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Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842.

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voll Aepfel und Birnen von den schönsten und nicht
bloß halbfaules Auflesobst. Und sie erhielten es un¬
gebettelt, denn betteln wollten sie nicht und die Eltern
hießen sie nicht. Aber wenn etwas zu verdienen war,
Nüßlikraut zusammenzulesen oder Rabünzli, Erdbeeren
oder Brombeeren, so waren sie auf den Beinen früh
und spät und freuten sich so kindlich und herzlich, wenn
sie dem armen Müetti einen Kreuzer Geld heimbringen
konnten, daß es konnte ein Stückli Brod kaufen oder
ein Schlückli Milch. Das älteste Kind hieß Margrithli
und war ein gar kluges und (anschlägiges) difiges
Mädchen. Es machte schon fast die ganze Haushaltung,
damit die Mutter ungestört am Spinnrad sitzen konnte;
und dem kleinsten Kind war es wie ein kleines Müetti,
so lieblich und gedultig ging es mit ihm um.

"Da gab es einmal einen gar grausam kalten Winter,
wo Stein und Bein Monate lang gefroren waren und die
Kälte in alle Häuser drang; ach, und in das Stübchen
der Armen drang sie gar grausam. Der Vater hatte mit
Miesch (Moos) die Wände vermacht, so gut er konnte,
aber das half nichts. Die Fenster waren schlecht und
fielen fast aus den faulen Einzeln heraus, die Thüre
schloß nicht und von allen Seiten war das Häuschen
dem Bysluft zweg. Auch das tüchtigste Heizen hätte
nicht lange gefruchtet; aber wie sollten sie tüchtig hei¬
zen in den grundschlechten Ofen, den neu zu bauen
schon des Bauern Vater Steine geführt hatte, die
dann aber der Sohn für etwas anderes brauchte?
Wie sollten sie tüchtig heizen, die armen Leute -- das
Holz war so theuer geworden, daß der Vater fast ei¬
nen Taglohn gebraucht hätte, um die Stube recht
warm zu machen, und dazu hatte er eben wegen der
Kälte wenig zu verdienen. Und eben weil das Holz

voll Aepfel und Birnen von den ſchönſten und nicht
bloß halbfaules Auflesobſt. Und ſie erhielten es un¬
gebettelt, denn betteln wollten ſie nicht und die Eltern
hießen ſie nicht. Aber wenn etwas zu verdienen war,
Nüßlikraut zuſammenzuleſen oder Rabünzli, Erdbeeren
oder Brombeeren, ſo waren ſie auf den Beinen früh
und ſpät und freuten ſich ſo kindlich und herzlich, wenn
ſie dem armen Müetti einen Kreuzer Geld heimbringen
konnten, daß es konnte ein Stückli Brod kaufen oder
ein Schlückli Milch. Das älteſte Kind hieß Margrithli
und war ein gar kluges und (anſchlägiges) difiges
Mädchen. Es machte ſchon faſt die ganze Haushaltung,
damit die Mutter ungeſtört am Spinnrad ſitzen konnte;
und dem kleinſten Kind war es wie ein kleines Müetti,
ſo lieblich und gedultig ging es mit ihm um.

„Da gab es einmal einen gar grauſam kalten Winter,
wo Stein und Bein Monate lang gefroren waren und die
Kälte in alle Häuſer drang; ach, und in das Stübchen
der Armen drang ſie gar grauſam. Der Vater hatte mit
Mieſch (Moos) die Wände vermacht, ſo gut er konnte,
aber das half nichts. Die Fenſter waren ſchlecht und
fielen faſt aus den faulen Einzeln heraus, die Thüre
ſchloß nicht und von allen Seiten war das Häuschen
dem Bysluft zweg. Auch das tüchtigſte Heizen hätte
nicht lange gefruchtet; aber wie ſollten ſie tüchtig hei¬
zen in den grundſchlechten Ofen, den neu zu bauen
ſchon des Bauern Vater Steine geführt hatte, die
dann aber der Sohn für etwas anderes brauchte?
Wie ſollten ſie tüchtig heizen, die armen Leute — das
Holz war ſo theuer geworden, daß der Vater faſt ei¬
nen Taglohn gebraucht hätte, um die Stube recht
warm zu machen, und dazu hatte er eben wegen der
Kälte wenig zu verdienen. Und eben weil das Holz

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[140/0150] voll Aepfel und Birnen von den ſchönſten und nicht bloß halbfaules Auflesobſt. Und ſie erhielten es un¬ gebettelt, denn betteln wollten ſie nicht und die Eltern hießen ſie nicht. Aber wenn etwas zu verdienen war, Nüßlikraut zuſammenzuleſen oder Rabünzli, Erdbeeren oder Brombeeren, ſo waren ſie auf den Beinen früh und ſpät und freuten ſich ſo kindlich und herzlich, wenn ſie dem armen Müetti einen Kreuzer Geld heimbringen konnten, daß es konnte ein Stückli Brod kaufen oder ein Schlückli Milch. Das älteſte Kind hieß Margrithli und war ein gar kluges und (anſchlägiges) difiges Mädchen. Es machte ſchon faſt die ganze Haushaltung, damit die Mutter ungeſtört am Spinnrad ſitzen konnte; und dem kleinſten Kind war es wie ein kleines Müetti, ſo lieblich und gedultig ging es mit ihm um. „Da gab es einmal einen gar grauſam kalten Winter, wo Stein und Bein Monate lang gefroren waren und die Kälte in alle Häuſer drang; ach, und in das Stübchen der Armen drang ſie gar grauſam. Der Vater hatte mit Mieſch (Moos) die Wände vermacht, ſo gut er konnte, aber das half nichts. Die Fenſter waren ſchlecht und fielen faſt aus den faulen Einzeln heraus, die Thüre ſchloß nicht und von allen Seiten war das Häuschen dem Bysluft zweg. Auch das tüchtigſte Heizen hätte nicht lange gefruchtet; aber wie ſollten ſie tüchtig hei¬ zen in den grundſchlechten Ofen, den neu zu bauen ſchon des Bauern Vater Steine geführt hatte, die dann aber der Sohn für etwas anderes brauchte? Wie ſollten ſie tüchtig heizen, die armen Leute — das Holz war ſo theuer geworden, daß der Vater faſt ei¬ nen Taglohn gebraucht hätte, um die Stube recht warm zu machen, und dazu hatte er eben wegen der Kälte wenig zu verdienen. Und eben weil das Holz

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Zitationshilfe: Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_sagen_1842/150>, abgerufen am 22.11.2024.