pgo_278.001 Naturbild: so muß, wie in obigem Beispiel Heine's, die Schilderung pgo_278.002 selbst gleichsam untergetaucht sein in den Strom der Empfindung. Es pgo_278.003 frägt sich nur, durch welche Stylmittel sich die lyrische Prägnanz am pgo_278.004 besten erreichen läßt? Hier bietet sich zunächst das dichterische "Wort" dar, pgo_278.005 das sinnig gewählte oder vielmehr getroffene Adjektivum und Verbum. pgo_278.006 Der eigenthümliche "Duft" der Stimmung läßt sich durch das einfache pgo_278.007 "Wort" mit der größten Magie über ein Gedicht hinzaubern. Goethe, pgo_278.008 Heine und Lenau sind hierin Meister! Wie prägnant ist das Verbum pgo_278.009 tragen von Goethe in dem bekannten Liede angewandt:
Es leuchtet meine Liebepgo_278.014 Jn ihrer dunkeln Pracht.
pgo_278.015 Lenau singt von den "rohen Winden," die nicht singen, vom "trennungsschaurigenpgo_278.016 Herbst," von der "duftverlornen Grenze" der pgo_278.017 Berge, --
pgo_278.018
Da unten braust der wilde Bach,pgo_278.019 Führt reichen, frischen Tod --
pgo_278.020 vom "schnellverzitternden" und vom "vergänglichen" Bilde pgo_278.021 der Blitze im Teich. Ebenso bezeichnend, wie diese stimmungsvollen pgo_278.022 Adjektiva, sind Lenau's Verba:
pgo_278.023
Nie soll weiter sich in's Landpgo_278.024 Lieb' von Liebe wagen,pgo_278.025 Als sich blühend in der Handpgo_278.026 Läßt die Rose tragen,
pgo_278.027 Oder als die Nachtigallpgo_278.028 Halmen bringt zum Neste,pgo_278.029 Oder als ihr süßer Schallpgo_278.030 Wandert mit dem Weste.
pgo_278.031 Mit Metaphern darf das Lied keinesfalls überladen sein -- sonst pgo_278.032 verliert die Empfindung ihre Unmittelbarkeit. Die Metapher muß kurz, pgo_278.033 schlagend und stimmungsvoll sein, wie bei Heine:
pgo_278.034
Wie dunkle Träume stehenpgo_278.035 Die Häuser in langer Reih!
pgo_278.001 Naturbild: so muß, wie in obigem Beispiel Heine's, die Schilderung pgo_278.002 selbst gleichsam untergetaucht sein in den Strom der Empfindung. Es pgo_278.003 frägt sich nur, durch welche Stylmittel sich die lyrische Prägnanz am pgo_278.004 besten erreichen läßt? Hier bietet sich zunächst das dichterische „Wort“ dar, pgo_278.005 das sinnig gewählte oder vielmehr getroffene Adjektivum und Verbum. pgo_278.006 Der eigenthümliche „Duft“ der Stimmung läßt sich durch das einfache pgo_278.007 „Wort“ mit der größten Magie über ein Gedicht hinzaubern. Goethe, pgo_278.008 Heine und Lenau sind hierin Meister! Wie prägnant ist das Verbum pgo_278.009 tragen von Goethe in dem bekannten Liede angewandt:
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Naturbild: so muß, wie in obigem Beispiel Heine's, die Schilderung pgo_278.002
selbst gleichsam untergetaucht sein in den Strom der Empfindung. Es pgo_278.003
frägt sich nur, durch welche Stylmittel sich die lyrische Prägnanz am pgo_278.004
besten erreichen läßt? Hier bietet sich zunächst das dichterische „Wort“ dar, pgo_278.005
das sinnig gewählte oder vielmehr getroffene Adjektivum und Verbum. pgo_278.006
Der eigenthümliche „Duft“ der Stimmung läßt sich durch das einfache pgo_278.007
„Wort“ mit der größten Magie über ein Gedicht hinzaubern. Goethe, pgo_278.008
Heine und Lenau sind hierin Meister! Wie prägnant ist das Verbum pgo_278.009
tragen von Goethe in dem bekannten Liede angewandt:
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Jhr verblühet, süße Rosen, pgo_278.011
Meine Liebe trug euch nicht!
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das Adjektivum dunkel bei Heine:
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Es leuchtet meine Liebe pgo_278.014
Jn ihrer dunkeln Pracht.
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Lenau singt von den „rohen Winden,“ die nicht singen, vom „trennungsschaurigen pgo_278.016
Herbst,“ von der „duftverlornen Grenze“ der pgo_278.017
Berge, —
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vom „schnellverzitternden“ und vom „vergänglichen“ Bilde pgo_278.021
der Blitze im Teich. Ebenso bezeichnend, wie diese stimmungsvollen pgo_278.022
Adjektiva, sind Lenau's Verba:
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Als sich blühend in der Hand pgo_278.026
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Oder als die Nachtigall pgo_278.028
Halmen bringt zum Neste, pgo_278.029
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Wie dunkle Träume stehen pgo_278.035
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Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottschall_poetik_1858/300>, abgerufen am 16.02.2025.
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