Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Kurt von Koppigen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–194. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.gemacht und ihn vor seines Schlosses Pforte getragen? In solchem Sinnen und Schauern schlief Kurt ein, erwachte am Morgen neu gestärkt und ging mit seinen Buben an irgend ein munteres Tagewerk. Der Bachtelenbrunnen unten im Walde, wo oberhalb das verfallene Bürgeln liegt, in dessen Nähe nicht gern Jemand des Tages kommt, geschweige in der Nacht, seit die sieben Brüder vom Teufel geholt worden waren, weil sie ihr schönes Schwesterlein mit armen Kindern und Weibern eben am Bachtelenbrunnen erschlagen -- der Bachtelenbrunnen war der beste Wildstand rund in der Gegend, aber aus erklärlicher Scheu hatte Kurt denselben bisher gemieden, ihn seinen Buben nicht gezeigt. Bei den gewaltigen Eichen, unter welchen die schöne Quelle aus der Erde quillt und gleich zum schönen Bache geworden, sanft und ruhig durch die Gebüsche fließt, sah es in hellen Nächten aus wie im Paradiese: Thiere von allen Arten gingen zur Tränke, plätscherten im Wasser, spielten unter den Eichen. Wie schrecklich es aber dort auch sein könne, hatte Kurt erfahren in der heiligen Nacht; kalt rieselte es ihm durch die Glieder, wenn er daran dachte, darum floh er den Ort. Und doch hatte er es wiederum wie ein Kind, welches bei Märlein und dunkeln Geschichten an Leib und Seele zittert, in die finsterste Ecke sich birgt, und doch gerade zu solchen Geschichten mit unwiderstehlicher Gewalt immer wieder hingezogen wird, nicht satt sich hören kann an ihnen. Es zog Kurt nach dem Bachtelenbrunnen hin, er mußte gemacht und ihn vor seines Schlosses Pforte getragen? In solchem Sinnen und Schauern schlief Kurt ein, erwachte am Morgen neu gestärkt und ging mit seinen Buben an irgend ein munteres Tagewerk. Der Bachtelenbrunnen unten im Walde, wo oberhalb das verfallene Bürgeln liegt, in dessen Nähe nicht gern Jemand des Tages kommt, geschweige in der Nacht, seit die sieben Brüder vom Teufel geholt worden waren, weil sie ihr schönes Schwesterlein mit armen Kindern und Weibern eben am Bachtelenbrunnen erschlagen — der Bachtelenbrunnen war der beste Wildstand rund in der Gegend, aber aus erklärlicher Scheu hatte Kurt denselben bisher gemieden, ihn seinen Buben nicht gezeigt. Bei den gewaltigen Eichen, unter welchen die schöne Quelle aus der Erde quillt und gleich zum schönen Bache geworden, sanft und ruhig durch die Gebüsche fließt, sah es in hellen Nächten aus wie im Paradiese: Thiere von allen Arten gingen zur Tränke, plätscherten im Wasser, spielten unter den Eichen. Wie schrecklich es aber dort auch sein könne, hatte Kurt erfahren in der heiligen Nacht; kalt rieselte es ihm durch die Glieder, wenn er daran dachte, darum floh er den Ort. Und doch hatte er es wiederum wie ein Kind, welches bei Märlein und dunkeln Geschichten an Leib und Seele zittert, in die finsterste Ecke sich birgt, und doch gerade zu solchen Geschichten mit unwiderstehlicher Gewalt immer wieder hingezogen wird, nicht satt sich hören kann an ihnen. Es zog Kurt nach dem Bachtelenbrunnen hin, er mußte <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="0"> <p><pb facs="#f0189"/> gemacht und ihn vor seines Schlosses Pforte getragen? In solchem Sinnen und Schauern schlief Kurt ein, erwachte am Morgen neu gestärkt und ging mit seinen Buben an irgend ein munteres Tagewerk. Der Bachtelenbrunnen unten im Walde, wo oberhalb das verfallene Bürgeln liegt, in dessen Nähe nicht gern Jemand des Tages kommt, geschweige in der Nacht, seit die sieben Brüder vom Teufel geholt worden waren, weil sie ihr schönes Schwesterlein mit armen Kindern und Weibern eben am Bachtelenbrunnen erschlagen — der Bachtelenbrunnen war der beste Wildstand rund in der Gegend, aber aus erklärlicher Scheu hatte Kurt denselben bisher gemieden, ihn seinen Buben nicht gezeigt. Bei den gewaltigen Eichen, unter welchen die schöne Quelle aus der Erde quillt und gleich zum schönen Bache geworden, sanft und ruhig durch die Gebüsche fließt, sah es in hellen Nächten aus wie im Paradiese: Thiere von allen Arten gingen zur Tränke, plätscherten im Wasser, spielten unter den Eichen. Wie schrecklich es aber dort auch sein könne, hatte Kurt erfahren in der heiligen Nacht; kalt rieselte es ihm durch die Glieder, wenn er daran dachte, darum floh er den Ort. Und doch hatte er es wiederum wie ein Kind, welches bei Märlein und dunkeln Geschichten an Leib und Seele zittert, in die finsterste Ecke sich birgt, und doch gerade zu solchen Geschichten mit unwiderstehlicher Gewalt immer wieder hingezogen wird, nicht satt sich hören kann an ihnen. Es zog Kurt nach dem Bachtelenbrunnen hin, er mußte<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0189]
gemacht und ihn vor seines Schlosses Pforte getragen? In solchem Sinnen und Schauern schlief Kurt ein, erwachte am Morgen neu gestärkt und ging mit seinen Buben an irgend ein munteres Tagewerk. Der Bachtelenbrunnen unten im Walde, wo oberhalb das verfallene Bürgeln liegt, in dessen Nähe nicht gern Jemand des Tages kommt, geschweige in der Nacht, seit die sieben Brüder vom Teufel geholt worden waren, weil sie ihr schönes Schwesterlein mit armen Kindern und Weibern eben am Bachtelenbrunnen erschlagen — der Bachtelenbrunnen war der beste Wildstand rund in der Gegend, aber aus erklärlicher Scheu hatte Kurt denselben bisher gemieden, ihn seinen Buben nicht gezeigt. Bei den gewaltigen Eichen, unter welchen die schöne Quelle aus der Erde quillt und gleich zum schönen Bache geworden, sanft und ruhig durch die Gebüsche fließt, sah es in hellen Nächten aus wie im Paradiese: Thiere von allen Arten gingen zur Tränke, plätscherten im Wasser, spielten unter den Eichen. Wie schrecklich es aber dort auch sein könne, hatte Kurt erfahren in der heiligen Nacht; kalt rieselte es ihm durch die Glieder, wenn er daran dachte, darum floh er den Ort. Und doch hatte er es wiederum wie ein Kind, welches bei Märlein und dunkeln Geschichten an Leib und Seele zittert, in die finsterste Ecke sich birgt, und doch gerade zu solchen Geschichten mit unwiderstehlicher Gewalt immer wieder hingezogen wird, nicht satt sich hören kann an ihnen. Es zog Kurt nach dem Bachtelenbrunnen hin, er mußte
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Zitationshilfe: | Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Kurt von Koppigen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–194. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_koppingen_1910/189>, abgerufen am 28.07.2024. |