Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858.pgo_289.001 pgo_289.024 Dritter Abschnitt. pgo_289.025Die Lyrik der Begeisterung: die Ode. pgo_289.026 pgo_289.001 pgo_289.024 Dritter Abschnitt. pgo_289.025Die Lyrik der Begeisterung: die Ode. pgo_289.026 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0311" n="289"/><lb n="pgo_289.001"/> warme innige Klänge haucht. Unsere geistlichen Lieder, wie z. B. „wie <lb n="pgo_289.002"/> groß ist des Allmächt'gen Güte“ und „wach' auf, mein Herz, und singe,“ <lb n="pgo_289.003"/> athmen diese ganze Jnnigkeit und Festigkeit einer gottergebenen Gesinnung. <lb n="pgo_289.004"/> <hi rendition="#g">Luther, Simon Dach, Flemming, Paul Gerhard, <lb n="pgo_289.005"/> Gellert, Lavater</hi> u. A. haben den geistlichen Liederschatz unserer <lb n="pgo_289.006"/> Nation mit den werthvollsten Spenden bereichert. Auf der andern Seite <lb n="pgo_289.007"/> geht das <hi rendition="#g">komische Lied</hi> aus der Stimmung des frischesten Wohlseins <lb n="pgo_289.008"/> und Wohlbehagens hervor. „Jch hab' mein' Sach' auf Nichts gestellt,“ <lb n="pgo_289.009"/> das ist der von Goethe angeschlagene Grundton dieser Liederpoesie, ihr <lb n="pgo_289.010"/> Wesen eine die Welt in die Schranken fordernde Jovialität. Ein großer <lb n="pgo_289.011"/> Theil der geselligen Lieder, der Studenten-, Trink- und Hochzeitlieder, <lb n="pgo_289.012"/> hat diesen heitern Charakter, der durch den allgemeinen Chorgesang sich <lb n="pgo_289.013"/> zu lauter Fröhlichkeit steigert. Auch das scherzhafte Ereigniß kann für <lb n="pgo_289.014"/> ein solches fröhliches Lied willkommenen Stoff hergeben. <hi rendition="#g">Opitz</hi> und <lb n="pgo_289.015"/> <hi rendition="#g">Goethe, Holtei, Kopisch</hi> und <hi rendition="#g">Reinick</hi> haben hier oft den richtigen <lb n="pgo_289.016"/> Ton getroffen. Das bekannte Lied von Kopisch: „Als Noah aus dem <lb n="pgo_289.017"/> Kasten war“ zeigt uns, wie diese unbefangene Heiterkeit selbst die ehrwürdigen <lb n="pgo_289.018"/> biblischen Gestalten in ihre Kreise zieht, ohne gerade in das <lb n="pgo_289.019"/> Burleske zu verfallen. Ueberhaupt bedarf das <hi rendition="#g">komische Lied</hi> eines <lb n="pgo_289.020"/> geschmackvollen Haltes, in seiner ausgelassenen Stimmung einer sittlichen <lb n="pgo_289.021"/> Hemmung, wenn es nicht in eine plebeje Zotenpoesie ausarten oder jenen <lb n="pgo_289.022"/> dilettantischen Reimschmieden und Versmachern anheimfallen soll, welche <lb n="pgo_289.023"/> in die Saiten greifen, wie des Silen's Maulesel in die Saiten Apoll's. </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> <div n="4"> <lb n="pgo_289.024"/> <head> <hi rendition="#c">Dritter Abschnitt.</hi> </head> <lb n="pgo_289.025"/> <head> <hi rendition="#c">Die Lyrik der Begeisterung: die Ode.</hi> </head> <p><lb n="pgo_289.026"/> Wenn das Gefühl des Dichters sich jenen ewigen Objekten zuwendet, <lb n="pgo_289.027"/> wie Gott, Natur, Menschheit: so wird es mit begeistertem Aufschwung zu <lb n="pgo_289.028"/> ihnen hinanstreben; es wird sie zu erreichen trachten und, nachdem es sie <lb n="pgo_289.029"/> voll in die Seele aufgenommen, mit vollen und mächtigen Klängen <lb n="pgo_289.030"/> feiern. Auch die großen Gestalten der Fürsten und Helden, die Thaten <lb n="pgo_289.031"/> des Krieges, die Siege des Gedankens stimmen die Seele zu diesem <lb n="pgo_289.032"/> begeisterten Anstreben; selbst die Empfindungen des Herzens, die Liebe, </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [289/0311]
pgo_289.001
warme innige Klänge haucht. Unsere geistlichen Lieder, wie z. B. „wie pgo_289.002
groß ist des Allmächt'gen Güte“ und „wach' auf, mein Herz, und singe,“ pgo_289.003
athmen diese ganze Jnnigkeit und Festigkeit einer gottergebenen Gesinnung. pgo_289.004
Luther, Simon Dach, Flemming, Paul Gerhard, pgo_289.005
Gellert, Lavater u. A. haben den geistlichen Liederschatz unserer pgo_289.006
Nation mit den werthvollsten Spenden bereichert. Auf der andern Seite pgo_289.007
geht das komische Lied aus der Stimmung des frischesten Wohlseins pgo_289.008
und Wohlbehagens hervor. „Jch hab' mein' Sach' auf Nichts gestellt,“ pgo_289.009
das ist der von Goethe angeschlagene Grundton dieser Liederpoesie, ihr pgo_289.010
Wesen eine die Welt in die Schranken fordernde Jovialität. Ein großer pgo_289.011
Theil der geselligen Lieder, der Studenten-, Trink- und Hochzeitlieder, pgo_289.012
hat diesen heitern Charakter, der durch den allgemeinen Chorgesang sich pgo_289.013
zu lauter Fröhlichkeit steigert. Auch das scherzhafte Ereigniß kann für pgo_289.014
ein solches fröhliches Lied willkommenen Stoff hergeben. Opitz und pgo_289.015
Goethe, Holtei, Kopisch und Reinick haben hier oft den richtigen pgo_289.016
Ton getroffen. Das bekannte Lied von Kopisch: „Als Noah aus dem pgo_289.017
Kasten war“ zeigt uns, wie diese unbefangene Heiterkeit selbst die ehrwürdigen pgo_289.018
biblischen Gestalten in ihre Kreise zieht, ohne gerade in das pgo_289.019
Burleske zu verfallen. Ueberhaupt bedarf das komische Lied eines pgo_289.020
geschmackvollen Haltes, in seiner ausgelassenen Stimmung einer sittlichen pgo_289.021
Hemmung, wenn es nicht in eine plebeje Zotenpoesie ausarten oder jenen pgo_289.022
dilettantischen Reimschmieden und Versmachern anheimfallen soll, welche pgo_289.023
in die Saiten greifen, wie des Silen's Maulesel in die Saiten Apoll's.
pgo_289.024
Dritter Abschnitt. pgo_289.025
Die Lyrik der Begeisterung: die Ode. pgo_289.026
Wenn das Gefühl des Dichters sich jenen ewigen Objekten zuwendet, pgo_289.027
wie Gott, Natur, Menschheit: so wird es mit begeistertem Aufschwung zu pgo_289.028
ihnen hinanstreben; es wird sie zu erreichen trachten und, nachdem es sie pgo_289.029
voll in die Seele aufgenommen, mit vollen und mächtigen Klängen pgo_289.030
feiern. Auch die großen Gestalten der Fürsten und Helden, die Thaten pgo_289.031
des Krieges, die Siege des Gedankens stimmen die Seele zu diesem pgo_289.032
begeisterten Anstreben; selbst die Empfindungen des Herzens, die Liebe,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription.
(2015-09-30T09:54:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Sandra Richter: ePoetics-Projekt-Koordination
Weitere Informationen:Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |