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Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842.

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es dann wieder vom Hause wegzuschenken; aber dort,
und mit dem Finger zeigte er nach einer Waldecke hin,
seien noch Respen, da könne es seinetwegen ein Bün¬
deli nehmen. Da goß die Freude dem armen Mar¬
grithli wieder etwas Wärme in seine kalten Beinchen
im dünnen Kitteli, und so schnell es ihm seine bösen
Schuhe erlaubten, eilte es dem Walde zu. Dort fand
es einen ganzen Haufen buchige Respen und das
Herz im Leibe lachte ihm; es ward aber bald wieder trau¬
rig, als es sah, wie wenig es davon wegzuschleifen
vermochte. Es nahm fast über seine Kräfte, es hoffte,
einmal auf dem Wege, wohl damit fortzukommen.
Aber auch da wollte es nicht rücken; es dünkte ihns,
es möge je länger, je weniger. Die Kälte schien ihm
immer tiefer in sein Leibchen zu dringen. Die Glieder
wurden ihm so schwer, der ganze Leib so matt und
über die Augen legte sich ein immer gewaltigeres Ge¬
wicht, das sie zudrücken wollte, und immer mehr wuchs
die Lust, ein Stücklein zu schlafen. Aber dann sah es
den kalten Vater daheim, fühlte das kalte Stübchen;
dann wurden ihm die Augen etwas leichter und einen
neuen Ruck that es an seinen Respen.

"Und vor ihm her auf dem Wege hüpften und
flatterten zwei gelbe Vögelein; sie warteten fast bis es
an ihnen an war, dann flogen sie nur einige Schritte
weiter und sahen ihns so freundlich an, als ob sie
sagen wollten: Komm nur, komm, wir kommen im¬
mer näher deinem armen Vater. Ach, dachte das arme
Kind, wenn ich doch nur Fecken hätte wie sie, daß ich
heim fliegen könnte, oder daß die Vögelein mich ver¬
stehen würden, dann wollte ich eines heimsenden, der
Mutter zu sagen, wo ihr Margrithli sei, und wie kalt
ihm sei und wie schwer die Augen.

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es dann wieder vom Hauſe wegzuſchenken; aber dort,
und mit dem Finger zeigte er nach einer Waldecke hin,
ſeien noch Reſpen, da könne es ſeinetwegen ein Bün¬
deli nehmen. Da goß die Freude dem armen Mar¬
grithli wieder etwas Wärme in ſeine kalten Beinchen
im dünnen Kitteli, und ſo ſchnell es ihm ſeine böſen
Schuhe erlaubten, eilte es dem Walde zu. Dort fand
es einen ganzen Haufen buchige Respen und das
Herz im Leibe lachte ihm; es ward aber bald wieder trau¬
rig, als es ſah, wie wenig es davon wegzuſchleifen
vermochte. Es nahm faſt über ſeine Kräfte, es hoffte,
einmal auf dem Wege, wohl damit fortzukommen.
Aber auch da wollte es nicht rücken; es dünkte ihns,
es möge je länger, je weniger. Die Kälte ſchien ihm
immer tiefer in ſein Leibchen zu dringen. Die Glieder
wurden ihm ſo ſchwer, der ganze Leib ſo matt und
über die Augen legte ſich ein immer gewaltigeres Ge¬
wicht, das ſie zudrücken wollte, und immer mehr wuchs
die Luſt, ein Stücklein zu ſchlafen. Aber dann ſah es
den kalten Vater daheim, fühlte das kalte Stübchen;
dann wurden ihm die Augen etwas leichter und einen
neuen Ruck that es an ſeinen Respen.

„Und vor ihm her auf dem Wege hüpften und
flatterten zwei gelbe Vögelein; ſie warteten faſt bis es
an ihnen an war, dann flogen ſie nur einige Schritte
weiter und ſahen ihns ſo freundlich an, als ob ſie
ſagen wollten: Komm nur, komm, wir kommen im¬
mer näher deinem armen Vater. Ach, dachte das arme
Kind, wenn ich doch nur Fecken hätte wie ſie, daß ich
heim fliegen könnte, oder daß die Vögelein mich ver¬
ſtehen würden, dann wollte ich eines heimſenden, der
Mutter zu ſagen, wo ihr Margrithli ſei, und wie kalt
ihm ſei und wie ſchwer die Augen.

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[145/0155] es dann wieder vom Hauſe wegzuſchenken; aber dort, und mit dem Finger zeigte er nach einer Waldecke hin, ſeien noch Reſpen, da könne es ſeinetwegen ein Bün¬ deli nehmen. Da goß die Freude dem armen Mar¬ grithli wieder etwas Wärme in ſeine kalten Beinchen im dünnen Kitteli, und ſo ſchnell es ihm ſeine böſen Schuhe erlaubten, eilte es dem Walde zu. Dort fand es einen ganzen Haufen buchige Respen und das Herz im Leibe lachte ihm; es ward aber bald wieder trau¬ rig, als es ſah, wie wenig es davon wegzuſchleifen vermochte. Es nahm faſt über ſeine Kräfte, es hoffte, einmal auf dem Wege, wohl damit fortzukommen. Aber auch da wollte es nicht rücken; es dünkte ihns, es möge je länger, je weniger. Die Kälte ſchien ihm immer tiefer in ſein Leibchen zu dringen. Die Glieder wurden ihm ſo ſchwer, der ganze Leib ſo matt und über die Augen legte ſich ein immer gewaltigeres Ge¬ wicht, das ſie zudrücken wollte, und immer mehr wuchs die Luſt, ein Stücklein zu ſchlafen. Aber dann ſah es den kalten Vater daheim, fühlte das kalte Stübchen; dann wurden ihm die Augen etwas leichter und einen neuen Ruck that es an ſeinen Respen. „Und vor ihm her auf dem Wege hüpften und flatterten zwei gelbe Vögelein; ſie warteten faſt bis es an ihnen an war, dann flogen ſie nur einige Schritte weiter und ſahen ihns ſo freundlich an, als ob ſie ſagen wollten: Komm nur, komm, wir kommen im¬ mer näher deinem armen Vater. Ach, dachte das arme Kind, wenn ich doch nur Fecken hätte wie ſie, daß ich heim fliegen könnte, oder daß die Vögelein mich ver¬ ſtehen würden, dann wollte ich eines heimſenden, der Mutter zu ſagen, wo ihr Margrithli ſei, und wie kalt ihm ſei und wie ſchwer die Augen. I. 10

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Zitationshilfe: Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_sagen_1842/155>, abgerufen am 25.11.2024.