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Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858.

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ebenso durchwirkt ist, wie mit astronomischen und sonstigen gelehrten pgo_317.002
Anspielungen; Philon und Andromachos von Kreta brachten pgo_317.003
gar Recepte in Distichen, so daß die Elegie bei ihnen einen pharmaceutischen pgo_317.004
Charakter annahm.

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Dennoch entzündete sich an einigen Lyrikern Alexandrien's, wie z. B. pgo_317.006
an Kallimachos, dessen Elegie auf das Haar der Berenice von Catull pgo_317.007
übersetzt worden, die Begeisterung der römischen Dichter, welche uns die pgo_317.008
römische Elegie schuf, die unter den Dichtversuchen der Römer gewiß den pgo_317.009
ersten Rang einnimmt. Die Trias der großen römischen Elegiker, pgo_317.010
Tibull, Properz, Ovid, überragt sogar die hellenischen, soweit wir pgo_317.011
die letzteren aus den erhaltenen Fragmenten beurtheilen können. Jedoch pgo_317.012
haben die Römer nicht die politische und heroische, sondern nur die pgo_317.013
erotische und reflektirende Elegie angebaut, wenn auch das großartige pgo_317.014
Bewußtsein nationaler Bedeutung und Macht oft in schwunghaften pgo_317.015
Klängen aus ihren engverketteten Distichen tönt. Der einfachste dieser pgo_317.016
Elegiker ist Albius Tibullus, der ohne prunkende Gelehrsamkeit frisch pgo_317.017
aus dem nationalen Leben schöpfte und sich durch kunstvolle Verwebung pgo_317.018
scheinbar fernliegender Bilder zu einem harmonischen Ganzen, durch pgo_317.019
Lebendigkeit und Anmuth der Schilderung, durch Natürlichkeit einer pgo_317.020
weichen, oft schmachtenden Empfindung, die unmittelbar aus der Seele pgo_317.021
kommt, so wie durch die Reinheit und Klarheit des sprachlichen Ausdruckes pgo_317.022
auszeichnet. Anmuthig gezeichnete Bilder des Landlebens schweifen pgo_317.023
als gern wiederholte Arabesken beruhigend um die hin und her pgo_317.024
wogende Elegie. Die dramatisch bewegte Sulpicia-Elegie mit ihrer pgo_317.025
leidenschaftlichen Gluth und der spannende, durch wechselndes Geschick sich pgo_317.026
entrollende Cyklus der Delia-Elegieen bilden die Krone der Tibull'- pgo_317.027
schen Dichtungen. Sextus Aurelius Propertius, der neben den pgo_317.028
zahlreichen Elegieen an seine Cynthia auch einige Threnodieen und pgo_317.029
patriotische Distichen schrieb, besitzt nicht die Naivetät und frische Unmittelbarkeit pgo_317.030
des Tibull; aber er übertrifft ihn im schmeichlerischen melodischen pgo_317.031
Versfluß, in malerischer Gruppirung und Drapirung, an gelehrter pgo_317.032
Würde, welche, die kleineren Bezüge des Lebens verschmähend, sich pgo_317.033
mehr in einem allgemeinen harmonischen Aether hält. Er verwebt pgo_317.034
in seine Elegieen eine Fülle mythologischer Bilder und gelehrter pgo_317.035
Notizen, welche die plastische Anschauung stören und die Phantasie stets

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Zitationshilfe: Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottschall_poetik_1858/339>, abgerufen am 24.11.2024.