.</hi> </hi> </speaker><lb/> <p>Aber liebe Mama ‒ ‒ ‒</p> </sp><lb/> <sp who="#GLAU"> <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Frau Glaubeleichtin.</hi> </hi> </speaker><lb/> <p>Nun?</p> </sp><lb/> <sp who="#LUI"> <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Jungfer Luischen.</hi> </hi> </speaker><lb/> <p>Was brauch ichs, die Orthodoxen zu kennen?</p> </sp><lb/> <sp who="#GLAU"> <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Frau Glaubeleichtin.</hi> </hi> </speaker><lb/> <p>Wie? du ungelerniges Thier? Chriſtus in uns;<lb/> die Freyheit der Kinder GOttes; die Geſetze der<lb/> Liebe; der unumſtoͤßliche Grund des gantzen Chri-<lb/> ſtenthums; die unbefleckte Lauterkeit des Hertzens;<lb/> iſt dir das alles gleich viel?</p> </sp><lb/> <sp who="#WACK"> <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Herr Wackermann.</hi> </hi> </speaker><lb/> <p>Potz tauſend, Frau Schweſter! wo nehmen<lb/> ſie alles das ſchoͤne Zeug her? das ſind ja Woͤr-<lb/> ter, womit man vier Theologiſche Reſponſa aus-<lb/> ſpicken koͤnnte.</p> </sp><lb/> <sp who="#LUI"> <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Jungfer Luischen.</hi> </hi> </speaker><lb/> <p>Behuͤte mich GOtt dafuͤr, Mama. Jch ver-<lb/> ehre alles das, als heilige Sachen; aber ich ſehe<lb/> nicht, was ich mich drein zu miſchen habe; und ob<lb/> uͤberhaupt ein Frauenzimmer ‒ ‒ ‒ ‒</p> </sp><lb/> <sp who="#WACK"> <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Herr Wackermann.</hi> </hi> </speaker><lb/> <p>Warhafftig, ſie hat recht! und wenn ihr wollt,<lb/> <fw place="bottom" type="sig">B 4</fw><fw place="bottom" type="catch">daß</fw><lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [23/0043]
im Fiſchbein-Rocke.
ſelbſt verkehren, den gantzen innern Menſchen zer-
nichten, und die Liebe zu GOtt nicht dulden koͤnnen.
Herr Wackermann.
Mein GOtt! was Liebe und Sanfftmuth!
Jungfer Luischen.
Aber liebe Mama ‒ ‒ ‒
Frau Glaubeleichtin.
Nun?
Jungfer Luischen.
Was brauch ichs, die Orthodoxen zu kennen?
Frau Glaubeleichtin.
Wie? du ungelerniges Thier? Chriſtus in uns;
die Freyheit der Kinder GOttes; die Geſetze der
Liebe; der unumſtoͤßliche Grund des gantzen Chri-
ſtenthums; die unbefleckte Lauterkeit des Hertzens;
iſt dir das alles gleich viel?
Herr Wackermann.
Potz tauſend, Frau Schweſter! wo nehmen
ſie alles das ſchoͤne Zeug her? das ſind ja Woͤr-
ter, womit man vier Theologiſche Reſponſa aus-
ſpicken koͤnnte.
Jungfer Luischen.
Behuͤte mich GOtt dafuͤr, Mama. Jch ver-
ehre alles das, als heilige Sachen; aber ich ſehe
nicht, was ich mich drein zu miſchen habe; und ob
uͤberhaupt ein Frauenzimmer ‒ ‒ ‒ ‒
Herr Wackermann.
Warhafftig, ſie hat recht! und wenn ihr wollt,
daß
B 4
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_pietisterey_1736 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_pietisterey_1736/43 |
Zitationshilfe: | Gottsched, Luise Adelgunde Victorie: Die Pietisterey im Fischbein-Rocke. Rostock, 1736, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_pietisterey_1736/43>, abgerufen am 17.02.2025. |