Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Kurt von Koppigen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–194. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.immer denken, wie es dort sei, ob wohl Spuren zu sehen von dem schweren Thore und Pferdehufe eingedrückt im weichen Boden um den Brunnen? Und wieder schauderte ihn, wenn er unwillkürlich dem Brunnen näher kam, und er eilte weiter. Es war in Kurt eben der wunderbare Zug im Menschen, der eine wunderbare Lust empfindet an der Angst und dem Zittern, welche über den Menschen kommen, wenn er im Geiste das Nahen der Geister fühlt, das Rauschen der geheimnißvollen Geisterwelt vernimmt. Der Zug nach dem Brunnen ward endlich, wie es gewöhnlich geht, mächtiger als das Grauen davor. An einem sonnigen Frühlingstage streifte Kurt mit dreien seiner Jungen unterhalb Koppigen durch Sumpf und Feld nach Beute; er war durch seine Krankheit gezimmert worden, von üppiger Kraft strotzte sein gewaltiger Körper nicht mehr, seine Erscheinung hatte nicht mehr das rohe Uebermächtige wie ehedem, doch hätte er jetzt den Meisten besser als früher gefallen; stattlich war sein Körper noch immer, männlich sein Wesen, auf seinem Gesichte war das Wilde verschwunden, hatte einem ernsten, besonnenen Ausdrucke Platz gemacht. Desto wilder thaten die Buben; wie junge Hunde in lustigem Gampel (Gaukeln) um die Mutter, wenn sie zum ersten Male mit ihnen zu Felde geht, tanzen in weitern und engern Kreisen, so umgaukelten die Jungen den Vater, flatterten dem Wild nach oder schlichen leise ihm nahe, sprangen lustig daher mit gewonnener Beute oder immer denken, wie es dort sei, ob wohl Spuren zu sehen von dem schweren Thore und Pferdehufe eingedrückt im weichen Boden um den Brunnen? Und wieder schauderte ihn, wenn er unwillkürlich dem Brunnen näher kam, und er eilte weiter. Es war in Kurt eben der wunderbare Zug im Menschen, der eine wunderbare Lust empfindet an der Angst und dem Zittern, welche über den Menschen kommen, wenn er im Geiste das Nahen der Geister fühlt, das Rauschen der geheimnißvollen Geisterwelt vernimmt. Der Zug nach dem Brunnen ward endlich, wie es gewöhnlich geht, mächtiger als das Grauen davor. An einem sonnigen Frühlingstage streifte Kurt mit dreien seiner Jungen unterhalb Koppigen durch Sumpf und Feld nach Beute; er war durch seine Krankheit gezimmert worden, von üppiger Kraft strotzte sein gewaltiger Körper nicht mehr, seine Erscheinung hatte nicht mehr das rohe Uebermächtige wie ehedem, doch hätte er jetzt den Meisten besser als früher gefallen; stattlich war sein Körper noch immer, männlich sein Wesen, auf seinem Gesichte war das Wilde verschwunden, hatte einem ernsten, besonnenen Ausdrucke Platz gemacht. Desto wilder thaten die Buben; wie junge Hunde in lustigem Gampel (Gaukeln) um die Mutter, wenn sie zum ersten Male mit ihnen zu Felde geht, tanzen in weitern und engern Kreisen, so umgaukelten die Jungen den Vater, flatterten dem Wild nach oder schlichen leise ihm nahe, sprangen lustig daher mit gewonnener Beute oder <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="0"> <p><pb facs="#f0190"/> immer denken, wie es dort sei, ob wohl Spuren zu sehen von dem schweren Thore und Pferdehufe eingedrückt im weichen Boden um den Brunnen? Und wieder schauderte ihn, wenn er unwillkürlich dem Brunnen näher kam, und er eilte weiter. Es war in Kurt eben der wunderbare Zug im Menschen, der eine wunderbare Lust empfindet an der Angst und dem Zittern, welche über den Menschen kommen, wenn er im Geiste das Nahen der Geister fühlt, das Rauschen der geheimnißvollen Geisterwelt vernimmt. Der Zug nach dem Brunnen ward endlich, wie es gewöhnlich geht, mächtiger als das Grauen davor. An einem sonnigen Frühlingstage streifte Kurt mit dreien seiner Jungen unterhalb Koppigen durch Sumpf und Feld nach Beute; er war durch seine Krankheit gezimmert worden, von üppiger Kraft strotzte sein gewaltiger Körper nicht mehr, seine Erscheinung hatte nicht mehr das rohe Uebermächtige wie ehedem, doch hätte er jetzt den Meisten besser als früher gefallen; stattlich war sein Körper noch immer, männlich sein Wesen, auf seinem Gesichte war das Wilde verschwunden, hatte einem ernsten, besonnenen Ausdrucke Platz gemacht. Desto wilder thaten die Buben; wie junge Hunde in lustigem Gampel (Gaukeln) um die Mutter, wenn sie zum ersten Male mit ihnen zu Felde geht, tanzen in weitern und engern Kreisen, so umgaukelten die Jungen den Vater, flatterten dem Wild nach oder schlichen leise ihm nahe, sprangen lustig daher mit gewonnener Beute oder<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0190]
immer denken, wie es dort sei, ob wohl Spuren zu sehen von dem schweren Thore und Pferdehufe eingedrückt im weichen Boden um den Brunnen? Und wieder schauderte ihn, wenn er unwillkürlich dem Brunnen näher kam, und er eilte weiter. Es war in Kurt eben der wunderbare Zug im Menschen, der eine wunderbare Lust empfindet an der Angst und dem Zittern, welche über den Menschen kommen, wenn er im Geiste das Nahen der Geister fühlt, das Rauschen der geheimnißvollen Geisterwelt vernimmt. Der Zug nach dem Brunnen ward endlich, wie es gewöhnlich geht, mächtiger als das Grauen davor. An einem sonnigen Frühlingstage streifte Kurt mit dreien seiner Jungen unterhalb Koppigen durch Sumpf und Feld nach Beute; er war durch seine Krankheit gezimmert worden, von üppiger Kraft strotzte sein gewaltiger Körper nicht mehr, seine Erscheinung hatte nicht mehr das rohe Uebermächtige wie ehedem, doch hätte er jetzt den Meisten besser als früher gefallen; stattlich war sein Körper noch immer, männlich sein Wesen, auf seinem Gesichte war das Wilde verschwunden, hatte einem ernsten, besonnenen Ausdrucke Platz gemacht. Desto wilder thaten die Buben; wie junge Hunde in lustigem Gampel (Gaukeln) um die Mutter, wenn sie zum ersten Male mit ihnen zu Felde geht, tanzen in weitern und engern Kreisen, so umgaukelten die Jungen den Vater, flatterten dem Wild nach oder schlichen leise ihm nahe, sprangen lustig daher mit gewonnener Beute oder
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Zitationshilfe: | Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Kurt von Koppigen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–194. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_koppingen_1910/190>, abgerufen am 28.07.2024. |