pgo_232.002 Der Anapästus (_ _ _) ist gleichsam der beschleunigte Jambus; pgo_232.003 der einfache Anprall des Jambus wird hier ein verdoppelter, und dadurch pgo_232.004 der Vers lebhaft und stürmisch bewegt. Jm Auftakt kann statt des pgo_232.005 Anapästus ein Jambus stehn, doch nicht durchweg, in einzelnen Zeilen pgo_232.006 muß der strengere Rhythmus immer angedeutet sein. Ebenso kann statt pgo_232.007 des letzten Anapästus ein Jambus stehn, wodurch der heftige Anlauf pgo_232.008 etwas beruhigter austönt. Auch der Spondäus, dessen zweite Sylbe pgo_232.009 einen höhern Ton erhalten muß, kann statt des Anapästus gesetzt werden. pgo_232.010 Jn kleineren anapästischen Strophen wird man Zwei-, Drei- und Vierfüßler pgo_232.011 wechseln lassen und dadurch die verschiedenste Struktur des Verses pgo_232.012 erreichen. Am gebräuchlichsten ist der Zwei-, Vier- und Achtfüßler.
pgo_232.013
a. Die anapästische Dipodie.
pgo_232.014
_ - _ _ _ - _ _
pgo_232.015 Dieser Vers hat Kraft, kurz abgestoßene Energie:
pgo_232.016
Er keuche dem Stierpgo_232.017 Dem verachteten gleich:pgo_232.018 Jhr pflanzt das Panierpgo_232.019 Jn der Freiheit Reich.
Platen.
pgo_232.020
b. Der vierfüßige Anapästus.
pgo_232.021
_ - _ _ _ - _ _ _ - _ _ _ - _ _
pgo_232.022 Ein rhythmisch bewegter Vers, der wie der vorige auch mit weiblichen pgo_232.023 Endungen austönen, gereimt und reimlos angewendet werden pgo_232.024 kann. Platen hat ihn zu den Chorstrophen in seinen Lustspielen pgo_232.025 benutzt und ihm dadurch einen strophischen Charakter gegeben, daß er pgo_232.026 auf fünf Verszeilen eine sechste folgen läßt, die aus drei Versfüßen mit pgo_232.027 weiblicher Endung besteht.
pgo_232.028
Auf, auf, o Genossen! Er wandelt heranpgo_232.029 Lichtschön wie Apoll, der Köcher und Pfeilpgo_232.030 Jm Gebüsch ablegt, und die Leier beziehtpgo_232.031 Mit Saiten! Es spühlt der kastalische Quellpgo_232.032 An die Knöchel des Gotts und es schleicht Sehnsuchtpgo_232.033 Jn die liebliche Seele der Musen!
pgo_232.034
Romantischer Oedipus.
pgo_232.001 4. Das anapästische Versmaaß.
pgo_232.002 Der Anapästus (‿ ‿ _) ist gleichsam der beschleunigte Jambus; pgo_232.003 der einfache Anprall des Jambus wird hier ein verdoppelter, und dadurch pgo_232.004 der Vers lebhaft und stürmisch bewegt. Jm Auftakt kann statt des pgo_232.005 Anapästus ein Jambus stehn, doch nicht durchweg, in einzelnen Zeilen pgo_232.006 muß der strengere Rhythmus immer angedeutet sein. Ebenso kann statt pgo_232.007 des letzten Anapästus ein Jambus stehn, wodurch der heftige Anlauf pgo_232.008 etwas beruhigter austönt. Auch der Spondäus, dessen zweite Sylbe pgo_232.009 einen höhern Ton erhalten muß, kann statt des Anapästus gesetzt werden. pgo_232.010 Jn kleineren anapästischen Strophen wird man Zwei-, Drei- und Vierfüßler pgo_232.011 wechseln lassen und dadurch die verschiedenste Struktur des Verses pgo_232.012 erreichen. Am gebräuchlichsten ist der Zwei-, Vier- und Achtfüßler.
pgo_232.013
a. Die anapästische Dipodie.
pgo_232.014
‿ ‾ ‿ _ ‿ ‾ ‿ _
pgo_232.015 Dieser Vers hat Kraft, kurz abgestoßene Energie:
pgo_232.016
Er keuche dem Stierpgo_232.017 Dem verachteten gleich:pgo_232.018 Jhr pflanzt das Panierpgo_232.019 Jn der Freiheit Reich.
Platen.
pgo_232.020
b. Der vierfüßige Anapästus.
pgo_232.021
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pgo_232.022 Ein rhythmisch bewegter Vers, der wie der vorige auch mit weiblichen pgo_232.023 Endungen austönen, gereimt und reimlos angewendet werden pgo_232.024 kann. Platen hat ihn zu den Chorstrophen in seinen Lustspielen pgo_232.025 benutzt und ihm dadurch einen strophischen Charakter gegeben, daß er pgo_232.026 auf fünf Verszeilen eine sechste folgen läßt, die aus drei Versfüßen mit pgo_232.027 weiblicher Endung besteht.
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Auf, auf, o Genossen! Er wandelt heranpgo_232.029 Lichtschön wie Apoll, der Köcher und Pfeilpgo_232.030 Jm Gebüsch ablegt, und die Leier beziehtpgo_232.031 Mit Saiten! Es spühlt der kastalische Quellpgo_232.032 An die Knöchel des Gotts und es schleicht Sehnsuchtpgo_232.033 Jn die liebliche Seele der Musen!
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4. Das anapästische Versmaaß. pgo_232.002
Der Anapästus (‿ ‿ _) ist gleichsam der beschleunigte Jambus; pgo_232.003
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Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottschall_poetik_1858/254>, abgerufen am 16.02.2025.
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