Jm fürchterlich verworrenen Fallepgo_184.002 Ueber einander krachen sie alle,pgo_184.003 Und durch die übertrümmerten Klüftepgo_184.004 Zischen und heulen die Lüfte.
pgo_184.005 Diese Figur artet, ähnlich wie die Tonmalereien der Musik, leicht in pgo_184.006 eine Künstelei und Spielerei aus und kann daher nur selten in Anwendung pgo_184.007 gebracht werden.
pgo_184.008
Dritter Abschnitt.
pgo_184.009 Ueber den Gebrauch des bildlichen Ausdruckes.
pgo_184.010 Die meisten Rhetoriker, auch die englischen, ein Home, Priestleypgo_184.011 und Hugo Blair nicht ausgenommen, haben das Bild zu sehr als pgo_184.012 eine eingelegte Zierde der Rede betrachtet, nicht als einen organischen pgo_184.013 Theil der Dichtung, nicht in seinem tieferen Zusammenhange mit dem pgo_184.014 Genius des Dichters und seines Jahrhunderts. Aus dieser äußerlichen pgo_184.015 Betrachtungsweise hat sich ein langes Register von Regeln ergeben, das pgo_184.016 von Pedanten nachgebetet, von einer schulmeisterlichen Kritik auf die pgo_184.017 Erscheinungen der Gegenwart angewendet wird, wobei ganz unbeachtet pgo_184.018 bleibt, daß dasselbe Verfahren den Flügelstaub von den Schwingen der pgo_184.019 größten Genien aller Zeiten abstreifen würde! Doch die moderne pgo_184.020 Literatur ist einmal der Sündenbock für die kritischen Exercitien jener pgo_184.021 schwachen Köpfe, die durch Arroganz, anscheinende Sicherheit der pgo_184.022 Behauptungen und eine dem oberflächlichen Verstande der Menge pgo_184.023 schmeichelnde Verständigkeit ersetzen, was ihnen an Phantasie, Geschmack pgo_184.024 und tieferer ästhetischer Bildung fehlt.
pgo_184.025 Der bildliche Ausdruck ist die organische Eigenthümlichkeit einiger großen pgo_184.026 Dichtergenien, z. B. eines Shakespeare, Calderon, Jean Paul,pgo_184.027 ganz abgesehen von den orientalischen Poeten, von Dichtern der Neuzeit, pgo_184.028 wie Lenau, Grün u. A. Schon diese Thatsache wird uns gegen den pgo_184.029 Vorwurf einer Ueberladung mit Bildern vorsichtig machen müssen, pgo_184.030 ein Vorwurf, der aus jener oberflächlichen Theorie hervorgeht, nach welcher pgo_184.031 die Bilder in einer so äußerlichen Weise der Dichtung angehängt pgo_184.032 werden, wie sich die Wilden metallene Zierrathen an Ohren, Nasen
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Jm fürchterlich verworrenen Fallepgo_184.002 Ueber einander krachen sie alle,pgo_184.003 Und durch die übertrümmerten Klüftepgo_184.004 Zischen und heulen die Lüfte.
pgo_184.005 Diese Figur artet, ähnlich wie die Tonmalereien der Musik, leicht in pgo_184.006 eine Künstelei und Spielerei aus und kann daher nur selten in Anwendung pgo_184.007 gebracht werden.
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Dritter Abschnitt.
pgo_184.009 Ueber den Gebrauch des bildlichen Ausdruckes.
pgo_184.010 Die meisten Rhetoriker, auch die englischen, ein Home, Priestleypgo_184.011 und Hugo Blair nicht ausgenommen, haben das Bild zu sehr als pgo_184.012 eine eingelegte Zierde der Rede betrachtet, nicht als einen organischen pgo_184.013 Theil der Dichtung, nicht in seinem tieferen Zusammenhange mit dem pgo_184.014 Genius des Dichters und seines Jahrhunderts. Aus dieser äußerlichen pgo_184.015 Betrachtungsweise hat sich ein langes Register von Regeln ergeben, das pgo_184.016 von Pedanten nachgebetet, von einer schulmeisterlichen Kritik auf die pgo_184.017 Erscheinungen der Gegenwart angewendet wird, wobei ganz unbeachtet pgo_184.018 bleibt, daß dasselbe Verfahren den Flügelstaub von den Schwingen der pgo_184.019 größten Genien aller Zeiten abstreifen würde! Doch die moderne pgo_184.020 Literatur ist einmal der Sündenbock für die kritischen Exercitien jener pgo_184.021 schwachen Köpfe, die durch Arroganz, anscheinende Sicherheit der pgo_184.022 Behauptungen und eine dem oberflächlichen Verstande der Menge pgo_184.023 schmeichelnde Verständigkeit ersetzen, was ihnen an Phantasie, Geschmack pgo_184.024 und tieferer ästhetischer Bildung fehlt.
pgo_184.025 Der bildliche Ausdruck ist die organische Eigenthümlichkeit einiger großen pgo_184.026 Dichtergenien, z. B. eines Shakespeare, Calderon, Jean Paul,pgo_184.027 ganz abgesehen von den orientalischen Poeten, von Dichtern der Neuzeit, pgo_184.028 wie Lenau, Grün u. A. Schon diese Thatsache wird uns gegen den pgo_184.029 Vorwurf einer Ueberladung mit Bildern vorsichtig machen müssen, pgo_184.030 ein Vorwurf, der aus jener oberflächlichen Theorie hervorgeht, nach welcher pgo_184.031 die Bilder in einer so äußerlichen Weise der Dichtung angehängt pgo_184.032 werden, wie sich die Wilden metallene Zierrathen an Ohren, Nasen
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Die meisten Rhetoriker, auch die englischen, ein Home, Priestley pgo_184.011
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Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottschall_poetik_1858/206>, abgerufen am 16.07.2024.
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