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Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842.

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hätte die Emme eine Bäuerin sammt Roß und Wagen fort¬
genommen, diese unter der Brücke durchgefahren, das Roß
eingespannt lebendig voraus, die Bäuerin bolzgrade, mun¬
ter und fett hinten auf dem Sitze, das Leitseil in der
einen Hand, in der andern aber ein rothes Nastuch,
mit welchem sie sich die Augen getrocknet, und als sie
gegen die Brücke gekommen, hätte sie zu den Leuten
auf derselben gesagt: Guten Abend geb ech Gott!
Ja man erzählte: Auf einem ganz aufrechtstehenden
Kirschbaum sei einer dahergeschwommen, und derselbe
habe in seiner Seelenangst immer zugekirset. Als er
gegen die Brücke gekommen, habe er seinen Kraten,
welcher voll gewesen, den Leuten daselbst entgegenge¬
streckt und gesagt: Nät, wenn d'r mögigt!

Es ist eine merkwürdige Sache, wie bei großen Un¬
glücksfällen an Ort und Stelle, und noch während das
Unglück waltet, Dinge erzählt werden, ob denen die
Haare Einem zu Berge stehen; sie sind lauter Lug und
Trug, werden geglaubt wie das Evangelium von Mann
zu Mann, und wie sie entstanden, und von wem sie
gekommen, wird nie ergründet.

Aber selten auch wird ein bedeutendes Unglück sich
ereignen, welches nicht durch besondere Zeichen ange¬
kündigt worden sein soll.

Als die Menschen bei ihrem Schoppen saßen, die
erzählten Unglücksfälle sattsam verhandelt hatten, die
Nacht mit ihren geheimnißvollen Schauern näher ihrer
Mitte rückte, sagte Einer: Die furchtbare Wassernoth
hätte ihm jüngst Einer vorausgesagt, er habe sich
aber leider seiner Worte nicht geachtet. Es sei ein Holz¬
händler gewesen, der ihm erzählt habe, wie er vor
wenig Tagen Wälder hinter Röthenbach besichtigt und
dort Kröten oder Frösche auf Tanngrotzen angetroffen

hätte die Emme eine Bäuerin ſammt Roß und Wagen fort¬
genommen, dieſe unter der Brücke durchgefahren, das Roß
eingeſpannt lebendig voraus, die Bäuerin bolzgrade, mun¬
ter und fett hinten auf dem Sitze, das Leitſeil in der
einen Hand, in der andern aber ein rothes Nastuch,
mit welchem ſie ſich die Augen getrocknet, und als ſie
gegen die Brücke gekommen, hätte ſie zu den Leuten
auf derſelben geſagt: Guten Abend geb ech Gott!
Ja man erzählte: Auf einem ganz aufrechtſtehenden
Kirſchbaum ſei einer dahergeſchwommen, und derſelbe
habe in ſeiner Seelenangſt immer zugekirſet. Als er
gegen die Brücke gekommen, habe er ſeinen Kraten,
welcher voll geweſen, den Leuten daſelbſt entgegenge¬
ſtreckt und geſagt: Nät, wenn d’r mögigt!

Es iſt eine merkwürdige Sache, wie bei großen Un¬
glücksfällen an Ort und Stelle, und noch während das
Unglück waltet, Dinge erzählt werden, ob denen die
Haare Einem zu Berge ſtehen; ſie ſind lauter Lug und
Trug, werden geglaubt wie das Evangelium von Mann
zu Mann, und wie ſie entſtanden, und von wem ſie
gekommen, wird nie ergründet.

Aber ſelten auch wird ein bedeutendes Unglück ſich
ereignen, welches nicht durch beſondere Zeichen ange¬
kündigt worden ſein ſoll.

Als die Menſchen bei ihrem Schoppen ſaßen, die
erzählten Unglücksfälle ſattſam verhandelt hatten, die
Nacht mit ihren geheimnißvollen Schauern näher ihrer
Mitte rückte, ſagte Einer: Die furchtbare Waſſernoth
hätte ihm jüngſt Einer vorausgeſagt, er habe ſich
aber leider ſeiner Worte nicht geachtet. Es ſei ein Holz¬
händler geweſen, der ihm erzählt habe, wie er vor
wenig Tagen Wälder hinter Röthenbach beſichtigt und
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[122/0132] hätte die Emme eine Bäuerin ſammt Roß und Wagen fort¬ genommen, dieſe unter der Brücke durchgefahren, das Roß eingeſpannt lebendig voraus, die Bäuerin bolzgrade, mun¬ ter und fett hinten auf dem Sitze, das Leitſeil in der einen Hand, in der andern aber ein rothes Nastuch, mit welchem ſie ſich die Augen getrocknet, und als ſie gegen die Brücke gekommen, hätte ſie zu den Leuten auf derſelben geſagt: Guten Abend geb ech Gott! Ja man erzählte: Auf einem ganz aufrechtſtehenden Kirſchbaum ſei einer dahergeſchwommen, und derſelbe habe in ſeiner Seelenangſt immer zugekirſet. Als er gegen die Brücke gekommen, habe er ſeinen Kraten, welcher voll geweſen, den Leuten daſelbſt entgegenge¬ ſtreckt und geſagt: Nät, wenn d’r mögigt! Es iſt eine merkwürdige Sache, wie bei großen Un¬ glücksfällen an Ort und Stelle, und noch während das Unglück waltet, Dinge erzählt werden, ob denen die Haare Einem zu Berge ſtehen; ſie ſind lauter Lug und Trug, werden geglaubt wie das Evangelium von Mann zu Mann, und wie ſie entſtanden, und von wem ſie gekommen, wird nie ergründet. Aber ſelten auch wird ein bedeutendes Unglück ſich ereignen, welches nicht durch beſondere Zeichen ange¬ kündigt worden ſein ſoll. Als die Menſchen bei ihrem Schoppen ſaßen, die erzählten Unglücksfälle ſattſam verhandelt hatten, die Nacht mit ihren geheimnißvollen Schauern näher ihrer Mitte rückte, ſagte Einer: Die furchtbare Waſſernoth hätte ihm jüngſt Einer vorausgeſagt, er habe ſich aber leider ſeiner Worte nicht geachtet. Es ſei ein Holz¬ händler geweſen, der ihm erzählt habe, wie er vor wenig Tagen Wälder hinter Röthenbach beſichtigt und dort Kröten oder Fröſche auf Tanngrotzen angetroffen

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Zitationshilfe: Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_sagen_1842/132>, abgerufen am 24.11.2024.