Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858.pgo_321.001 pgo_321.003 pgo_321.001 pgo_321.003 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0343" n="321"/><lb n="pgo_321.001"/><hi rendition="#g">Settimontano Squilla</hi> Sonette und Kanzonen voll hoher Gedanken <lb n="pgo_321.002"/> und edelster Begeisterung dichtete.</p> <p><lb n="pgo_321.003"/> Die <hi rendition="#g">spanische</hi> Lyrik war nicht so, wie die italienische, in den Formen <lb n="pgo_321.004"/> der Reflexion aufgegangen; sie hatte <hi rendition="#g">Lied</hi> und <hi rendition="#g">Romanze,</hi> wie wir <lb n="pgo_321.005"/> gesehn, in originell-nationalen Klängen ausgebildet. Doch konnte sie <lb n="pgo_321.006"/> dem Andrange der italienischen Reimformen im 16. Jahrhundert nicht <lb n="pgo_321.007"/> widerstehn. Die altspanische <hi rendition="#g">Glosse</hi> war eine dem Charakter elegischer <lb n="pgo_321.008"/> Reflexion günstige Form, indem sie die Variationen der Empfindung und <lb n="pgo_321.009"/> die Rückkehr zum Grundthema deutlich ausprägte. Gegen die eindringende <lb n="pgo_321.010"/> italienische Form des <hi rendition="#g">Petrarca</hi> kämpfte <hi rendition="#g">Christoval de Castillijo</hi> <lb n="pgo_321.011"/> († 1596) vergebens an. <hi rendition="#g">Luis Gongora de Argote</hi> († 1627) <lb n="pgo_321.012"/> bildete einen affektirten Styl, <foreign xml:lang="spa">estilo culto</foreign>, in welchem er seine „<hi rendition="#g">Einsamkeiten</hi>“ <lb n="pgo_321.013"/> und seinen „<hi rendition="#g">Polyphem</hi>“ dichtete. Hier kleidete sich die <lb n="pgo_321.014"/> Reflexion in eigenthümlich verkünstelte und verzerrte Satz- und Sprachformen <lb n="pgo_321.015"/> und suchte überdies in Art und Weise der Alexandriner durch <lb n="pgo_321.016"/> mythologische Gelehrsamkeit zu glänzen. Von den Sonettisten, welche <lb n="pgo_321.017"/> den Namen „<hi rendition="#g">Concettisten</hi>“ von dem italienischen „<foreign xml:lang="ita">concetti</foreign>,“ dichterischen <lb n="pgo_321.018"/> Gedanken, annahmen, erwähnen wir Juan Boscan, Garcilaso de <lb n="pgo_321.019"/> la Vega, Montemayor u. A. Jn der neuen Zeit hat die salmantinische <lb n="pgo_321.020"/> Dichterschule, an ihrer Spitze <hi rendition="#g">Melendez Valdes,</hi> der spanischen Lyrik <lb n="pgo_321.021"/> wieder einen nationalen, von französischen und italienischen Einflüssen <lb n="pgo_321.022"/> unabhängigen Boden erobert und auch auf dem Gebiete der Reflexionspoesie <lb n="pgo_321.023"/> manches Treffliche geleistet. Die <hi rendition="#g">portugiesische</hi> wird am <lb n="pgo_321.024"/> glänzendsten durch den großen Epiker <hi rendition="#g">Luis Camoëns</hi> in Sonetten, <lb n="pgo_321.025"/> Kanzonen u. s. w. vertreten. Von der <hi rendition="#g">orientalischen Lyrik</hi> hat vorzugsweise <lb n="pgo_321.026"/> die <hi rendition="#g">arabische</hi> jenen Charakter, welcher unserer Begriffsbestimmung <lb n="pgo_321.027"/> der Elegie entspricht. Ein kriegerisch bewegtes, thatkräftiges <lb n="pgo_321.028"/> Leben und feuriges Lieben gab der <hi rendition="#g">Schilderung</hi> reichhaltigen Stoff, <lb n="pgo_321.029"/> während auf der andern Seite die kahle Natur mit ihren endlosen Wüsten <lb n="pgo_321.030"/> und schroffen Felsen das Gemüth zur beschaulichen Einkehr in das eigene <lb n="pgo_321.031"/> Jnnere einlud. Schon die altarabischen <hi rendition="#g">Moallakats,</hi> in denen die <lb n="pgo_321.032"/> <hi rendition="#g">Schilderung</hi> noch überwiegt, sind hierher zu rechnen; auch in der <lb n="pgo_321.033"/> großen und kleinen <hi rendition="#g">Hamasa,</hi> den Sammlungen altarabischer Volkslieder, <lb n="pgo_321.034"/> ist manches der reflektirenden Gattung angehöriges Gedicht enthalten. <lb n="pgo_321.035"/> Der größte elegische Dichter der Araber ist jedoch <hi rendition="#g">Motenebbi</hi> († 965), </p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [321/0343]
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Settimontano Squilla Sonette und Kanzonen voll hoher Gedanken pgo_321.002
und edelster Begeisterung dichtete.
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Die spanische Lyrik war nicht so, wie die italienische, in den Formen pgo_321.004
der Reflexion aufgegangen; sie hatte Lied und Romanze, wie wir pgo_321.005
gesehn, in originell-nationalen Klängen ausgebildet. Doch konnte sie pgo_321.006
dem Andrange der italienischen Reimformen im 16. Jahrhundert nicht pgo_321.007
widerstehn. Die altspanische Glosse war eine dem Charakter elegischer pgo_321.008
Reflexion günstige Form, indem sie die Variationen der Empfindung und pgo_321.009
die Rückkehr zum Grundthema deutlich ausprägte. Gegen die eindringende pgo_321.010
italienische Form des Petrarca kämpfte Christoval de Castillijo pgo_321.011
(† 1596) vergebens an. Luis Gongora de Argote († 1627) pgo_321.012
bildete einen affektirten Styl, estilo culto, in welchem er seine „Einsamkeiten“ pgo_321.013
und seinen „Polyphem“ dichtete. Hier kleidete sich die pgo_321.014
Reflexion in eigenthümlich verkünstelte und verzerrte Satz- und Sprachformen pgo_321.015
und suchte überdies in Art und Weise der Alexandriner durch pgo_321.016
mythologische Gelehrsamkeit zu glänzen. Von den Sonettisten, welche pgo_321.017
den Namen „Concettisten“ von dem italienischen „concetti,“ dichterischen pgo_321.018
Gedanken, annahmen, erwähnen wir Juan Boscan, Garcilaso de pgo_321.019
la Vega, Montemayor u. A. Jn der neuen Zeit hat die salmantinische pgo_321.020
Dichterschule, an ihrer Spitze Melendez Valdes, der spanischen Lyrik pgo_321.021
wieder einen nationalen, von französischen und italienischen Einflüssen pgo_321.022
unabhängigen Boden erobert und auch auf dem Gebiete der Reflexionspoesie pgo_321.023
manches Treffliche geleistet. Die portugiesische wird am pgo_321.024
glänzendsten durch den großen Epiker Luis Camoëns in Sonetten, pgo_321.025
Kanzonen u. s. w. vertreten. Von der orientalischen Lyrik hat vorzugsweise pgo_321.026
die arabische jenen Charakter, welcher unserer Begriffsbestimmung pgo_321.027
der Elegie entspricht. Ein kriegerisch bewegtes, thatkräftiges pgo_321.028
Leben und feuriges Lieben gab der Schilderung reichhaltigen Stoff, pgo_321.029
während auf der andern Seite die kahle Natur mit ihren endlosen Wüsten pgo_321.030
und schroffen Felsen das Gemüth zur beschaulichen Einkehr in das eigene pgo_321.031
Jnnere einlud. Schon die altarabischen Moallakats, in denen die pgo_321.032
Schilderung noch überwiegt, sind hierher zu rechnen; auch in der pgo_321.033
großen und kleinen Hamasa, den Sammlungen altarabischer Volkslieder, pgo_321.034
ist manches der reflektirenden Gattung angehöriges Gedicht enthalten. pgo_321.035
Der größte elegische Dichter der Araber ist jedoch Motenebbi († 965),
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