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Gottsched, Luise Adelgunde Victorie: Die Pietisterey im Fischbein-Rocke. Rostock, 1736.

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im Fischbein-Rocke.
Herr Wackermann.
Wie viel haben sie Scheinfrommen gesagt, daß
sie ihrer Tochter mitgeben wollten?
Frau Glaubeleichtin.
Nun! sie fragen recht herum. Jch habe gesagt,
ich gebe meiner Tochter 3000 Gulden mit.
Herr Wackermann.
Nun! so ist Herr Scheinfromm ein Schelm.
Frau Glaubeleichtin.
Ach! Herr Bruder! können sie die Gottseelig-
keit selbst so schimpffen?
Herr Wackermann.
Jch dachte wohl, daß sie es nicht glauben wür-
den; aber ich habe die Probe schrifftlich.
Frau Glaubeleichtin.
O! Himmel! das ist eine Lästerung! Ein
Mensch, der mit göttlichen Geheimnissen, mit der
Liebe, mit der Sanfftmuht, mit der Aufrichtigkeit
gantz erfüllt ist! Ach! das ist wieder ein Streich
der Orthodoxen! Die Leute könnens nicht leiden,
daß das Reich Christi durch heilige Leute ausge-
breitet werde, deswegen schmähen und lästern sie
dieselben, wo sie nur können.
Herr Wackermann.
Das war eine schöne Betrachtung: Es fehlt
ihr nichts, als daß sie auf die Pietisten gezogen
würde. Hören sie: Jch war so erboßt auf diese
Heyrath, daß ich ihre Tochter entführen, zu mir
neh-
J 2
im Fiſchbein-Rocke.
Herr Wackermann.
Wie viel haben ſie Scheinfrommen geſagt, daß
ſie ihrer Tochter mitgeben wollten?
Frau Glaubeleichtin.
Nun! ſie fragen recht herum. Jch habe geſagt,
ich gebe meiner Tochter 3000 Gulden mit.
Herr Wackermann.
Nun! ſo iſt Herr Scheinfromm ein Schelm.
Frau Glaubeleichtin.
Ach! Herr Bruder! koͤnnen ſie die Gottſeelig-
keit ſelbſt ſo ſchimpffen?
Herr Wackermann.
Jch dachte wohl, daß ſie es nicht glauben wuͤr-
den; aber ich habe die Probe ſchrifftlich.
Frau Glaubeleichtin.
O! Himmel! das iſt eine Laͤſterung! Ein
Menſch, der mit goͤttlichen Geheimniſſen, mit der
Liebe, mit der Sanfftmuht, mit der Aufrichtigkeit
gantz erfuͤllt iſt! Ach! das iſt wieder ein Streich
der Orthodoxen! Die Leute koͤnnens nicht leiden,
daß das Reich Chriſti durch heilige Leute ausge-
breitet werde, deswegen ſchmaͤhen und laͤſtern ſie
dieſelben, wo ſie nur koͤnnen.
Herr Wackermann.
Das war eine ſchoͤne Betrachtung: Es fehlt
ihr nichts, als daß ſie auf die Pietiſten gezogen
wuͤrde. Hoͤren ſie: Jch war ſo erboßt auf dieſe
Heyrath, daß ich ihre Tochter entfuͤhren, zu mir
neh-
J 2
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[131/0151] im Fiſchbein-Rocke. Herr Wackermann. Wie viel haben ſie Scheinfrommen geſagt, daß ſie ihrer Tochter mitgeben wollten? Frau Glaubeleichtin. Nun! ſie fragen recht herum. Jch habe geſagt, ich gebe meiner Tochter 3000 Gulden mit. Herr Wackermann. Nun! ſo iſt Herr Scheinfromm ein Schelm. Frau Glaubeleichtin. Ach! Herr Bruder! koͤnnen ſie die Gottſeelig- keit ſelbſt ſo ſchimpffen? Herr Wackermann. Jch dachte wohl, daß ſie es nicht glauben wuͤr- den; aber ich habe die Probe ſchrifftlich. Frau Glaubeleichtin. O! Himmel! das iſt eine Laͤſterung! Ein Menſch, der mit goͤttlichen Geheimniſſen, mit der Liebe, mit der Sanfftmuht, mit der Aufrichtigkeit gantz erfuͤllt iſt! Ach! das iſt wieder ein Streich der Orthodoxen! Die Leute koͤnnens nicht leiden, daß das Reich Chriſti durch heilige Leute ausge- breitet werde, deswegen ſchmaͤhen und laͤſtern ſie dieſelben, wo ſie nur koͤnnen. Herr Wackermann. Das war eine ſchoͤne Betrachtung: Es fehlt ihr nichts, als daß ſie auf die Pietiſten gezogen wuͤrde. Hoͤren ſie: Jch war ſo erboßt auf dieſe Heyrath, daß ich ihre Tochter entfuͤhren, zu mir neh- J 2

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Zitationshilfe: Gottsched, Luise Adelgunde Victorie: Die Pietisterey im Fischbein-Rocke. Rostock, 1736, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_pietisterey_1736/151>, abgerufen am 24.11.2024.