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Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842.

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den; seien die einmal oben, so könne man immer noch
sagen, was man machen wolle, die Hauptsache sei, daß
bis dahin, so viel ihr bekannt, unter ihnen kein Kind
werde geboren werden.

"Vielen lief es kalt den Rücken auf bei der Erzäh¬
lung, aber daß man dann noch immer sehen könne,
was man machen wolle, das gefiel Allen wohl.

"Nur ein junges Weibchen weinte gar bitterlich,
daß man unter seinen Augen die Hände hätte waschen
können, aber sagen that es nichts. Ein alt ehrwürdig
Weib dagegen, hochgestaltet und mit einem Gesichte,
vor dem man sonst sich beugen oder vor ihm fliehen
mußte, trat in die Mitte und sprach: Gottvergessen
wäre es gehandelt, auf das Ungewisse das Gewisse
stellen und spielen mit dem ewigen Leben. Wer mit
dem Bösen sich einlasse, komme vom Bösen nimmer los,
und wer ihm den Finger gebe, den behalte er mit Leib
und Seele. Aus diesem Elend könne Niemand helfen
als Gott, wer ihn aber verlasse in der Noth, der ver¬
sinke in der Noth. Aber dießmal verachtete man der
Alten Rede und schweigen hieß man das junge Weib¬
chen, mit Weinen und Heulen sei einem dießmal nicht
geholfen, da bedürfe man Hülfe anderer Art, hieß es.

"Räthig wurde man bald die Sache zu versuchen.
Bös könne das kaum gehen im bösesten Falle; aber
nicht das erste Mal sei es, daß Menschen die schlimmsten
Geister betrogen, und wenn sie selbst nichts wüßten,
so fände wohl ein Priester Rath und Ausweg. Aber
im finstern Gemüthe soll mancher gedacht haben, wie
er später bekannte: gar viel Geld und Umtriebe wage
er nicht eines ungetauften Kindes wegen.

"Als der Rath nach Christinens Sinn gefaßt wurde,
da war es als ob alle Wirbelwinde über dem Hause

den; ſeien die einmal oben, ſo könne man immer noch
ſagen, was man machen wolle, die Hauptſache ſei, daß
bis dahin, ſo viel ihr bekannt, unter ihnen kein Kind
werde geboren werden.

„Vielen lief es kalt den Rücken auf bei der Erzäh¬
lung, aber daß man dann noch immer ſehen könne,
was man machen wolle, das gefiel Allen wohl.

„Nur ein junges Weibchen weinte gar bitterlich,
daß man unter ſeinen Augen die Hände hätte waſchen
können, aber ſagen that es nichts. Ein alt ehrwürdig
Weib dagegen, hochgeſtaltet und mit einem Geſichte,
vor dem man ſonſt ſich beugen oder vor ihm fliehen
mußte, trat in die Mitte und ſprach: Gottvergeſſen
wäre es gehandelt, auf das Ungewiſſe das Gewiſſe
ſtellen und ſpielen mit dem ewigen Leben. Wer mit
dem Böſen ſich einlaſſe, komme vom Böſen nimmer los,
und wer ihm den Finger gebe, den behalte er mit Leib
und Seele. Aus dieſem Elend könne Niemand helfen
als Gott, wer ihn aber verlaſſe in der Noth, der ver¬
ſinke in der Noth. Aber dießmal verachtete man der
Alten Rede und ſchweigen hieß man das junge Weib¬
chen, mit Weinen und Heulen ſei einem dießmal nicht
geholfen, da bedürfe man Hülfe anderer Art, hieß es.

„Räthig wurde man bald die Sache zu verſuchen.
Bös könne das kaum gehen im böſeſten Falle; aber
nicht das erſte Mal ſei es, daß Menſchen die ſchlimmſten
Geiſter betrogen, und wenn ſie ſelbſt nichts wüßten,
ſo fände wohl ein Prieſter Rath und Ausweg. Aber
im finſtern Gemüthe ſoll mancher gedacht haben, wie
er ſpäter bekannte: gar viel Geld und Umtriebe wage
er nicht eines ungetauften Kindes wegen.

„Als der Rath nach Chriſtinens Sinn gefaßt wurde,
da war es als ob alle Wirbelwinde über dem Hauſe

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[46/0056] den; ſeien die einmal oben, ſo könne man immer noch ſagen, was man machen wolle, die Hauptſache ſei, daß bis dahin, ſo viel ihr bekannt, unter ihnen kein Kind werde geboren werden. „Vielen lief es kalt den Rücken auf bei der Erzäh¬ lung, aber daß man dann noch immer ſehen könne, was man machen wolle, das gefiel Allen wohl. „Nur ein junges Weibchen weinte gar bitterlich, daß man unter ſeinen Augen die Hände hätte waſchen können, aber ſagen that es nichts. Ein alt ehrwürdig Weib dagegen, hochgeſtaltet und mit einem Geſichte, vor dem man ſonſt ſich beugen oder vor ihm fliehen mußte, trat in die Mitte und ſprach: Gottvergeſſen wäre es gehandelt, auf das Ungewiſſe das Gewiſſe ſtellen und ſpielen mit dem ewigen Leben. Wer mit dem Böſen ſich einlaſſe, komme vom Böſen nimmer los, und wer ihm den Finger gebe, den behalte er mit Leib und Seele. Aus dieſem Elend könne Niemand helfen als Gott, wer ihn aber verlaſſe in der Noth, der ver¬ ſinke in der Noth. Aber dießmal verachtete man der Alten Rede und ſchweigen hieß man das junge Weib¬ chen, mit Weinen und Heulen ſei einem dießmal nicht geholfen, da bedürfe man Hülfe anderer Art, hieß es. „Räthig wurde man bald die Sache zu verſuchen. Bös könne das kaum gehen im böſeſten Falle; aber nicht das erſte Mal ſei es, daß Menſchen die ſchlimmſten Geiſter betrogen, und wenn ſie ſelbſt nichts wüßten, ſo fände wohl ein Prieſter Rath und Ausweg. Aber im finſtern Gemüthe ſoll mancher gedacht haben, wie er ſpäter bekannte: gar viel Geld und Umtriebe wage er nicht eines ungetauften Kindes wegen. „Als der Rath nach Chriſtinens Sinn gefaßt wurde, da war es als ob alle Wirbelwinde über dem Hauſe

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Zitationshilfe: Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_sagen_1842/56>, abgerufen am 22.11.2024.