Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Kurt von Koppigen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–194. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.übrigens sei versuchen erlaubt, wenn die Herren da wären, sie schlügen selbst eins der Fässer auf; man könne es ja auch machen, wie die Fuhrleute, mit Wasser wieder zufüllen, so merke ja Niemand etwas. Ist man einmal mit dem Rathe so weit, so ist die Ausführung auch nicht mehr fern; man bohrte vorsichtig an, und vorsichtig ließ man anfangs nur wenig heraus, damit der Abgang oder das Wasser im Weine nicht gemerkt werde. So wie man bohrte, war Alles nach Trinkgeschirren davon gestoben, und jetzt stob Alles heran wie Tauben auf einen Hanfacker, den soeben der Säemann verlassen. Das Gedränge um die Wagen wurde groß, Jeder wollte seinen Theil, und hatte er ihn, so wollte er noch einen. Die Weiber zeichneten sich durch gewaltiges Schlucken aus; hatte ein Weib einmal ein Geschirr am Maul, so war es, als ob sie zusammenwüchsen, und von einander brachte sie keine irdische Macht mehr, so lange ein Tropfen von einem ins andere rann. Ein Loch in einem Faß genügte nicht mehr, ein zweites entstand, man wußte nicht wie, und befriedigte noch lange nicht das immer wachsende Bedürfniß der immer größer werdenden Familie Durstig. Die Unmöglichkeit, die Sache zu vertuschen, ward immer klarer, ward auch begriffen und rasch der Entschluß gefaßt, den sämmtlichen Wein sich zuzueignen, Wagen und Fässer bei Seite zu bringen, und dann zu sagen, der wilde Barthli sei gekommen und hätte sie geholt. Um die Lüge glaubwürdiger zu übrigens sei versuchen erlaubt, wenn die Herren da wären, sie schlügen selbst eins der Fässer auf; man könne es ja auch machen, wie die Fuhrleute, mit Wasser wieder zufüllen, so merke ja Niemand etwas. Ist man einmal mit dem Rathe so weit, so ist die Ausführung auch nicht mehr fern; man bohrte vorsichtig an, und vorsichtig ließ man anfangs nur wenig heraus, damit der Abgang oder das Wasser im Weine nicht gemerkt werde. So wie man bohrte, war Alles nach Trinkgeschirren davon gestoben, und jetzt stob Alles heran wie Tauben auf einen Hanfacker, den soeben der Säemann verlassen. Das Gedränge um die Wagen wurde groß, Jeder wollte seinen Theil, und hatte er ihn, so wollte er noch einen. Die Weiber zeichneten sich durch gewaltiges Schlucken aus; hatte ein Weib einmal ein Geschirr am Maul, so war es, als ob sie zusammenwüchsen, und von einander brachte sie keine irdische Macht mehr, so lange ein Tropfen von einem ins andere rann. Ein Loch in einem Faß genügte nicht mehr, ein zweites entstand, man wußte nicht wie, und befriedigte noch lange nicht das immer wachsende Bedürfniß der immer größer werdenden Familie Durstig. Die Unmöglichkeit, die Sache zu vertuschen, ward immer klarer, ward auch begriffen und rasch der Entschluß gefaßt, den sämmtlichen Wein sich zuzueignen, Wagen und Fässer bei Seite zu bringen, und dann zu sagen, der wilde Barthli sei gekommen und hätte sie geholt. Um die Lüge glaubwürdiger zu <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="0"> <p><pb facs="#f0072"/> übrigens sei versuchen erlaubt, wenn die Herren da wären, sie schlügen selbst eins der Fässer auf; man könne es ja auch machen, wie die Fuhrleute, mit Wasser wieder zufüllen, so merke ja Niemand etwas. Ist man einmal mit dem Rathe so weit, so ist die Ausführung auch nicht mehr fern; man bohrte vorsichtig an, und vorsichtig ließ man anfangs nur wenig heraus, damit der Abgang oder das Wasser im Weine nicht gemerkt werde. So wie man bohrte, war Alles nach Trinkgeschirren davon gestoben, und jetzt stob Alles heran wie Tauben auf einen Hanfacker, den soeben der Säemann verlassen. Das Gedränge um die Wagen wurde groß, Jeder wollte seinen Theil, und hatte er ihn, so wollte er noch einen. Die Weiber zeichneten sich durch gewaltiges Schlucken aus; hatte ein Weib einmal ein Geschirr am Maul, so war es, als ob sie zusammenwüchsen, und von einander brachte sie keine irdische Macht mehr, so lange ein Tropfen von einem ins andere rann. Ein Loch in einem Faß genügte nicht mehr, ein zweites entstand, man wußte nicht wie, und befriedigte noch lange nicht das immer wachsende Bedürfniß der immer größer werdenden Familie Durstig. Die Unmöglichkeit, die Sache zu vertuschen, ward immer klarer, ward auch begriffen und rasch der Entschluß gefaßt, den sämmtlichen Wein sich zuzueignen, Wagen und Fässer bei Seite zu bringen, und dann zu sagen, der wilde Barthli sei gekommen und hätte sie geholt. Um die Lüge glaubwürdiger zu<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0072]
übrigens sei versuchen erlaubt, wenn die Herren da wären, sie schlügen selbst eins der Fässer auf; man könne es ja auch machen, wie die Fuhrleute, mit Wasser wieder zufüllen, so merke ja Niemand etwas. Ist man einmal mit dem Rathe so weit, so ist die Ausführung auch nicht mehr fern; man bohrte vorsichtig an, und vorsichtig ließ man anfangs nur wenig heraus, damit der Abgang oder das Wasser im Weine nicht gemerkt werde. So wie man bohrte, war Alles nach Trinkgeschirren davon gestoben, und jetzt stob Alles heran wie Tauben auf einen Hanfacker, den soeben der Säemann verlassen. Das Gedränge um die Wagen wurde groß, Jeder wollte seinen Theil, und hatte er ihn, so wollte er noch einen. Die Weiber zeichneten sich durch gewaltiges Schlucken aus; hatte ein Weib einmal ein Geschirr am Maul, so war es, als ob sie zusammenwüchsen, und von einander brachte sie keine irdische Macht mehr, so lange ein Tropfen von einem ins andere rann. Ein Loch in einem Faß genügte nicht mehr, ein zweites entstand, man wußte nicht wie, und befriedigte noch lange nicht das immer wachsende Bedürfniß der immer größer werdenden Familie Durstig. Die Unmöglichkeit, die Sache zu vertuschen, ward immer klarer, ward auch begriffen und rasch der Entschluß gefaßt, den sämmtlichen Wein sich zuzueignen, Wagen und Fässer bei Seite zu bringen, und dann zu sagen, der wilde Barthli sei gekommen und hätte sie geholt. Um die Lüge glaubwürdiger zu
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_koppingen_1910 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_koppingen_1910/72 |
Zitationshilfe: | Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Kurt von Koppigen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–194. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_koppingen_1910/72>, abgerufen am 28.07.2024. |