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Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842.

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flatterten sie emsig herbei, vergaßen ihre kalten Füßchen,
die sie vorhin durch herabhängendes Gefieder zu erwär¬
men gesucht hatten. Die Kinder freuten sich gar sehr,
daß auch das gelbe Vögelein (ein Gilberich, Goldammer)
wieder kommen werde, damit sie es recht beschauen
könnten. Aber das kam nicht und immer nicht; die
Kinder weinten fast vor Betrübniß. Sie wollten ab¬
solut von dem Großmütti wissen, warum gerade dieses
Vögelchen nicht wiederkomme, ob es nicht auch hungrig
gewesen, und wo es wohl möge hingeflogen sein? Das
Großmütti, lange gedrängt von diesen Fragen, sagte
endlich, es wolle ihnen erzählen, wer das Vögelchen
eigentlich gewesen sei, warum es gekommen und wohin
es geflogen, aber sie müßten hübsch stille sein und auf¬
merksam. Als die Kinder das mit großer Freude ver¬
sprachen, nahm die Großmutter noch eine Prise, fuhr
mit verkehrter Hand unter der Nase durch und begann
folgende Geschichte.

"Der liebe Gott hat gar viele tausend Engelein,
und alle braucht er zu Lieb und Nutz der Menschen.
Dieser Engelein hat er gar vieler Gattig, und manch¬
mal sieht so ein Engelein aus wie ein Mensch und
manchmal wie ein Vögelein. So sind diese gelben Vö¬
gelein auch Engelein Gottes, und die sendet er im
Winter her zu Lieb und Nutz den armen Leuten. Und
da war einmal ein Mann, der hatte Frau und Kin¬
der; es waren gar arme Leute, sie hatten nichts, als
was sie verdienten, und gar manchmal hatten sie nichts
zu verdienen. Wenn es recht kalt war oder stark reg¬
nete, so schickte der Bauer, bei dem der Vater taunete,
ihn nach Hause, dann machte er keinen Lohn und mußte
daheim essen. Und der arme Vater mußte so viel an¬
schaffen, Kleider für die Kinder, Essen für alle, den

flatterten ſie emſig herbei, vergaßen ihre kalten Füßchen,
die ſie vorhin durch herabhängendes Gefieder zu erwär¬
men geſucht hatten. Die Kinder freuten ſich gar ſehr,
daß auch das gelbe Vögelein (ein Gilberich, Goldammer)
wieder kommen werde, damit ſie es recht beſchauen
könnten. Aber das kam nicht und immer nicht; die
Kinder weinten faſt vor Betrübniß. Sie wollten ab¬
ſolut von dem Großmütti wiſſen, warum gerade dieſes
Vögelchen nicht wiederkomme, ob es nicht auch hungrig
geweſen, und wo es wohl möge hingeflogen ſein? Das
Großmütti, lange gedrängt von dieſen Fragen, ſagte
endlich, es wolle ihnen erzählen, wer das Vögelchen
eigentlich geweſen ſei, warum es gekommen und wohin
es geflogen, aber ſie müßten hübſch ſtille ſein und auf¬
merkſam. Als die Kinder das mit großer Freude ver¬
ſprachen, nahm die Großmutter noch eine Priſe, fuhr
mit verkehrter Hand unter der Naſe durch und begann
folgende Geſchichte.

„Der liebe Gott hat gar viele tauſend Engelein,
und alle braucht er zu Lieb und Nutz der Menſchen.
Dieſer Engelein hat er gar vieler Gattig, und manch¬
mal ſieht ſo ein Engelein aus wie ein Menſch und
manchmal wie ein Vögelein. So ſind dieſe gelben Vö¬
gelein auch Engelein Gottes, und die ſendet er im
Winter her zu Lieb und Nutz den armen Leuten. Und
da war einmal ein Mann, der hatte Frau und Kin¬
der; es waren gar arme Leute, ſie hatten nichts, als
was ſie verdienten, und gar manchmal hatten ſie nichts
zu verdienen. Wenn es recht kalt war oder ſtark reg¬
nete, ſo ſchickte der Bauer, bei dem der Vater taunete,
ihn nach Hauſe, dann machte er keinen Lohn und mußte
daheim eſſen. Und der arme Vater mußte ſo viel an¬
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[138/0148] flatterten ſie emſig herbei, vergaßen ihre kalten Füßchen, die ſie vorhin durch herabhängendes Gefieder zu erwär¬ men geſucht hatten. Die Kinder freuten ſich gar ſehr, daß auch das gelbe Vögelein (ein Gilberich, Goldammer) wieder kommen werde, damit ſie es recht beſchauen könnten. Aber das kam nicht und immer nicht; die Kinder weinten faſt vor Betrübniß. Sie wollten ab¬ ſolut von dem Großmütti wiſſen, warum gerade dieſes Vögelchen nicht wiederkomme, ob es nicht auch hungrig geweſen, und wo es wohl möge hingeflogen ſein? Das Großmütti, lange gedrängt von dieſen Fragen, ſagte endlich, es wolle ihnen erzählen, wer das Vögelchen eigentlich geweſen ſei, warum es gekommen und wohin es geflogen, aber ſie müßten hübſch ſtille ſein und auf¬ merkſam. Als die Kinder das mit großer Freude ver¬ ſprachen, nahm die Großmutter noch eine Priſe, fuhr mit verkehrter Hand unter der Naſe durch und begann folgende Geſchichte. „Der liebe Gott hat gar viele tauſend Engelein, und alle braucht er zu Lieb und Nutz der Menſchen. Dieſer Engelein hat er gar vieler Gattig, und manch¬ mal ſieht ſo ein Engelein aus wie ein Menſch und manchmal wie ein Vögelein. So ſind dieſe gelben Vö¬ gelein auch Engelein Gottes, und die ſendet er im Winter her zu Lieb und Nutz den armen Leuten. Und da war einmal ein Mann, der hatte Frau und Kin¬ der; es waren gar arme Leute, ſie hatten nichts, als was ſie verdienten, und gar manchmal hatten ſie nichts zu verdienen. Wenn es recht kalt war oder ſtark reg¬ nete, ſo ſchickte der Bauer, bei dem der Vater taunete, ihn nach Hauſe, dann machte er keinen Lohn und mußte daheim eſſen. Und der arme Vater mußte ſo viel an¬ ſchaffen, Kleider für die Kinder, Eſſen für alle, den

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Zitationshilfe: Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_sagen_1842/148>, abgerufen am 24.11.2024.