Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858.pgo_189.001 Was sagst du? Wie gefällt dir dieser Mann? pgo_189.002 pgo_189.015Heut Abend sahst du ihn bei uns'rem Fest. pgo_189.003 Dann lies im Buche seines Angesichts, pgo_189.004 Jn das der Schönheit Griffel Wonne schrieb. pgo_189.005 Betrachte seiner Züge Lieblichkeit, pgo_189.006 Wie jeglicher dem andern Zierde leiht. pgo_189.007 Was dunkel in dem holden Buch geblieben, pgo_189.008 Das lies in seinem Aug' am Rand geschrieben, pgo_189.009 Und dieses Freiers ungebund'ner Stand, pgo_189.010 Dies Buch der Liebe braucht nur einen Band. pgo_189.011 Der Fisch lebt in der See und doppelt theuer pgo_189.012 Wird äuß'res Schön, als inn'rer Schönheit Schleier. pgo_189.013 Das Buch glänzt allermeist im Aug' der Welt, pgo_189.014 Das gold'ne Lehr' in gold'nen Spangen hält. Shakespeare, Romeo und Julie. pgo_189.016 pgo_189.022 pgo_189.001 Was sagst du? Wie gefällt dir dieser Mann? pgo_189.002 pgo_189.015Heut Abend sahst du ihn bei uns'rem Fest. pgo_189.003 Dann lies im Buche seines Angesichts, pgo_189.004 Jn das der Schönheit Griffel Wonne schrieb. pgo_189.005 Betrachte seiner Züge Lieblichkeit, pgo_189.006 Wie jeglicher dem andern Zierde leiht. pgo_189.007 Was dunkel in dem holden Buch geblieben, pgo_189.008 Das lies in seinem Aug' am Rand geschrieben, pgo_189.009 Und dieses Freiers ungebund'ner Stand, pgo_189.010 Dies Buch der Liebe braucht nur einen Band. pgo_189.011 Der Fisch lebt in der See und doppelt theuer pgo_189.012 Wird äuß'res Schön, als inn'rer Schönheit Schleier. pgo_189.013 Das Buch glänzt allermeist im Aug' der Welt, pgo_189.014 Das gold'ne Lehr' in gold'nen Spangen hält. Shakespeare, Romeo und Julie. pgo_189.016 pgo_189.022 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0211" n="189"/> <lb n="pgo_189.001"/> <lg> <l>Was sagst du? Wie gefällt dir dieser Mann?</l> <lb n="pgo_189.002"/> <l>Heut Abend sahst du ihn bei uns'rem Fest.</l> <lb n="pgo_189.003"/> <l>Dann lies <hi rendition="#g">im Buche seines Angesichts,</hi></l> <lb n="pgo_189.004"/> <l>Jn das der Schönheit Griffel Wonne schrieb.</l> <lb n="pgo_189.005"/> <l>Betrachte seiner Züge Lieblichkeit,</l> <lb n="pgo_189.006"/> <l>Wie jeglicher dem andern Zierde leiht.</l> <lb n="pgo_189.007"/> <l>Was dunkel in dem holden Buch geblieben,</l> <lb n="pgo_189.008"/> <l>Das lies in seinem Aug' am Rand geschrieben,</l> <lb n="pgo_189.009"/> <l>Und dieses Freiers ungebund'ner Stand,</l> <lb n="pgo_189.010"/> <l>Dies Buch der Liebe braucht nur einen Band.</l> <lb n="pgo_189.011"/> <l>Der Fisch lebt in der See und doppelt theuer</l> <lb n="pgo_189.012"/> <l>Wird äuß'res Schön, als inn'rer Schönheit Schleier.</l> <lb n="pgo_189.013"/> <l>Das Buch glänzt allermeist im Aug' der Welt,</l> <lb n="pgo_189.014"/> <l>Das gold'ne Lehr' in gold'nen Spangen hält.</l> </lg> <lb n="pgo_189.015"/> <p> <hi rendition="#right"><hi rendition="#g">Shakespeare, Romeo und Julie</hi>.</hi> </p> <p><lb n="pgo_189.016"/> Wer fühlt nicht heraus, wie diese breitgeschlagene Metapher durch <lb n="pgo_189.017"/> ihre Ausführung mit jeder Wendung matter und gezwungener wird, <lb n="pgo_189.018"/> abgesehen davon, daß ein eingeschobenes fremdes Bild die Allegorie <lb n="pgo_189.019"/> unterbricht. Shakespeare verspottet oft selbst diese ungebührlich breite <lb n="pgo_189.020"/> Ausführung des Bildes, die er „ein Gleichniß zu Tode hetzen“ nennt, ist <lb n="pgo_189.021"/> aber selbst am wenigsten frei davon.</p> <p><lb n="pgo_189.022"/> d. Die <hi rendition="#g">Geschmacklosigkeit,</hi> wenn das Bild an und für sich <lb n="pgo_189.023"/> unziemlich und abstoßend, oder ungereimt und unsinnig (<hi rendition="#g">schwülstig, <lb n="pgo_189.024"/> bombastisch</hi>) oder zu weit hergeholt ist, oder wenn, trotz des zutreffenden <lb n="pgo_189.025"/> Vergleichungspunktes, die verglichenen Gegenstände in allen anderen <lb n="pgo_189.026"/> Beziehungen so heterogen sind, daß die Unähnlichkeiten von selbst störend <lb n="pgo_189.027"/> hervortreten. Alle diese Fehler der <hi rendition="#g">Bildlichkeit</hi> im ernsten Style können <lb n="pgo_189.028"/> ebenso große Vorzüge im <hi rendition="#g">komischen</hi> sein. Selbst das anscheinend <lb n="pgo_189.029"/> zu weit hergeholte und gelehrte Bild, das eines Kommentars bedarf, <lb n="pgo_189.030"/> kann diesen Kommentar ungezwungen im komischen Style finden, wie <lb n="pgo_189.031"/> dies z. B. bei Jean Paul der Fall ist. An geschmacklosen Bildern sind <lb n="pgo_189.032"/> nicht nur <hi rendition="#g">Lohenstein</hi> und <hi rendition="#g">Hoffmannswaldau,</hi> sondern auch Shakespeare <lb n="pgo_189.033"/> und seine Zeitgenossen, die Erstlingswerke Schiller's, die alten <lb n="pgo_189.034"/> und neuen Kraftdramatiker, selbst <hi rendition="#g">Anastasius Grün</hi> und <hi rendition="#g">Karl Beck</hi> <lb n="pgo_189.035"/> reich zu nennen. Unziemlich ist z. B. folgendes Bild:</p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [189/0211]
pgo_189.001
Was sagst du? Wie gefällt dir dieser Mann? pgo_189.002
Heut Abend sahst du ihn bei uns'rem Fest. pgo_189.003
Dann lies im Buche seines Angesichts, pgo_189.004
Jn das der Schönheit Griffel Wonne schrieb. pgo_189.005
Betrachte seiner Züge Lieblichkeit, pgo_189.006
Wie jeglicher dem andern Zierde leiht. pgo_189.007
Was dunkel in dem holden Buch geblieben, pgo_189.008
Das lies in seinem Aug' am Rand geschrieben, pgo_189.009
Und dieses Freiers ungebund'ner Stand, pgo_189.010
Dies Buch der Liebe braucht nur einen Band. pgo_189.011
Der Fisch lebt in der See und doppelt theuer pgo_189.012
Wird äuß'res Schön, als inn'rer Schönheit Schleier. pgo_189.013
Das Buch glänzt allermeist im Aug' der Welt, pgo_189.014
Das gold'ne Lehr' in gold'nen Spangen hält.
pgo_189.015
Shakespeare, Romeo und Julie.
pgo_189.016
Wer fühlt nicht heraus, wie diese breitgeschlagene Metapher durch pgo_189.017
ihre Ausführung mit jeder Wendung matter und gezwungener wird, pgo_189.018
abgesehen davon, daß ein eingeschobenes fremdes Bild die Allegorie pgo_189.019
unterbricht. Shakespeare verspottet oft selbst diese ungebührlich breite pgo_189.020
Ausführung des Bildes, die er „ein Gleichniß zu Tode hetzen“ nennt, ist pgo_189.021
aber selbst am wenigsten frei davon.
pgo_189.022
d. Die Geschmacklosigkeit, wenn das Bild an und für sich pgo_189.023
unziemlich und abstoßend, oder ungereimt und unsinnig (schwülstig, pgo_189.024
bombastisch) oder zu weit hergeholt ist, oder wenn, trotz des zutreffenden pgo_189.025
Vergleichungspunktes, die verglichenen Gegenstände in allen anderen pgo_189.026
Beziehungen so heterogen sind, daß die Unähnlichkeiten von selbst störend pgo_189.027
hervortreten. Alle diese Fehler der Bildlichkeit im ernsten Style können pgo_189.028
ebenso große Vorzüge im komischen sein. Selbst das anscheinend pgo_189.029
zu weit hergeholte und gelehrte Bild, das eines Kommentars bedarf, pgo_189.030
kann diesen Kommentar ungezwungen im komischen Style finden, wie pgo_189.031
dies z. B. bei Jean Paul der Fall ist. An geschmacklosen Bildern sind pgo_189.032
nicht nur Lohenstein und Hoffmannswaldau, sondern auch Shakespeare pgo_189.033
und seine Zeitgenossen, die Erstlingswerke Schiller's, die alten pgo_189.034
und neuen Kraftdramatiker, selbst Anastasius Grün und Karl Beck pgo_189.035
reich zu nennen. Unziemlich ist z. B. folgendes Bild:
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription.
(2015-09-30T09:54:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Sandra Richter: ePoetics-Projekt-Koordination
Weitere Informationen:Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |