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Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842.

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ihr doch so leid, daß sie ihn so schlecht finde, sie hätte
doch der Hebamme dringlichst befohlen, ihn so gut als
möglich zu machen, sie vermöchte sich dessen wahrhaftig
nicht, daß er so schlecht sei, daß ihn Niemand trinken
möge, und an der Nidle sollte es doch auch nicht feh¬
len, sie hätte dieselbe abgenommen, wie sie es sonst nicht
alle Tage im Brauch hätte. Was sollte die arme Gotte
anders machen, als noch ein Kacheli sich einschenken
lassen?

Ungeduldig war schon lange die Hebamme herum¬
getrippelt und endlich bändigte sie das Wort nicht län¬
ger, sondern sagte: Wenn ich dir etwas helfen kann,
so sage es nur, ich habe wohl Zeit dazu. "He, pressire
doch nicht", sagte die Frau. Die arme Gotte aber, die
rauchte wie ein Dampfkessel, verstand den Wink, ver¬
sorgte den heißen Kaffee so schnell als möglich, und
sagte zwischen den Absätzen, zu denen der glühende
Trank sie zwang: "Ich wäre schon lange z'weg, wenn
ich nicht mehr hätte nehmen müssen, als ich hinunter
bringen kann, aber ich komme jetzt." Sie stund auf,
packte die Säcklein aus, übergab Züpfe, Kleidung, Ein¬
band, ein blanker Neuthaler eingewickelt in den schön
gemahlten Taufspruch, und machte manche Entschuldi¬
gung, daß alles nicht besser sei. Darein aber redete die
Hausmutter mit manchem Ausruf, wie das keine Art
und Gattung hätte, sich so zu verköstigen, wie man es
fast nicht nehmen dürfte, und wenn man das gewußt
hätte, so hätte man sie gar nicht ansprechen dürfen.

Nun ging auch das Mädchen an sein Werk, ver¬
beiständet von der Hebamme und der Hausfrau, und
wendete das Möglichste an, eine schöne Gotte zu sein
von Schuh und Strümpfen an, bis hinauf zum Kränz¬
chen auf der kostbaren Spitzenkappe. Die Sache ging

ihr doch ſo leid, daß ſie ihn ſo ſchlecht finde, ſie hätte
doch der Hebamme dringlichſt befohlen, ihn ſo gut als
möglich zu machen, ſie vermöchte ſich deſſen wahrhaftig
nicht, daß er ſo ſchlecht ſei, daß ihn Niemand trinken
möge, und an der Nidle ſollte es doch auch nicht feh¬
len, ſie hätte dieſelbe abgenommen, wie ſie es ſonſt nicht
alle Tage im Brauch hätte. Was ſollte die arme Gotte
anders machen, als noch ein Kacheli ſich einſchenken
laſſen?

Ungeduldig war ſchon lange die Hebamme herum¬
getrippelt und endlich bändigte ſie das Wort nicht län¬
ger, ſondern ſagte: Wenn ich dir etwas helfen kann,
ſo ſage es nur, ich habe wohl Zeit dazu. „He, preſſire
doch nicht“, ſagte die Frau. Die arme Gotte aber, die
rauchte wie ein Dampfkeſſel, verſtand den Wink, ver¬
ſorgte den heißen Kaffee ſo ſchnell als möglich, und
ſagte zwiſchen den Abſätzen, zu denen der glühende
Trank ſie zwang: „Ich wäre ſchon lange z’weg, wenn
ich nicht mehr hätte nehmen müſſen, als ich hinunter
bringen kann, aber ich komme jetzt.“ Sie ſtund auf,
packte die Säcklein aus, übergab Züpfe, Kleidung, Ein¬
band, ein blanker Neuthaler eingewickelt in den ſchön
gemahlten Taufſpruch, und machte manche Entſchuldi¬
gung, daß alles nicht beſſer ſei. Darein aber redete die
Hausmutter mit manchem Ausruf, wie das keine Art
und Gattung hätte, ſich ſo zu verköſtigen, wie man es
faſt nicht nehmen dürfte, und wenn man das gewußt
hätte, ſo hätte man ſie gar nicht anſprechen dürfen.

Nun ging auch das Mädchen an ſein Werk, ver¬
beiſtändet von der Hebamme und der Hausfrau, und
wendete das Möglichſte an, eine ſchöne Gotte zu ſein
von Schuh und Strümpfen an, bis hinauf zum Kränz¬
chen auf der koſtbaren Spitzenkappe. Die Sache ging

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Zitationshilfe: Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_sagen_1842/20>, abgerufen am 21.11.2024.