Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858.pgo_227.001 Spring an, mein Wüstenroß aus Alexandria! pgo_227.020 Mein Wildling! -- solch ein Thier bewältiget kein Schah, pgo_227.021 Kein Emir, und was sonst in jenen pgo_227.022 Oestlichen Ländern sich in Fürstensätteln wiegt; -- pgo_227.023 Wo donnert durch den Sand ein solcher Huf? wo fliegt pgo_227.024 Ein solcher Schweif? wo solche Mähnen? pgo_227.025 pgo_227.031Wie es geschrieben steht, so ist dein Wiehern: Ha! pgo_227.026 Ausschlagend, das Gebiß verachtend stehst du da; pgo_227.027 Mit deinem losen Stirnhaar buhlet pgo_227.028 Der Wind; dein Auge blitzt, und deine Flanke schäumt -- pgo_227.029 Das ist der Renner nicht, den Boileau gezäumt pgo_227.030 Und mit Franzosenwitz geschulet! Freiligrath. pgo_227.032 e. Der achtfüßige Jambus. (Tetrameter). pgo_227.033_ _ | _ _ | _ _ | _ _ || _ _ | _ _ | _ _ | _ _ (_) pgo_227.034Sonst wird noch eure Poesie so frei, so burschikos und flott, pgo_227.035 pgo_227.036Bis endlich ganz Europa ruft: Jhr Deutschen seid ein Kinderspott. Platen. pgo_227.001 Spring an, mein Wüstenroß aus Alexandria! pgo_227.020 Mein Wildling! — solch ein Thier bewältiget kein Schah, pgo_227.021 Kein Emir, und was sonst in jenen pgo_227.022 Oestlichen Ländern sich in Fürstensätteln wiegt; — pgo_227.023 Wo donnert durch den Sand ein solcher Huf? wo fliegt pgo_227.024 Ein solcher Schweif? wo solche Mähnen? pgo_227.025 pgo_227.031Wie es geschrieben steht, so ist dein Wiehern: Ha! pgo_227.026 Ausschlagend, das Gebiß verachtend stehst du da; pgo_227.027 Mit deinem losen Stirnhaar buhlet pgo_227.028 Der Wind; dein Auge blitzt, und deine Flanke schäumt — pgo_227.029 Das ist der Renner nicht, den Boileau gezäumt pgo_227.030 Und mit Franzosenwitz geschulet! Freiligrath. pgo_227.032 e. Der achtfüßige Jambus. (Tetrameter). pgo_227.033‿ _ | ‿ _ | ‿ _ | ‿ _ ‖ ‿ _ | ‿ _ | ‿ _ | ‿ _ (‿) pgo_227.034Sonst wird noch eure Poesie so frei, so burschikos und flott, pgo_227.035 pgo_227.036Bis endlich ganz Europa ruft: Jhr Deutschen seid ein Kinderspott. Platen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <p><pb facs="#f0249" n="227"/><lb n="pgo_227.001"/> etwas Einförmiges und Klapperndes. Der Alexandriner ist der Vers <lb n="pgo_227.002"/> der französischen Tragödie und des französischen Lustspieles; von <lb n="pgo_227.003"/> ihnen hat ihn das deutsche Trauer- und Lustspiel des 17. und 18. Jahrhunderts <lb n="pgo_227.004"/> überkommen. Auch die didaktischen und satyrischen Gedichte <lb n="pgo_227.005"/> jener Zeit bedienten sich dieses eben so korrekten, wie monotonen Sechsfüßlers. <lb n="pgo_227.006"/> Jn unserer klassischen Epoche galt er für eine Reminiscenz des <lb n="pgo_227.007"/> Zopfstyles und wurde gänzlich mißachtet. Erst in neuer Zeit haben <lb n="pgo_227.008"/> <hi rendition="#g">Freiligrath, Geibel</hi> und einige andere Dichter ihn wieder zu Ehren <lb n="pgo_227.009"/> gebracht, indem sie ihm eine freiere Behandlung angedeihn ließen. Sie <lb n="pgo_227.010"/> suchten seine Einförmigkeit zu umgehen, theils indem sie neben der Hauptcäsur <lb n="pgo_227.011"/> noch andere ebenso scharfe Verseinschnitte, die ihre einschläfernde <lb n="pgo_227.012"/> Wirkung neutralisirten, anbrachten, und Spondäen und Daktylen <lb n="pgo_227.013"/> wechselvoll einstreuten, theils indem sie alexandrinische Strophen bildeten, <lb n="pgo_227.014"/> in denen der Alexandriner mit dem vierfüßigen Jambus wechselt, wie <lb n="pgo_227.015"/> es schon Uz in einigen seiner trefflichsten Gedichte, <hi rendition="#g">Ramler</hi> in einigen <lb n="pgo_227.016"/> Oden versucht. Jn dieser Gestalt hat der Vers einen malerischen und <lb n="pgo_227.017"/> beweglichen Charakter, der ihn zu lebendiger Schilderung überaus <lb n="pgo_227.018"/> tauglich macht:</p> <lb n="pgo_227.019"/> <lg> <l>Spring an, mein Wüstenroß aus Alexandria!</l> <lb n="pgo_227.020"/> <l>Mein Wildling! — solch ein Thier bewältiget kein Schah,</l> <lb n="pgo_227.021"/> <l>Kein Emir, und was sonst in jenen</l> <lb n="pgo_227.022"/> <l>Oestlichen Ländern sich in Fürstensätteln wiegt; —</l> <lb n="pgo_227.023"/> <l>Wo donnert durch den Sand ein solcher Huf? wo fliegt</l> <lb n="pgo_227.024"/> <l>Ein solcher Schweif? wo solche Mähnen? </l> </lg> <lg> <lb n="pgo_227.025"/> <l>Wie es geschrieben steht, so ist dein Wiehern: Ha!</l> <lb n="pgo_227.026"/> <l>Ausschlagend, das Gebiß verachtend stehst du da;</l> <lb n="pgo_227.027"/> <l>Mit deinem losen Stirnhaar buhlet</l> <lb n="pgo_227.028"/> <l>Der Wind; dein Auge blitzt, und deine Flanke schäumt —</l> <lb n="pgo_227.029"/> <l>Das ist der Renner nicht, den Boileau gezäumt</l> <lb n="pgo_227.030"/> <l>Und mit Franzosenwitz geschulet!</l> </lg> <lb n="pgo_227.031"/> <p> <hi rendition="#right"><hi rendition="#g">Freiligrath</hi>.</hi> </p> </div> </div> <div n="6"> <lb n="pgo_227.032"/> <head> <hi rendition="#c">e. <hi rendition="#g">Der achtfüßige Jambus. 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etwas Einförmiges und Klapperndes. Der Alexandriner ist der Vers pgo_227.002
der französischen Tragödie und des französischen Lustspieles; von pgo_227.003
ihnen hat ihn das deutsche Trauer- und Lustspiel des 17. und 18. Jahrhunderts pgo_227.004
überkommen. Auch die didaktischen und satyrischen Gedichte pgo_227.005
jener Zeit bedienten sich dieses eben so korrekten, wie monotonen Sechsfüßlers. pgo_227.006
Jn unserer klassischen Epoche galt er für eine Reminiscenz des pgo_227.007
Zopfstyles und wurde gänzlich mißachtet. Erst in neuer Zeit haben pgo_227.008
Freiligrath, Geibel und einige andere Dichter ihn wieder zu Ehren pgo_227.009
gebracht, indem sie ihm eine freiere Behandlung angedeihn ließen. Sie pgo_227.010
suchten seine Einförmigkeit zu umgehen, theils indem sie neben der Hauptcäsur pgo_227.011
noch andere ebenso scharfe Verseinschnitte, die ihre einschläfernde pgo_227.012
Wirkung neutralisirten, anbrachten, und Spondäen und Daktylen pgo_227.013
wechselvoll einstreuten, theils indem sie alexandrinische Strophen bildeten, pgo_227.014
in denen der Alexandriner mit dem vierfüßigen Jambus wechselt, wie pgo_227.015
es schon Uz in einigen seiner trefflichsten Gedichte, Ramler in einigen pgo_227.016
Oden versucht. Jn dieser Gestalt hat der Vers einen malerischen und pgo_227.017
beweglichen Charakter, der ihn zu lebendiger Schilderung überaus pgo_227.018
tauglich macht:
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Spring an, mein Wüstenroß aus Alexandria! pgo_227.020
Mein Wildling! — solch ein Thier bewältiget kein Schah, pgo_227.021
Kein Emir, und was sonst in jenen pgo_227.022
Oestlichen Ländern sich in Fürstensätteln wiegt; — pgo_227.023
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Wie es geschrieben steht, so ist dein Wiehern: Ha! pgo_227.026
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Der Wind; dein Auge blitzt, und deine Flanke schäumt — pgo_227.029
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Und mit Franzosenwitz geschulet!
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Freiligrath.
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e. Der achtfüßige Jambus. (Tetrameter). pgo_227.033
‿ _ | ‿ _ | ‿ _ | ‿ _ ‖ ‿ _ | ‿ _ | ‿ _ | ‿ _ (‿)
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Bis endlich ganz Europa ruft: Jhr Deutschen seid ein Kinderspott.
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Platen.
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