Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858.pgo_405.001 pgo_405.002Drittes Hauptstück. Die dramatische Dichtung. pgo_405.003 Erster Abschnitt. pgo_405.004Wesen und Begriff des Drama. pgo_405.005 pgo_405.001 pgo_405.002Drittes Hauptstück. Die dramatische Dichtung. pgo_405.003 Erster Abschnitt. pgo_405.004Wesen und Begriff des Drama. pgo_405.005 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0427" n="E405"/> <head> <hi rendition="#c"><lb n="pgo_405.001"/> Drittes Hauptstück.</hi> </head> <lb n="pgo_405.002"/> <head> <hi rendition="#c">Die dramatische Dichtung. </hi> </head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="4"> <lb n="pgo_405.003"/> <head> <hi rendition="#c">Erster Abschnitt.</hi> </head> <lb n="pgo_405.004"/> <head> <hi rendition="#c">Wesen und Begriff des Drama.</hi> </head> <p><lb n="pgo_405.005"/> Das Dramatische ist die Blüthe der Dichtkunst, die Vereinigung des <lb n="pgo_405.006"/> Epischen und Lyrischen in der unmittelbaren Lebendigkeit einer gegenwärtigen <lb n="pgo_405.007"/> sich nach der <hi rendition="#g">Zukunft</hi> hin entwickelnden <hi rendition="#g">Handlung.</hi> Wir <lb n="pgo_405.008"/> schauen in das Herz der Menschen, aus dem ihre Handlungen hervorgehn, <lb n="pgo_405.009"/> und zugleich in das Herz der Welt, welche durch die That der <lb n="pgo_405.010"/> Menschen verwandelt wird. Jenes ist das Lyrische, dies das Epische; <lb n="pgo_405.011"/> doch weder die thatlose Empfindung, noch die todte Aeußerlichkeit hat ein <lb n="pgo_405.012"/> Recht im Drama, welches zwar jene Elemente vereinigt, aber in einer <lb n="pgo_405.013"/> durchaus neuen Gestalt. Das Epos erzählt die <hi rendition="#g">vergangene</hi> Begebenheit, <lb n="pgo_405.014"/> die Lyrik stellt die <hi rendition="#g">gegenwärtige</hi> Empfindung dar; das Drama <lb n="pgo_405.015"/> führt uns eine gegenwärtige Handlung vor, die aber nach der <hi rendition="#g">Zukunft</hi> <lb n="pgo_405.016"/> hin gespannt ist, das Werden und Wachsen der <hi rendition="#g">Zukunft</hi> ist ebenso das <lb n="pgo_405.017"/> eigentliche Lebenselement des Drama, wie das Verweilen in einer das <lb n="pgo_405.018"/> Gemüth bewegenden <hi rendition="#g">Gegenwart</hi> das Lebensprincip der Lyrik, die Hingabe <lb n="pgo_405.019"/> an eine erfüllte <hi rendition="#g">Vergangenheit</hi> das des Epos ist. Die Lyrik <lb n="pgo_405.020"/> verharrt in der Jnnerlichkeit, das Epos entwickelt von außen nach innen, <lb n="pgo_405.021"/> das Drama von innen nach außen; doch wenn auch die Verschmelzung <lb n="pgo_405.022"/> des Epischen und Lyrischen eine <hi rendition="#g">chemische Vereinigung</hi> ist, die einen <lb n="pgo_405.023"/> neuen Stoff schafft: so treten doch in der Entwickelung der dramatischen <lb n="pgo_405.024"/> Handlung analytische Vorgänge ein, welche den beiden Faktoren des <lb n="pgo_405.025"/> chemischen Produktes eine selbstständige Geltung verschaffen. Die äußerliche </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [E405/0427]
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Drittes Hauptstück. pgo_405.002
Die dramatische Dichtung.
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Erster Abschnitt. pgo_405.004
Wesen und Begriff des Drama. pgo_405.005
Das Dramatische ist die Blüthe der Dichtkunst, die Vereinigung des pgo_405.006
Epischen und Lyrischen in der unmittelbaren Lebendigkeit einer gegenwärtigen pgo_405.007
sich nach der Zukunft hin entwickelnden Handlung. Wir pgo_405.008
schauen in das Herz der Menschen, aus dem ihre Handlungen hervorgehn, pgo_405.009
und zugleich in das Herz der Welt, welche durch die That der pgo_405.010
Menschen verwandelt wird. Jenes ist das Lyrische, dies das Epische; pgo_405.011
doch weder die thatlose Empfindung, noch die todte Aeußerlichkeit hat ein pgo_405.012
Recht im Drama, welches zwar jene Elemente vereinigt, aber in einer pgo_405.013
durchaus neuen Gestalt. Das Epos erzählt die vergangene Begebenheit, pgo_405.014
die Lyrik stellt die gegenwärtige Empfindung dar; das Drama pgo_405.015
führt uns eine gegenwärtige Handlung vor, die aber nach der Zukunft pgo_405.016
hin gespannt ist, das Werden und Wachsen der Zukunft ist ebenso das pgo_405.017
eigentliche Lebenselement des Drama, wie das Verweilen in einer das pgo_405.018
Gemüth bewegenden Gegenwart das Lebensprincip der Lyrik, die Hingabe pgo_405.019
an eine erfüllte Vergangenheit das des Epos ist. Die Lyrik pgo_405.020
verharrt in der Jnnerlichkeit, das Epos entwickelt von außen nach innen, pgo_405.021
das Drama von innen nach außen; doch wenn auch die Verschmelzung pgo_405.022
des Epischen und Lyrischen eine chemische Vereinigung ist, die einen pgo_405.023
neuen Stoff schafft: so treten doch in der Entwickelung der dramatischen pgo_405.024
Handlung analytische Vorgänge ein, welche den beiden Faktoren des pgo_405.025
chemischen Produktes eine selbstständige Geltung verschaffen. Die äußerliche
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