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Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858.

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2. Antike Strophen.

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Mit dem Hexameter sind auch die antiken Odenstrophen der Griechen pgo_236.003
und des Horaz in Deutschland eingeführt worden, Strophen, deren pgo_236.004
schöne rhythmische Gliederung voll melodischen Wohllautes ihre Aneignung pgo_236.005
zu einem Gewinn für die deutsche Dichtkunst macht. Ramler, pgo_236.006
Klopstock, Platen
u. A. haben diese Strophen nur reimlos angewendet; pgo_236.007
ich habe in meinen "Neuen Gedichten" sie zu reimen versucht pgo_236.008
und glaube jene Neuerung, ganz abgesehen davon, wie ihre Ausführung pgo_236.009
mir gelungen, gegenüber der bisherigen kritischen Ansicht vollkommen pgo_236.010
rechtfertigen zu können.

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Hegel erklärt in seiner "Aesthetik" (Bd. 3 S. 318) die Anwendung pgo_236.012
des Reimes bei den alcäischen und sapphischen Strophen für einen pgo_236.013
"unaufgelösten Widerspruch. Denn beide Systeme beruhen auf entgegengesetzten pgo_236.014
Principien, und der Versuch, sie in der angeführten Weise pgo_236.015
zu vereinigen, könnte sie nur in dieser Entgegensetzung selbst verbinden, pgo_236.016
was Nichts als einen unaufgehobenen und deshalb unstatthaften Widerspruch pgo_236.017
hervorbringen würde." Diese Ansicht Hegel's beruht auf irrthümlichen pgo_236.018
Voraussetzungen. Der Reim mag einer nach dem Sylbengewicht pgo_236.019
quantitirenden Sprache überflüssig und entgegengesetzt sein -- die deutsche pgo_236.020
Sprache aber ist und bleibt accentuirend, wenn auch ihre Zeitmessung pgo_236.021
jetzt schärfer bestimmt ist. Eine quantitirende Sprache verträgt den pgo_236.022
Reim nicht, weil ihre Längen oft auf bedeutungslose Flexionssylben pgo_236.023
fallen; dagegen ist er für eine nach dem logischen Sinne messende Sprache pgo_236.024
ein Hauptregulator des Rhythmus. Und da die deutsche Sprache ihrer pgo_236.025
Rhythmik niemals das streng plastische Gepräge der griechischen und pgo_236.026
römischen geben kann, selbst wo sie die metrischen Formen derselben nachahmt, pgo_236.027
so kann auch der Reim, der gewöhnliche Begleiter der accentuirenden pgo_236.028
Rhythmik, sich nicht im Gegensatze gegen diese Formen befinden. pgo_236.029
Wenn er nun bei einem Versmaaß, das aus einer stets wiederkehrenden pgo_236.030
Zeile besteht, wie der Hexameter, einen monotonen und klappernden Eindruck pgo_236.031
machen würde: so scheint dagegen die Strophe nach den Gesetzen pgo_236.032
des modernen Versbaues den Reim zu fordern -- mindestens würde pgo_236.033
sich weder für das äußere Gehör noch für den inneren Sinn der Reim pgo_236.034
als eine störende oder nur üppige Zuthat erweisen. Dies scheint Carriere pgo_236.035
anzunehmen, wenn er sagt: (Das Wesen und die Formen der Poesie

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2. Antike Strophen.

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schöne rhythmische Gliederung voll melodischen Wohllautes ihre Aneignung pgo_236.005
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Hegel erklärt in seiner „Aesthetik“ (Bd. 3 S. 318) die Anwendung pgo_236.012
des Reimes bei den alcäischen und sapphischen Strophen für einen pgo_236.013
„unaufgelösten Widerspruch. Denn beide Systeme beruhen auf entgegengesetzten pgo_236.014
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hervorbringen würde.“ Diese Ansicht Hegel's beruht auf irrthümlichen pgo_236.018
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Zitationshilfe: Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottschall_poetik_1858/258>, abgerufen am 22.11.2024.