Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858.

Bild:
<< vorherige Seite

pgo_203.001
zu dulden, um so mehr, als das Ohr hier leichter über die einsylbigen pgo_203.002
Wörter hinweggleitet. Doch ist Achtsamkeit auf den Hiatus unerläßlich, pgo_203.003
da ein mit seinen Mißklängen und außerdem mit harten Elisionen pgo_203.004
ausgestattetes Gedicht einen durchaus unkorrekten und schülerhaften Eindruck pgo_203.005
macht.

pgo_203.006
Was nun die einzelnen Versfüße betrifft, so wollen wir nur diejenigen pgo_203.007
herausheben, welche für die moderne deutsche Dichtung wesentlich pgo_203.008
sind.

pgo_203.009

Einfache Versfüße.

pgo_203.010
1) Der Trochäus, aus einer Länge und einer Kürze bestehend: _ _

pgo_203.011

Vater, Mutter, ging er.

pgo_203.012
2) Der Jambus, aus einer Kürze und einer Länge bestehend: _ _

pgo_203.013

geliebt, Gebet.

pgo_203.014
3) Der Daktylus, aus einer Länge und zwei Kürzen bestehend: _ _ _

pgo_203.015

z. B. selige, süßere.

pgo_203.016
4) Der Anapästus, aus zwei Kürzen und einer Länge bestehend: _ _ _

pgo_203.017

in der Nacht, er entkam, und es traf.

pgo_203.018
5) Der Spondäus, zwei Längen: _ _

pgo_203.019

Meerschiff, urbar.

pgo_203.020

6) Der Pyrrhychius, zwei Kürzen pgo_203.021
7) Der Tribrachys, drei Kürzen
pgo 203.020
kommen in einzelnen Wörternpgo 203.021
im Deutschen nicht vor.
pgo_203.022
8) Der Kretikus, _ _ _, eine Länge, eine Kürze, eine Länge:

pgo_203.023

heißgeliebt, Vaterland.

pgo_203.024
9) Der Molossus, drei Längen: _ _ _

pgo_203.025

schwermuthsvoll, Urweltsnacht.

pgo_203.026
10) Der Amphibrachys, eine Kürze, eine Länge, eine Kürze: _ _ _

pgo_203.027

geliebte, du kennst mich. pgo_203.028
Mehrtheilige Versfüße.

pgo_203.029
1) Der Choriambus, eine Länge, zwei Kürzen, eine Länge: _ _ _ _

pgo_203.030

wonnebeseelt, müde der Ruh, seliges Herz.

pgo_203.031

2) Der Antispastus, eine kurze, zwei lange und noch eine kurze pgo_203.032
Sylbe umfassend: _ _ _ _

pgo_203.033

Triumphzüge, des Herrn Wille.

pgo_203.001
zu dulden, um so mehr, als das Ohr hier leichter über die einsylbigen pgo_203.002
Wörter hinweggleitet. Doch ist Achtsamkeit auf den Hiatus unerläßlich, pgo_203.003
da ein mit seinen Mißklängen und außerdem mit harten Elisionen pgo_203.004
ausgestattetes Gedicht einen durchaus unkorrekten und schülerhaften Eindruck pgo_203.005
macht.

pgo_203.006
Was nun die einzelnen Versfüße betrifft, so wollen wir nur diejenigen pgo_203.007
herausheben, welche für die moderne deutsche Dichtung wesentlich pgo_203.008
sind.

pgo_203.009

Einfache Versfüße.

pgo_203.010
1) Der Trochäus, aus einer Länge und einer Kürze bestehend: _ ‿

pgo_203.011

Vater, Mutter, ging er.

pgo_203.012
2) Der Jambus, aus einer Kürze und einer Länge bestehend: ‿ _

pgo_203.013

geliebt, Gebet.

pgo_203.014
3) Der Daktylus, aus einer Länge und zwei Kürzen bestehend: _ ‿ ‿

pgo_203.015

z. B. selige, süßere.

pgo_203.016
4) Der Anapästus, aus zwei Kürzen und einer Länge bestehend: ‿ ‿ _

pgo_203.017

in der Nacht, er entkam, und es traf.

pgo_203.018
5) Der Spondäus, zwei Längen: _ _

pgo_203.019

Meerschiff, urbar.

pgo_203.020

6) Der Pyrrhychius, zwei Kürzen pgo_203.021
7) Der Tribrachys, drei Kürzen
pgo 203.020
kommen in einzelnen Wörternpgo 203.021
im Deutschen nicht vor.
pgo_203.022
8) Der Kretikus, _ ‿ _, eine Länge, eine Kürze, eine Länge:

pgo_203.023

heißgeliebt, Vaterland.

pgo_203.024
9) Der Molossus, drei Längen: _ _ _

pgo_203.025

schwermuthsvoll, Urweltsnacht.

pgo_203.026
10) Der Amphibrachys, eine Kürze, eine Länge, eine Kürze: ‿ _ ‿

pgo_203.027

geliebte, du kennst mich. pgo_203.028
Mehrtheilige Versfüße.

pgo_203.029
1) Der Choriambus, eine Länge, zwei Kürzen, eine Länge: _ ‿ ‿ _

pgo_203.030

wonnebeseelt, müde der Ruh, seliges Herz.

pgo_203.031

2) Der Antispastus, eine kurze, zwei lange und noch eine kurze pgo_203.032
Sylbe umfassend: ‿ _ _ ‿

pgo_203.033

Triumphzüge, des Herrn Wille.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0225" n="203"/><lb n="pgo_203.001"/>
zu dulden, um so mehr, als das Ohr hier leichter über die einsylbigen <lb n="pgo_203.002"/>
Wörter hinweggleitet. Doch ist Achtsamkeit auf den Hiatus unerläßlich, <lb n="pgo_203.003"/>
da ein mit seinen Mißklängen und außerdem mit harten Elisionen <lb n="pgo_203.004"/>
ausgestattetes Gedicht einen durchaus unkorrekten und schülerhaften Eindruck <lb n="pgo_203.005"/>
macht.</p>
              <p><lb n="pgo_203.006"/>
Was nun die einzelnen <hi rendition="#g">Versfüße</hi> betrifft, so wollen wir nur diejenigen <lb n="pgo_203.007"/>
herausheben, welche für die moderne deutsche Dichtung wesentlich <lb n="pgo_203.008"/>
sind.</p>
              <lb n="pgo_203.009"/>
              <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g">Einfache Versfüße.</hi> </hi> </p>
              <p><lb n="pgo_203.010"/>
1) Der <hi rendition="#g">Trochäus,</hi> aus einer Länge und einer Kürze bestehend: _ &#x203F;</p>
              <lb n="pgo_203.011"/>
              <p> <hi rendition="#c">Vater, Mutter, ging er.</hi> </p>
              <p><lb n="pgo_203.012"/>
2) Der <hi rendition="#g">Jambus,</hi> aus einer Kürze und einer Länge bestehend: &#x203F; _</p>
              <lb n="pgo_203.013"/>
              <p> <hi rendition="#c">geliebt, Gebet.</hi> </p>
              <p><lb n="pgo_203.014"/>
3) Der <hi rendition="#g">Daktylus,</hi> aus einer Länge und zwei Kürzen bestehend: _ &#x203F; &#x203F;</p>
              <lb n="pgo_203.015"/>
              <p> <hi rendition="#c">z. B. selige, süßere.</hi> </p>
              <p><lb n="pgo_203.016"/>
4) Der <hi rendition="#g">Anapästus,</hi> aus zwei Kürzen und einer Länge bestehend: &#x203F; &#x203F; _</p>
              <lb n="pgo_203.017"/>
              <p> <hi rendition="#c">in der Nacht, er entkam, und es traf.</hi> </p>
              <p><lb n="pgo_203.018"/>
5) Der <hi rendition="#g">Spondäus,</hi> zwei Längen: _ _</p>
              <lb n="pgo_203.019"/>
              <p> <hi rendition="#c">Meerschiff, urbar.</hi> </p>
              <p><lb n="pgo_203.020"/><list><item><list rendition="#rightBraced"><item>6) Der <hi rendition="#g">Pyrrhychius,</hi> zwei Kürzen</item><lb n="pgo_203.021"/><item>7) Der <hi rendition="#g">Tribrachys,</hi> drei Kürzen</item></list><lb n="pgo 203.020"/>
kommen in einzelnen Wörtern<lb n="pgo 203.021"/>
im Deutschen nicht vor.</item></list><lb n="pgo_203.022"/>
8) Der <hi rendition="#g">Kretikus,</hi> _ &#x203F; _, eine Länge, eine Kürze, eine Länge:</p>
              <lb n="pgo_203.023"/>
              <p> <hi rendition="#c">heißgeliebt, Vaterland.</hi> </p>
              <p><lb n="pgo_203.024"/>
9) Der <hi rendition="#g">Molossus,</hi> drei Längen: _ _ _</p>
              <lb n="pgo_203.025"/>
              <p> <hi rendition="#c">schwermuthsvoll, Urweltsnacht.</hi> </p>
              <p><lb n="pgo_203.026"/>
10) Der <hi rendition="#g">Amphibrachys,</hi> eine Kürze, eine Länge, eine Kürze: &#x203F; _ &#x203F;</p>
              <lb n="pgo_203.027"/>
              <p> <hi rendition="#c">geliebte, du kennst mich. <lb n="pgo_203.028"/> <hi rendition="#g">Mehrtheilige Versfüße.</hi></hi> </p>
              <p><lb n="pgo_203.029"/>
1) Der <hi rendition="#g">Choriambus,</hi> eine Länge, zwei Kürzen, eine Länge: _ &#x203F; &#x203F; _</p>
              <lb n="pgo_203.030"/>
              <p> <hi rendition="#c">wonnebeseelt, müde der Ruh, seliges Herz.</hi> </p>
              <lb n="pgo_203.031"/>
              <p>2) Der <hi rendition="#g">Antispastus,</hi> eine kurze, zwei lange und noch eine kurze <lb n="pgo_203.032"/>
Sylbe umfassend: &#x203F; _ _ &#x203F;</p>
              <lb n="pgo_203.033"/>
              <p> <hi rendition="#c">Triumphzüge, des Herrn Wille.</hi> </p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[203/0225] pgo_203.001 zu dulden, um so mehr, als das Ohr hier leichter über die einsylbigen pgo_203.002 Wörter hinweggleitet. Doch ist Achtsamkeit auf den Hiatus unerläßlich, pgo_203.003 da ein mit seinen Mißklängen und außerdem mit harten Elisionen pgo_203.004 ausgestattetes Gedicht einen durchaus unkorrekten und schülerhaften Eindruck pgo_203.005 macht. pgo_203.006 Was nun die einzelnen Versfüße betrifft, so wollen wir nur diejenigen pgo_203.007 herausheben, welche für die moderne deutsche Dichtung wesentlich pgo_203.008 sind. pgo_203.009 Einfache Versfüße. pgo_203.010 1) Der Trochäus, aus einer Länge und einer Kürze bestehend: _ ‿ pgo_203.011 Vater, Mutter, ging er. pgo_203.012 2) Der Jambus, aus einer Kürze und einer Länge bestehend: ‿ _ pgo_203.013 geliebt, Gebet. pgo_203.014 3) Der Daktylus, aus einer Länge und zwei Kürzen bestehend: _ ‿ ‿ pgo_203.015 z. B. selige, süßere. pgo_203.016 4) Der Anapästus, aus zwei Kürzen und einer Länge bestehend: ‿ ‿ _ pgo_203.017 in der Nacht, er entkam, und es traf. pgo_203.018 5) Der Spondäus, zwei Längen: _ _ pgo_203.019 Meerschiff, urbar. pgo_203.020 6) Der Pyrrhychius, zwei Kürzen pgo_203.021 7) Der Tribrachys, drei Kürzen pgo 203.020 kommen in einzelnen Wörtern pgo 203.021 im Deutschen nicht vor. pgo_203.022 8) Der Kretikus, _ ‿ _, eine Länge, eine Kürze, eine Länge: pgo_203.023 heißgeliebt, Vaterland. pgo_203.024 9) Der Molossus, drei Längen: _ _ _ pgo_203.025 schwermuthsvoll, Urweltsnacht. pgo_203.026 10) Der Amphibrachys, eine Kürze, eine Länge, eine Kürze: ‿ _ ‿ pgo_203.027 geliebte, du kennst mich. pgo_203.028 Mehrtheilige Versfüße. pgo_203.029 1) Der Choriambus, eine Länge, zwei Kürzen, eine Länge: _ ‿ ‿ _ pgo_203.030 wonnebeseelt, müde der Ruh, seliges Herz. pgo_203.031 2) Der Antispastus, eine kurze, zwei lange und noch eine kurze pgo_203.032 Sylbe umfassend: ‿ _ _ ‿ pgo_203.033 Triumphzüge, des Herrn Wille.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Sandra Richter: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gottschall_poetik_1858
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gottschall_poetik_1858/225
Zitationshilfe: Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottschall_poetik_1858/225>, abgerufen am 24.11.2024.