Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842.Messer gegen den Zapfen kaum viel abzubringen war, Meſſer gegen den Zapfen kaum viel abzubringen war, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0109" n="99"/> Meſſer gegen den Zapfen kaum viel abzubringen war,<lb/> ſo griff er in halber Raſerei nach einem Bohrer, ver¬<lb/> maß ſich aufs ſchrecklichſte, ſie ſollten es erfahren, was<lb/> er könne, büßen ihr Lachen, daß ihnen die Haare zu<lb/> Berge ſtünden, und drehte mit wildem Stoße den Boh¬<lb/> rer in den Zapfen hinein. Laut aufſchreiend ſtürzten<lb/> Alle auf ihn zu; aber ehe Jemand es hindern konnte,<lb/> lachte er wie der Teufel ſelbſt, that einen kräftigen<lb/> Ruck am Bohrer. Da bebte von ungeheurem Donner¬<lb/> ſchlag das ganze Haus, der Miſſethäter ſtürzte rück¬<lb/> lings nieder; ein rother Gluthſtrom brach aus dem Loche<lb/> hervor, und mittendrin ſaß groß und ſchwarz aufge¬<lb/> ſchwollen im Gifte von Jahrhunderten die Spinne und<lb/> glotzte in giftiger Luſt über die Frevler hin, die ver¬<lb/> ſteinert in tödtlicher Angſt kein Glied bewegen konnten,<lb/> dem ſchrecklichen Unthiere zu entrinnen, das langſam<lb/> und ſchadenfroh ihnen über die Geſichter kroch, ihnen<lb/> einimpfte den feurigen Tod. Da erbebte das Haus von<lb/> ſchrecklichem Wehgeheul, wie hundert Wölfe es nicht<lb/> auszuſtoßen vermögen, wenn der Hunger ſie peinigt.<lb/> Und bald erſcholl ein ähnliches Wehgeſchrei aus dem<lb/> neuen Hauſe, und Chriſten, der eben den Berg herauf¬<lb/> kam von der heiligen Meſſe, meinte, es ſeien Räuber<lb/> eingebrochen, und ſeinem ſtarken Arme trauend, ſtürzte<lb/> er den Seinen zu Hülfe. Er fand keine Räuber, aber<lb/> den Tod; mit dieſem rangen Weib und Mutter und<lb/> hatten ſchon keine Stimme mehr in den hochaufgelaufe¬<lb/> nen ſchwarzen Geſichtern; ruhig ſchlummerten ſeine Kin¬<lb/> der und geſund und roth waren ihre muntern Geſichter.<lb/> Es ſtieg in Chriſten die ſchreckliche Ahnung deſſen auf, was<lb/> geſchehen war; er ſtürzte ins untere Haus, dort ſah<lb/> er die Dienſten alle verendet, die Stube zur Todten¬<lb/> kammer geworden, geöffnet das ſchauerliche Loch im<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [99/0109]
Meſſer gegen den Zapfen kaum viel abzubringen war,
ſo griff er in halber Raſerei nach einem Bohrer, ver¬
maß ſich aufs ſchrecklichſte, ſie ſollten es erfahren, was
er könne, büßen ihr Lachen, daß ihnen die Haare zu
Berge ſtünden, und drehte mit wildem Stoße den Boh¬
rer in den Zapfen hinein. Laut aufſchreiend ſtürzten
Alle auf ihn zu; aber ehe Jemand es hindern konnte,
lachte er wie der Teufel ſelbſt, that einen kräftigen
Ruck am Bohrer. Da bebte von ungeheurem Donner¬
ſchlag das ganze Haus, der Miſſethäter ſtürzte rück¬
lings nieder; ein rother Gluthſtrom brach aus dem Loche
hervor, und mittendrin ſaß groß und ſchwarz aufge¬
ſchwollen im Gifte von Jahrhunderten die Spinne und
glotzte in giftiger Luſt über die Frevler hin, die ver¬
ſteinert in tödtlicher Angſt kein Glied bewegen konnten,
dem ſchrecklichen Unthiere zu entrinnen, das langſam
und ſchadenfroh ihnen über die Geſichter kroch, ihnen
einimpfte den feurigen Tod. Da erbebte das Haus von
ſchrecklichem Wehgeheul, wie hundert Wölfe es nicht
auszuſtoßen vermögen, wenn der Hunger ſie peinigt.
Und bald erſcholl ein ähnliches Wehgeſchrei aus dem
neuen Hauſe, und Chriſten, der eben den Berg herauf¬
kam von der heiligen Meſſe, meinte, es ſeien Räuber
eingebrochen, und ſeinem ſtarken Arme trauend, ſtürzte
er den Seinen zu Hülfe. Er fand keine Räuber, aber
den Tod; mit dieſem rangen Weib und Mutter und
hatten ſchon keine Stimme mehr in den hochaufgelaufe¬
nen ſchwarzen Geſichtern; ruhig ſchlummerten ſeine Kin¬
der und geſund und roth waren ihre muntern Geſichter.
Es ſtieg in Chriſten die ſchreckliche Ahnung deſſen auf, was
geſchehen war; er ſtürzte ins untere Haus, dort ſah
er die Dienſten alle verendet, die Stube zur Todten¬
kammer geworden, geöffnet das ſchauerliche Loch im
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