"Das unergründliche Schicksal," sprach sie, "das mich Schuldlose mit den Schuldigen versenkte, vergönnt mir, dich in jeder Nacht von der eilften bis zwölften Stunde zu sprechen. Nie darf ich aber diese bestimmte Zeit überschreiten, sonst siehst du mich nie wieder. Auch darf mich, außer dir, keines Mannes Auge erblicken, sonst schneidet eine unsichtbare Hand den Faden meines Lebens entzwei."
Lange, lange setzte nun der Ritter seine nächtlichen Besuche fort, und immer stieg sein Liebchen aus den blauen Wellen zu ihm herauf, wenn er den blutrothen Faden zog. Sie waren beide eben so glücklich in diesen geheimnißvollen Verhältnissen, als unbesorgt, sie jemals zerstört zu sehen. Aber Neid und Mißgunst belauschten des Ritters Schritte, und ein anderer Mann hatte die Liebenden Arm in Arm am Ufer des See's wandeln sehen. Als sich nun der Ritter in der folgenden
„Das unergründliche Schicksal,“ sprach sie, „das mich Schuldlose mit den Schuldigen versenkte, vergönnt mir, dich in jeder Nacht von der eilften bis zwölften Stunde zu sprechen. Nie darf ich aber diese bestimmte Zeit überschreiten, sonst siehst du mich nie wieder. Auch darf mich, außer dir, keines Mannes Auge erblicken, sonst schneidet eine unsichtbare Hand den Faden meines Lebens entzwei.“
Lange, lange setzte nun der Ritter seine nächtlichen Besuche fort, und immer stieg sein Liebchen aus den blauen Wellen zu ihm herauf, wenn er den blutrothen Faden zog. Sie waren beide eben so glücklich in diesen geheimnißvollen Verhältnissen, als unbesorgt, sie jemals zerstört zu sehen. Aber Neid und Mißgunst belauschten des Ritters Schritte, und ein anderer Mann hatte die Liebenden Arm in Arm am Ufer des See’s wandeln sehen. Als sich nun der Ritter in der folgenden
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0165"n="126"/><p>„Das unergründliche Schicksal,“ sprach sie, „das mich Schuldlose mit den Schuldigen versenkte, vergönnt mir, dich in jeder Nacht von der eilften bis zwölften Stunde zu sprechen. Nie darf ich aber diese bestimmte Zeit überschreiten, sonst siehst du mich nie wieder. Auch darf mich, außer dir, keines Mannes Auge erblicken, sonst schneidet eine unsichtbare Hand den Faden meines Lebens entzwei.“</p><p>Lange, lange setzte nun der Ritter seine nächtlichen Besuche fort, und immer stieg sein Liebchen aus den blauen Wellen zu ihm herauf, wenn er den blutrothen Faden zog. Sie waren beide eben so glücklich in diesen geheimnißvollen Verhältnissen, als unbesorgt, sie jemals zerstört zu sehen. Aber Neid und Mißgunst belauschten des Ritters Schritte, und ein anderer Mann hatte die Liebenden Arm in Arm am Ufer des See’s wandeln sehen. Als sich nun der Ritter in der folgenden
</p></div></body></text></TEI>
[126/0165]
„Das unergründliche Schicksal,“ sprach sie, „das mich Schuldlose mit den Schuldigen versenkte, vergönnt mir, dich in jeder Nacht von der eilften bis zwölften Stunde zu sprechen. Nie darf ich aber diese bestimmte Zeit überschreiten, sonst siehst du mich nie wieder. Auch darf mich, außer dir, keines Mannes Auge erblicken, sonst schneidet eine unsichtbare Hand den Faden meines Lebens entzwei.“
Lange, lange setzte nun der Ritter seine nächtlichen Besuche fort, und immer stieg sein Liebchen aus den blauen Wellen zu ihm herauf, wenn er den blutrothen Faden zog. Sie waren beide eben so glücklich in diesen geheimnißvollen Verhältnissen, als unbesorgt, sie jemals zerstört zu sehen. Aber Neid und Mißgunst belauschten des Ritters Schritte, und ein anderer Mann hatte die Liebenden Arm in Arm am Ufer des See’s wandeln sehen. Als sich nun der Ritter in der folgenden
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-10-26T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-10-26T10:30:31Z)
Gottschalck, Friedrich: Die Sagen und Volksmährchen der Deutschen. Halle, 1814, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottschalck_sagen_1814/165>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.