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Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Der Notar in der Falle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–43. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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war keine Bürgerin des Städtchens, sondern eine sogenannte Hintersässin, hatte also keine Bürgernutzung, weder Holz aus dem Wald, noch eine Pflanzstelle auf der Allmend, was begreiflich ihr Ansehen auch nicht vermehrte. Sie lebte bei einer Tante, der Frau Spendvögtin; diese hatte Holz, Platz zum Kohl, ein eigen Gärtchen, sonst wenig Vermögen, aber Viele, welche darauf warteten. Von Luisens Vermögen war nichts bekannt, man nahm also an, sie hätte keins; wenn sie welches hätte, würde sie es schon sagen. Der Schluß ist ziemlich bündig und wurde noch bestätigt durch Luisens sehr einfache Kleidung und das Versäumen, zu gehöriger Zeit ändern zu lassen, was nicht mehr in Mode war. So z. B. trug sie noch wenigstens drei Monate lang weite Ärmel, als kein einziger im ganzen Städtchen zu finden war, so daß die Mägde bei dem Brunnen aufmerksam wurden und die arme Luise zur Zielscheibe ihres Witzes machten.

Die Tante war eine rechte Bürgerin, kümmerte sich wenig um Luise, war aber sehr stolz auf ihren Mann selig, den Spendvogt. Wenn die andern Frauen, die Allmend-, Spital- und Seivögtinnen ihre Kindbetten erzählten, so gab sie zum Besten, wie ihr Mann Spendvogt geworden und sie Spendvögtin.

Luise hatte viele Freundinnen, sie war keiner im Wege, und wenn eine was anzuvertrauen hatte, so ward Luise die Vertraute. Sie mißbrauchte das Vertrauen nie, machte keinen Geliebten abspenstig, entweder aus bloßer Bosheit oder weil sie ihn selbst fangen wollte. Eine solche Freundin ist unbezahlbar, sie sind aber auch selten. Daran gedachte aber keine, welche bittere Qualen die arme Luise erlitt, wenn wieder und wieder eine Freundin kam und ihr das Glück der Liebe verkündete, zu ihr sprach: O Gute, ich habe gefunden! -- Jedes Kind weiß, wie es der Eva ging, als sie die Schlange in den Apfel beißen sah, daß es sie nicht leben ließ, bis sie ebenfalls hineingebissen; jedes Kind erfährt, wie es ihm im Munde so wunderlich wird, wenn es Andere was

war keine Bürgerin des Städtchens, sondern eine sogenannte Hintersässin, hatte also keine Bürgernutzung, weder Holz aus dem Wald, noch eine Pflanzstelle auf der Allmend, was begreiflich ihr Ansehen auch nicht vermehrte. Sie lebte bei einer Tante, der Frau Spendvögtin; diese hatte Holz, Platz zum Kohl, ein eigen Gärtchen, sonst wenig Vermögen, aber Viele, welche darauf warteten. Von Luisens Vermögen war nichts bekannt, man nahm also an, sie hätte keins; wenn sie welches hätte, würde sie es schon sagen. Der Schluß ist ziemlich bündig und wurde noch bestätigt durch Luisens sehr einfache Kleidung und das Versäumen, zu gehöriger Zeit ändern zu lassen, was nicht mehr in Mode war. So z. B. trug sie noch wenigstens drei Monate lang weite Ärmel, als kein einziger im ganzen Städtchen zu finden war, so daß die Mägde bei dem Brunnen aufmerksam wurden und die arme Luise zur Zielscheibe ihres Witzes machten.

Die Tante war eine rechte Bürgerin, kümmerte sich wenig um Luise, war aber sehr stolz auf ihren Mann selig, den Spendvogt. Wenn die andern Frauen, die Allmend-, Spital- und Seivögtinnen ihre Kindbetten erzählten, so gab sie zum Besten, wie ihr Mann Spendvogt geworden und sie Spendvögtin.

Luise hatte viele Freundinnen, sie war keiner im Wege, und wenn eine was anzuvertrauen hatte, so ward Luise die Vertraute. Sie mißbrauchte das Vertrauen nie, machte keinen Geliebten abspenstig, entweder aus bloßer Bosheit oder weil sie ihn selbst fangen wollte. Eine solche Freundin ist unbezahlbar, sie sind aber auch selten. Daran gedachte aber keine, welche bittere Qualen die arme Luise erlitt, wenn wieder und wieder eine Freundin kam und ihr das Glück der Liebe verkündete, zu ihr sprach: O Gute, ich habe gefunden! — Jedes Kind weiß, wie es der Eva ging, als sie die Schlange in den Apfel beißen sah, daß es sie nicht leben ließ, bis sie ebenfalls hineingebissen; jedes Kind erfährt, wie es ihm im Munde so wunderlich wird, wenn es Andere was

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T09:45:11Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T09:45:11Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: nein; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Der Notar in der Falle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–43. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_notar_1910/11>, abgerufen am 27.11.2024.