Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842.waltigen Wassergüssen. Den 12. August wurden die So wild und zügellos war die Emme lange nicht Bleich erhob sich Tags darauf, Sonntag den 13ten Still verfloß im unteren Lande der Sonntag; Be¬ waltigen Waſſergüſſen. Den 12. Auguſt wurden die So wild und zügellos war die Emme lange nicht Bleich erhob ſich Tags darauf, Sonntag den 13ten Still verfloß im unteren Lande der Sonntag; Be¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0127" n="117"/> waltigen Waſſergüſſen. Den 12. Auguſt wurden die<lb/> Truber, die Schangnauer, die Marbacher und Eſcholz¬<lb/> matter tüchtig eingeſchwemmt; die Röthenbacher mein¬<lb/> ten argen Schreck erlebt zu haben, Menſchenleben gingen<lb/> verloren, viel Land wurde verwüſtet. Die zwei wilden<lb/> Schweſtern, von verſchiedenen Müttern geboren, die<lb/> zornmüthige Emme, die freche Ilfis ſtürzten brüllend,<lb/> aufbegehrend, in raſender Umarmung das Land hinab,<lb/> entſetzten Brücken und Menſchen, und überall ward es<lb/> ihnen zu enge im weiten Bette. Am allgewaltigen<lb/> Strome ſtand bebend der Menſch. Er fühlte die Grän¬<lb/> zen ſeiner Macht, fühlte, daß nicht er es ſei, der die<lb/> Waſſerſtröme brauſen laſſe über die Erde und ſie wieder<lb/> zügle mit kühner mächtiger Hand.</p><lb/> <p>So wild und zügellos war die Emme lange nicht<lb/> geſehen worden, unzählbare Tannen, borſtigen Schup¬<lb/> pen gleich, bedeckten ihren grauen Rücken, der Menſch<lb/> erwartete Entſetzliches, aber die Hand, die ſie losge¬<lb/> laſſen, zügelte ſie wieder, die Gefahr entfloh, in ſein<lb/> Bette gebunden ward der ohnmächtig gewordene Strom.</p><lb/> <p>Bleich erhob ſich Tags darauf, Sonntag den 13ten<lb/> Auguſt, die Sonne über ihrem lieben Ländchen. Der<lb/> Menſch glaubte, der Schreck von geſtern, als ſie ſo<lb/> ſchnell vom wilden Wolkenheer überzogen ward, weile<lb/> noch auf ihren Wangen; der arme Menſch wußte nicht,<lb/> daß das Grauen vor dem, deſſen Zeuge ſie ſein ſollte<lb/> an ſelbigem Tage, auf der lieben Sonne Antlitz war.</p><lb/> <p>Still verfloß im unteren Lande der Sonntag; Be¬<lb/> ſonderes ahnete kein Menſch, aber vom geſtrigen Schreck<lb/> redete man, welchen die bereits verlaufene Emme ver¬<lb/> urſacht. Gegen drei Uhr Nachmittags ſah man wohl<lb/> einen ſchwarzen Wolkenrand über die obern Berge ſich<lb/> erheben, im Rande ſah man Blitze und Regen; ein<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [117/0127]
waltigen Waſſergüſſen. Den 12. Auguſt wurden die
Truber, die Schangnauer, die Marbacher und Eſcholz¬
matter tüchtig eingeſchwemmt; die Röthenbacher mein¬
ten argen Schreck erlebt zu haben, Menſchenleben gingen
verloren, viel Land wurde verwüſtet. Die zwei wilden
Schweſtern, von verſchiedenen Müttern geboren, die
zornmüthige Emme, die freche Ilfis ſtürzten brüllend,
aufbegehrend, in raſender Umarmung das Land hinab,
entſetzten Brücken und Menſchen, und überall ward es
ihnen zu enge im weiten Bette. Am allgewaltigen
Strome ſtand bebend der Menſch. Er fühlte die Grän¬
zen ſeiner Macht, fühlte, daß nicht er es ſei, der die
Waſſerſtröme brauſen laſſe über die Erde und ſie wieder
zügle mit kühner mächtiger Hand.
So wild und zügellos war die Emme lange nicht
geſehen worden, unzählbare Tannen, borſtigen Schup¬
pen gleich, bedeckten ihren grauen Rücken, der Menſch
erwartete Entſetzliches, aber die Hand, die ſie losge¬
laſſen, zügelte ſie wieder, die Gefahr entfloh, in ſein
Bette gebunden ward der ohnmächtig gewordene Strom.
Bleich erhob ſich Tags darauf, Sonntag den 13ten
Auguſt, die Sonne über ihrem lieben Ländchen. Der
Menſch glaubte, der Schreck von geſtern, als ſie ſo
ſchnell vom wilden Wolkenheer überzogen ward, weile
noch auf ihren Wangen; der arme Menſch wußte nicht,
daß das Grauen vor dem, deſſen Zeuge ſie ſein ſollte
an ſelbigem Tage, auf der lieben Sonne Antlitz war.
Still verfloß im unteren Lande der Sonntag; Be¬
ſonderes ahnete kein Menſch, aber vom geſtrigen Schreck
redete man, welchen die bereits verlaufene Emme ver¬
urſacht. Gegen drei Uhr Nachmittags ſah man wohl
einen ſchwarzen Wolkenrand über die obern Berge ſich
erheben, im Rande ſah man Blitze und Regen; ein
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Zitationshilfe: | Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_sagen_1842/127>, abgerufen am 16.02.2025. |