Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858.pgo_130.001 Und sehet: noch ein Schemen, pgo_130.009 Ein Kämpfer auf dem Nil, pgo_130.010 Ein Führer von Triremen, pgo_130.011 Der unter Cäsar fiel! pgo_130.012 pgo_130.016 nur noch durch diese Schleusse, pgo_130.023 Und deinen Kupferbauch umplätschert das Bassin! pgo_130.024 Wie sich auf dem Verdeck die rüst'gen Lootsen drängen! pgo_130.025 Zur Arbeit singen sie; -- einfach, mit rauhen Klängen pgo_130.026 Schallt über's Wasser der Refrain. pgo_130.027 pgo_130.030 "Jacta est alea -- entweder -- oder!" pgo_130.034
Spricht der gefang'ne Cäsar der Franzosen pgo_130.035 Auf Elba -- pgo_130.001 Und sehet: noch ein Schemen, pgo_130.009 Ein Kämpfer auf dem Nil, pgo_130.010 Ein Führer von Triremen, pgo_130.011 Der unter Cäsar fiel! pgo_130.012 pgo_130.016 nur noch durch diese Schleusse, pgo_130.023 Und deinen Kupferbauch umplätschert das Bassin! pgo_130.024 Wie sich auf dem Verdeck die rüst'gen Lootsen drängen! pgo_130.025 Zur Arbeit singen sie; — einfach, mit rauhen Klängen pgo_130.026 Schallt über's Wasser der Refrain. pgo_130.027 pgo_130.030 „Jacta est alea — entweder — oder!“ pgo_130.034
Spricht der gefang'ne Cäsar der Franzosen pgo_130.035 Auf Elba — <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0152" n="130"/><lb n="pgo_130.001"/> Wir denken hierbei vorzugsweise an Freiligrath, der diesen <lb n="pgo_130.002"/> Fremdlingen noch dadurch eine besondere Auszeichnung zu Theil werden <lb n="pgo_130.003"/> läßt, daß er sie zu Reimen verwendet. Jm Gegensatz gegen die abstracte <lb n="pgo_130.004"/> Verschwommenheit der philosophischen Fremdwörter geben diese eine <lb n="pgo_130.005"/> schärfere Bestimmtheit und haben überdies die Entschuldigung für sich, <lb n="pgo_130.006"/> daß die deutsche Sprache keine Worte hat, um sie zu ersetzen. Wenn <lb n="pgo_130.007"/> Freiligrath sagt:</p> <lb n="pgo_130.008"/> <lg> <l>Und sehet: noch ein Schemen,</l> <lb n="pgo_130.009"/> <l>Ein Kämpfer auf dem Nil,</l> <lb n="pgo_130.010"/> <l>Ein Führer von <hi rendition="#g">Triremen,</hi></l> <lb n="pgo_130.011"/> <l>Der unter Cäsar fiel!</l> </lg> <p><lb n="pgo_130.012"/> so bezeichnet dieser Ausdruck in ganz bestimmter Weise und sonst unerreichbarer <lb n="pgo_130.013"/> Kürze das <hi rendition="#g">römische Ruderschiff;</hi> auf der anderen Seite <lb n="pgo_130.014"/> bedarf er für das ungelehrte Publikum eines Commentars. Solche Ausdrücke <lb n="pgo_130.015"/> lassen sich nur gebrauchen, wo sie sich selbst erklären.</p> <p><lb n="pgo_130.016"/> Es gehört große Kunst dazu, Worte, die eine <hi rendition="#g">Specialität</hi> der <lb n="pgo_130.017"/> Marine, des Krieges, der Volks- und Erdkunde ausdrücken, so anzuwenden, <lb n="pgo_130.018"/> daß der Ausdruck nicht seinen dichterischen Adel einbüßt. Freiligrath <lb n="pgo_130.019"/> besitzt meistens diese Kunst. Doch treibt er ebenso oft einen überflüssigen <lb n="pgo_130.020"/> Luxus mit Fremdwörtern, wo sie Nichts zur Charakteristik beitragen, nicht <lb n="pgo_130.021"/> den Zauber des Kolorits erhöhen, z. B.:</p> <lb n="pgo_130.022"/> <lg> <l>nur noch durch diese Schleusse,</l> <lb n="pgo_130.023"/> <l>Und deinen Kupferbauch umplätschert das <hi rendition="#g">Bassin!</hi></l> <lb n="pgo_130.024"/> <l>Wie sich auf dem Verdeck die rüst'gen Lootsen drängen!</l> <lb n="pgo_130.025"/> <l>Zur Arbeit singen sie; — einfach, mit rauhen Klängen</l> <lb n="pgo_130.026"/> <l>Schallt über's Wasser der <hi rendition="#g">Refrain</hi>.</l> </lg> <p><lb n="pgo_130.027"/> Die Länder- und Völkernamen, die Freiligrath in seine Verse gewebt, <lb n="pgo_130.028"/> können ebensowenig für bloße Fremdwörter gelten, wie die mythologischen <lb n="pgo_130.029"/> Namen, die Goethe's und Schiller's Dichtungen durchranken.</p> <p><lb n="pgo_130.030"/> Wie Freiligrath ein Muster für den entschuldbaren Gebrauch des <lb n="pgo_130.031"/> Fremdworts in der Dichtkunst: so ist es <hi rendition="#g">Scherenberg</hi> für den verwerflichen. <lb n="pgo_130.032"/> Seine Hauptdichtung: <hi rendition="#g">Waterloo</hi> beginnt mit den Versen:</p> <lb n="pgo_130.033"/> <lg> <l>„<hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">Jacta est alea</hi></hi> — entweder — oder!“</l> <lb n="pgo_130.034"/> <l>Spricht der gefang'ne Cäsar der Franzosen</l> <lb n="pgo_130.035"/> <l>Auf Elba —</l> </lg> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [130/0152]
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Wir denken hierbei vorzugsweise an Freiligrath, der diesen pgo_130.002
Fremdlingen noch dadurch eine besondere Auszeichnung zu Theil werden pgo_130.003
läßt, daß er sie zu Reimen verwendet. Jm Gegensatz gegen die abstracte pgo_130.004
Verschwommenheit der philosophischen Fremdwörter geben diese eine pgo_130.005
schärfere Bestimmtheit und haben überdies die Entschuldigung für sich, pgo_130.006
daß die deutsche Sprache keine Worte hat, um sie zu ersetzen. Wenn pgo_130.007
Freiligrath sagt:
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Und sehet: noch ein Schemen, pgo_130.009
Ein Kämpfer auf dem Nil, pgo_130.010
Ein Führer von Triremen, pgo_130.011
Der unter Cäsar fiel!
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so bezeichnet dieser Ausdruck in ganz bestimmter Weise und sonst unerreichbarer pgo_130.013
Kürze das römische Ruderschiff; auf der anderen Seite pgo_130.014
bedarf er für das ungelehrte Publikum eines Commentars. Solche Ausdrücke pgo_130.015
lassen sich nur gebrauchen, wo sie sich selbst erklären.
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Es gehört große Kunst dazu, Worte, die eine Specialität der pgo_130.017
Marine, des Krieges, der Volks- und Erdkunde ausdrücken, so anzuwenden, pgo_130.018
daß der Ausdruck nicht seinen dichterischen Adel einbüßt. Freiligrath pgo_130.019
besitzt meistens diese Kunst. Doch treibt er ebenso oft einen überflüssigen pgo_130.020
Luxus mit Fremdwörtern, wo sie Nichts zur Charakteristik beitragen, nicht pgo_130.021
den Zauber des Kolorits erhöhen, z. B.:
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nur noch durch diese Schleusse, pgo_130.023
Und deinen Kupferbauch umplätschert das Bassin! pgo_130.024
Wie sich auf dem Verdeck die rüst'gen Lootsen drängen! pgo_130.025
Zur Arbeit singen sie; — einfach, mit rauhen Klängen pgo_130.026
Schallt über's Wasser der Refrain.
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Die Länder- und Völkernamen, die Freiligrath in seine Verse gewebt, pgo_130.028
können ebensowenig für bloße Fremdwörter gelten, wie die mythologischen pgo_130.029
Namen, die Goethe's und Schiller's Dichtungen durchranken.
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Wie Freiligrath ein Muster für den entschuldbaren Gebrauch des pgo_130.031
Fremdworts in der Dichtkunst: so ist es Scherenberg für den verwerflichen. pgo_130.032
Seine Hauptdichtung: Waterloo beginnt mit den Versen:
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„Jacta est alea — entweder — oder!“ pgo_130.034
Spricht der gefang'ne Cäsar der Franzosen pgo_130.035
Auf Elba —
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