pgo_026.001 über alle diese Störungen triumphirt und sich durch diesen Triumph pgo_026.002 doppelt über sein persönliches, endliches Sein in das Reich der reinen Anschauung pgo_026.003 erhebt -- das läßt die ästhetische Wirkung des Erhabenen, des pgo_026.004 kämpfenden Schönen, größer erscheinen, als die der ruhigen und kampflosen pgo_026.005 Schönheit. Neben dieser Unendlichkeit des sinnlich Erhabenen, des pgo_026.006 Raumes, der Zeit, der Kraft, welche die in der Natur schlummernde Jdee pgo_026.007 zu solcher überraschenden Mächtigkeit erhebt, daß der Geist sich ihr gegenüber pgo_026.008 erst klein fühlt, um sich dann groß zu fühlen, einer Erhabenheit, pgo_026.009 der in der sittlichen Welt die Naturkraft des Bösen entspricht, giebt es pgo_026.010 auch eine positive sittliche Erhabenheit, der Kampf und das Opfer für pgo_026.011 die Jdee mit Aufgabe der sinnlichen Lebensgüter. Dies ist die Erhabenheit pgo_026.012 der Helden und Märtyrer der Menschheit, die für ihre Ueberzeugung pgo_026.013 stritten, duldeten und starben, eines Regulus, der für die Pflicht sich opfert, pgo_026.014 eines Cato, der für das Jdeal seiner Republik in den freiwilligen Tod pgo_026.015 geht. Hier theilen wir die Erhebung der Helden über das Vergängliche pgo_026.016 und dringen durch die Schauer der Wehmuth, die letzte Verklärung pgo_026.017 der geopferten Sinnlichkeit, zu dem frohlockenden Triumphe des freien pgo_026.018 Geistes hindurch. Ebenso erhaben ist die Leidenschaft, mag sie nun pgo_026.019 die welthistorische der Cäsaren und Napoleone sein, die, während sie dem pgo_026.020 eigenen großen Triebe folgen, nur Organe des Weltgeistes sind, oder pgo_026.021 mag sie den Dolch eines Macbeth und Othello schwingen und uns durch pgo_026.022 die furchtbare That erschrecken. Jn der Leidenschaft vereinigt sich das pgo_026.023 sinnlich und sittlich Erhabene; es ist die aller Banden spottende Naturkraft pgo_026.024 und zugleich die höchste imponirende Energie des Wollens. Darum pgo_026.025 machen auch jene Zeitalter der Geschichte, in denen die Leidenschaft pgo_026.026 herrscht, die Revolutionen der Menschheit, einen erhabenen Eindruck. pgo_026.027 Vor Allem aber ist erhaben eine Weltanschauung, für welche das Göttliche pgo_026.028 eine über die Welt übergreifende Macht ist. Deshalb bietet die pgo_026.029 hebräische Poesie die reichsten Beispiele für das Erhabene. Es ist pgo_026.030 ebenso einseitig, das Erhabene auf die Natur, wie auf die Welt des pgo_026.031 Geistes beschränken zu wollen. Da das Erhabene wesentlich in einem pgo_026.032 Hinausgehn über das gewohnte Maß besteht, so ist es zugleich pgo_026.033 dunkel, denn dunkel ist alles Unmeßbare. Bis zur Gestaltlosigkeit pgo_026.034 erscheinende Umrisse sind ihm eigen. So sagt Hiob, als er sein Nachtgesicht pgo_026.035 erzählt: "Es stand ein Bild vor meinen Augen, und ich kannte
pgo_026.001 über alle diese Störungen triumphirt und sich durch diesen Triumph pgo_026.002 doppelt über sein persönliches, endliches Sein in das Reich der reinen Anschauung pgo_026.003 erhebt — das läßt die ästhetische Wirkung des Erhabenen, des pgo_026.004 kämpfenden Schönen, größer erscheinen, als die der ruhigen und kampflosen pgo_026.005 Schönheit. Neben dieser Unendlichkeit des sinnlich Erhabenen, des pgo_026.006 Raumes, der Zeit, der Kraft, welche die in der Natur schlummernde Jdee pgo_026.007 zu solcher überraschenden Mächtigkeit erhebt, daß der Geist sich ihr gegenüber pgo_026.008 erst klein fühlt, um sich dann groß zu fühlen, einer Erhabenheit, pgo_026.009 der in der sittlichen Welt die Naturkraft des Bösen entspricht, giebt es pgo_026.010 auch eine positive sittliche Erhabenheit, der Kampf und das Opfer für pgo_026.011 die Jdee mit Aufgabe der sinnlichen Lebensgüter. Dies ist die Erhabenheit pgo_026.012 der Helden und Märtyrer der Menschheit, die für ihre Ueberzeugung pgo_026.013 stritten, duldeten und starben, eines Regulus, der für die Pflicht sich opfert, pgo_026.014 eines Cato, der für das Jdeal seiner Republik in den freiwilligen Tod pgo_026.015 geht. Hier theilen wir die Erhebung der Helden über das Vergängliche pgo_026.016 und dringen durch die Schauer der Wehmuth, die letzte Verklärung pgo_026.017 der geopferten Sinnlichkeit, zu dem frohlockenden Triumphe des freien pgo_026.018 Geistes hindurch. Ebenso erhaben ist die Leidenschaft, mag sie nun pgo_026.019 die welthistorische der Cäsaren und Napoleone sein, die, während sie dem pgo_026.020 eigenen großen Triebe folgen, nur Organe des Weltgeistes sind, oder pgo_026.021 mag sie den Dolch eines Macbeth und Othello schwingen und uns durch pgo_026.022 die furchtbare That erschrecken. Jn der Leidenschaft vereinigt sich das pgo_026.023 sinnlich und sittlich Erhabene; es ist die aller Banden spottende Naturkraft pgo_026.024 und zugleich die höchste imponirende Energie des Wollens. Darum pgo_026.025 machen auch jene Zeitalter der Geschichte, in denen die Leidenschaft pgo_026.026 herrscht, die Revolutionen der Menschheit, einen erhabenen Eindruck. pgo_026.027 Vor Allem aber ist erhaben eine Weltanschauung, für welche das Göttliche pgo_026.028 eine über die Welt übergreifende Macht ist. Deshalb bietet die pgo_026.029 hebräische Poesie die reichsten Beispiele für das Erhabene. Es ist pgo_026.030 ebenso einseitig, das Erhabene auf die Natur, wie auf die Welt des pgo_026.031 Geistes beschränken zu wollen. Da das Erhabene wesentlich in einem pgo_026.032 Hinausgehn über das gewohnte Maß besteht, so ist es zugleich pgo_026.033 dunkel, denn dunkel ist alles Unmeßbare. Bis zur Gestaltlosigkeit pgo_026.034 erscheinende Umrisse sind ihm eigen. So sagt Hiob, als er sein Nachtgesicht pgo_026.035 erzählt: „Es stand ein Bild vor meinen Augen, und ich kannte
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Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottschall_poetik_1858/48>, abgerufen am 24.11.2024.
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