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Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858.

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Ansiedlern, die mit gezogenem Schwert hinter dem Pfluge hergehen, um pgo_015.002
das urbar gemachte Land gegen alle Angriffe zu vertheidigen.

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Die romantische Poetik setzte das Werk der klassischen weiter pgo_015.004
fort, nur daß das dichterische Talent ihrer Vertreter bei weitem geringer pgo_015.005
war und die kritische Richtung mehr in eine literarhistorische überging. pgo_015.006
Das Princip dieser Poetik war bekanntlich die Jronie, welche sie aus pgo_015.007
dem Fichte'schen System herleitete, und die ein großer Kunstphilosoph, pgo_015.008
Solger, in seiner "Aesthetik" (1829) und in seinem "Erwin" pgo_015.009
(2 Bde. 1815) als den Mittelpunkt der künstlerischen Thätigkeit entwickelt. pgo_015.010
Jn der Fichte'schen Welt, in welcher der Geist in unaufhörlichem pgo_015.011
Ringen mit der Natur begriffen ist, kann das Schöne keine bleibende pgo_015.012
Stätte finden; es ist dort nur ein flüchtiges Aufleuchten der Jdee, pgo_015.013
ein Jdeal, das in seinem Erscheinen verschwindet. Die Erscheinungswelt pgo_015.014
selbst ist nichtig, und "die Stimmung des Künstlers, wodurch er die wirkliche pgo_015.015
Welt als das Nichtige setzt," ist die künstlerische Jronie*). pgo_015.016
Diese Begriffsbestimmung Solger's, der in seinen Werken eine tiefe Einsicht pgo_015.017
in das Wesen des Schönen und der Kunst bekundet, unterscheidet pgo_015.018
sich durchaus von der Auslegung, welche die Romantiker diesem Begriff pgo_015.019
unterschoben. Bei Solger ist die Welt nichtig, "gegenüber der göttlichen pgo_015.020
Jdee;" bei den Romantikern ist sie nichtig gegenüber der Willkür des pgo_015.021
Künstlers, der muthwillig mit jedem Gehalte spielt, für welchen es kein pgo_015.022
bindendes Gesetz giebt, weil das Genie, ein selbstsüchtiger Despot, nur pgo_015.023
seinen eigenen Launen folgt. Das war die Jronie, aus der die "Lucinde" pgo_015.024
hervorging und zugleich "die christliche Kunst," der Phantasus und die pgo_015.025
Shakespearomanie, die fromme Pfalzgräfin und das politische Wochenblatt, pgo_015.026
die Begeisterung für jede Reaction und die Reaction gegen jede pgo_015.027
Begeisterung; es war die Jronie, die aus dem "Athenäum" und der pgo_015.028
"Europa" der beiden Schlegel orakelte und zuletzt die Welt- und pgo_015.029
Literaturgeschichte zu einer Apotheose des Katholicismus verfälschte. pgo_015.030
Doch auch hier war die Vereinigung zwischen Theorie und Praxis unverkennbar; pgo_015.031
auch diese ästhetische Gesetzgebung sollte eine thatsächliche pgo_015.032
Umwälzung der Literatur zu rechtlicher Geltung bringen. Jhre Verdienste pgo_015.033
bestehen theils darin, daß sie der deutschen Lyrik den Kreis der

*) pgo_015.034
Solger, Vorlesungen über Aesthetik p. 125.

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Ansiedlern, die mit gezogenem Schwert hinter dem Pfluge hergehen, um pgo_015.002
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„Europa“ der beiden Schlegel orakelte und zuletzt die Welt- und pgo_015.029
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Doch auch hier war die Vereinigung zwischen Theorie und Praxis unverkennbar; pgo_015.031
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Zitationshilfe: Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottschall_poetik_1858/37>, abgerufen am 24.11.2024.