Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842.die noch speislos waren. Dann frug sie nach der Män¬ "Da schalt die Lindauerin, daß das eitel Einbildung "Nur Christine, die Lindauerin, konnte nicht fliehen, sie die noch ſpeislos waren. Dann frug ſie nach der Män¬ „Da ſchalt die Lindauerin, daß das eitel Einbildung „Nur Chriſtine, die Lindauerin, konnte nicht fliehen, ſie <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0048" n="38"/> die noch ſpeislos waren. Dann frug ſie nach der Män¬<lb/> ner Tagewerk und wie viel geſchaffet worden in den<lb/> zwei Tagen? Aber Hunger und Worte waren den<lb/> Männern ausgegangen, und keiner griff zum Löffel und<lb/> keiner hatte eine Antwort. Nur ein leichtfertig Knecht¬<lb/> lein, dem es gleichgültig war, regne oder ſonnenſcheine<lb/> es in der Ernte, wenn nur das Jahr umging und der<lb/> Lohn kam, und zu jeder Eſſenszeit das Eſſen auf den<lb/> Tiſch, griff zum Löffel und berichtete Chriſtine, daß<lb/> noch keine Buche gepflanzet ſei, und alles gehe als ob<lb/> ſie verhext wären.</p><lb/> <p>„Da ſchalt die Lindauerin, daß das eitel Einbildung<lb/> wäre und die Männer nichts als Kindbetterinnen; mit<lb/> Schaffen und Weinen, mit hocken und heulen, werde<lb/> man keine Buchen auf Bärhegen bringen. Ihnen würde<lb/> nur ihr Recht widerfahren, wenn die Ritter ihren Muth¬<lb/> willen an ihnen ausließen; aber um Weib und Kinder<lb/> willen müſſe die Sache anders zur Hand genommen wer¬<lb/> den. Da kam plötzlich über die Achſel des Weibes eine<lb/> lange ſchwarze Hand und eine gellende Stimme rief:<lb/> „Ja, die hat Recht.“ Und mitten unter ihnen ſtand mit<lb/> grinſendem Geſicht der Grüne, und luſtig ſchwankte die<lb/> rothe Feder auf ſeinem Hute. Da hob der Schreck die<lb/> Männer von dannen, ſie ſtoben die Halde auf wie Spreu<lb/> im Wirbelwinde.</p><lb/> <p>„Nur Chriſtine, die Lindauerin, konnte nicht fliehen, ſie<lb/> erfuhr es, wie man den Teufel leibhaftig zu ſehen kriegt,<lb/> wenn man ihn an die Wand mahlt. Sie blieb ſtehen<lb/> wie gebannt, mußte ſchauen die rothe Feder am Baret,<lb/> und wie das rothe Bärtchen luſtig auf- und niederging<lb/> im ſchwarzen Geſichte. Gellend lachte der Grüne den<lb/> Männern nach, aber gegen Chriſtine machte er ein zärt¬<lb/> lich Geſicht und faßte mit höflicher Geberde ihre Hand.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [38/0048]
die noch ſpeislos waren. Dann frug ſie nach der Män¬
ner Tagewerk und wie viel geſchaffet worden in den
zwei Tagen? Aber Hunger und Worte waren den
Männern ausgegangen, und keiner griff zum Löffel und
keiner hatte eine Antwort. Nur ein leichtfertig Knecht¬
lein, dem es gleichgültig war, regne oder ſonnenſcheine
es in der Ernte, wenn nur das Jahr umging und der
Lohn kam, und zu jeder Eſſenszeit das Eſſen auf den
Tiſch, griff zum Löffel und berichtete Chriſtine, daß
noch keine Buche gepflanzet ſei, und alles gehe als ob
ſie verhext wären.
„Da ſchalt die Lindauerin, daß das eitel Einbildung
wäre und die Männer nichts als Kindbetterinnen; mit
Schaffen und Weinen, mit hocken und heulen, werde
man keine Buchen auf Bärhegen bringen. Ihnen würde
nur ihr Recht widerfahren, wenn die Ritter ihren Muth¬
willen an ihnen ausließen; aber um Weib und Kinder
willen müſſe die Sache anders zur Hand genommen wer¬
den. Da kam plötzlich über die Achſel des Weibes eine
lange ſchwarze Hand und eine gellende Stimme rief:
„Ja, die hat Recht.“ Und mitten unter ihnen ſtand mit
grinſendem Geſicht der Grüne, und luſtig ſchwankte die
rothe Feder auf ſeinem Hute. Da hob der Schreck die
Männer von dannen, ſie ſtoben die Halde auf wie Spreu
im Wirbelwinde.
„Nur Chriſtine, die Lindauerin, konnte nicht fliehen, ſie
erfuhr es, wie man den Teufel leibhaftig zu ſehen kriegt,
wenn man ihn an die Wand mahlt. Sie blieb ſtehen
wie gebannt, mußte ſchauen die rothe Feder am Baret,
und wie das rothe Bärtchen luſtig auf- und niederging
im ſchwarzen Geſichte. Gellend lachte der Grüne den
Männern nach, aber gegen Chriſtine machte er ein zärt¬
lich Geſicht und faßte mit höflicher Geberde ihre Hand.
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