Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Kurt von Koppigen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–194. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.dato sagen) Frau, aber die höhere Weihe fehlte ihr doch: sie stritt mit dem Unglück, und das war recht, aber im Streite suchte sie nicht die Hülfe von oben, und wenn das Unglück stärker war, als sie, wußte sie nichts vom einzigen Troste, und das war unrecht. Es war auch Nebel in ihrem Herzen, sie dachte nicht an Weihnachten und ihre Segnungen; sie dachte an ihre Kinder und ihre Noth, an ihren Mann und ihre Verlassenheit, kämpfte mit Zorn um Rath, wie sie sich aushelfen wolle in dieser herben Zeit. Noch war es nicht Tag, als sie von ihrem Lager sich erhob, das Rad des Tagewerkes in Bewegung zu setzen. Eigenhändig schloß sie das Thor, welches doch noch ganz war, auf, um eine Magd nach frischer Milch zusenden. Es schien eingefroren das Thor; als sie mit Macht es aufstieß, fiel ein schwerer Körper ihr zu Füßen, als sie niedersah, erblickte sie Kurt bewußtlos. Sie schrie nicht hellauf, dazu hatte sie zu harte Nerven, aber ein mächtiger Schrecken ergriff sie doch, man kann es sich denken; sie glaubte ihn todt, erschlagen oder erfroren, hierher geschleppt von den Mördern, oder aus den Händen derselben hierher geflüchtet. Als sie noch Leben in ihm fand, rief sie nach Hülfe; er ward an die Wärme getragen, und in der Heilkunde nicht fremd, suchte sie nach des Zustandes Ursach. Erfroren war er nicht, zerhauen war sein Körper, Wunden fand sie, aber unbedeutende; aber ein schreckliches Fieber, welches ihn erfaßt hatte und mit seinem Leben rang, dato sagen) Frau, aber die höhere Weihe fehlte ihr doch: sie stritt mit dem Unglück, und das war recht, aber im Streite suchte sie nicht die Hülfe von oben, und wenn das Unglück stärker war, als sie, wußte sie nichts vom einzigen Troste, und das war unrecht. Es war auch Nebel in ihrem Herzen, sie dachte nicht an Weihnachten und ihre Segnungen; sie dachte an ihre Kinder und ihre Noth, an ihren Mann und ihre Verlassenheit, kämpfte mit Zorn um Rath, wie sie sich aushelfen wolle in dieser herben Zeit. Noch war es nicht Tag, als sie von ihrem Lager sich erhob, das Rad des Tagewerkes in Bewegung zu setzen. Eigenhändig schloß sie das Thor, welches doch noch ganz war, auf, um eine Magd nach frischer Milch zusenden. Es schien eingefroren das Thor; als sie mit Macht es aufstieß, fiel ein schwerer Körper ihr zu Füßen, als sie niedersah, erblickte sie Kurt bewußtlos. Sie schrie nicht hellauf, dazu hatte sie zu harte Nerven, aber ein mächtiger Schrecken ergriff sie doch, man kann es sich denken; sie glaubte ihn todt, erschlagen oder erfroren, hierher geschleppt von den Mördern, oder aus den Händen derselben hierher geflüchtet. Als sie noch Leben in ihm fand, rief sie nach Hülfe; er ward an die Wärme getragen, und in der Heilkunde nicht fremd, suchte sie nach des Zustandes Ursach. Erfroren war er nicht, zerhauen war sein Körper, Wunden fand sie, aber unbedeutende; aber ein schreckliches Fieber, welches ihn erfaßt hatte und mit seinem Leben rang, <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="0"> <p><pb facs="#f0179"/> dato sagen) Frau, aber die höhere Weihe fehlte ihr doch: sie stritt mit dem Unglück, und das war recht, aber im Streite suchte sie nicht die Hülfe von oben, und wenn das Unglück stärker war, als sie, wußte sie nichts vom einzigen Troste, und das war unrecht. Es war auch Nebel in ihrem Herzen, sie dachte nicht an Weihnachten und ihre Segnungen; sie dachte an ihre Kinder und ihre Noth, an ihren Mann und ihre Verlassenheit, kämpfte mit Zorn um Rath, wie sie sich aushelfen wolle in dieser herben Zeit. Noch war es nicht Tag, als sie von ihrem Lager sich erhob, das Rad des Tagewerkes in Bewegung zu setzen. Eigenhändig schloß sie das Thor, welches doch noch ganz war, auf, um eine Magd nach frischer Milch zusenden. Es schien eingefroren das Thor; als sie mit Macht es aufstieß, fiel ein schwerer Körper ihr zu Füßen, als sie niedersah, erblickte sie Kurt bewußtlos. Sie schrie nicht hellauf, dazu hatte sie zu harte Nerven, aber ein mächtiger Schrecken ergriff sie doch, man kann es sich denken; sie glaubte ihn todt, erschlagen oder erfroren, hierher geschleppt von den Mördern, oder aus den Händen derselben hierher geflüchtet. Als sie noch Leben in ihm fand, rief sie nach Hülfe; er ward an die Wärme getragen, und in der Heilkunde nicht fremd, suchte sie nach des Zustandes Ursach. Erfroren war er nicht, zerhauen war sein Körper, Wunden fand sie, aber unbedeutende; aber ein schreckliches Fieber, welches ihn erfaßt hatte und mit seinem Leben rang,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0179]
dato sagen) Frau, aber die höhere Weihe fehlte ihr doch: sie stritt mit dem Unglück, und das war recht, aber im Streite suchte sie nicht die Hülfe von oben, und wenn das Unglück stärker war, als sie, wußte sie nichts vom einzigen Troste, und das war unrecht. Es war auch Nebel in ihrem Herzen, sie dachte nicht an Weihnachten und ihre Segnungen; sie dachte an ihre Kinder und ihre Noth, an ihren Mann und ihre Verlassenheit, kämpfte mit Zorn um Rath, wie sie sich aushelfen wolle in dieser herben Zeit. Noch war es nicht Tag, als sie von ihrem Lager sich erhob, das Rad des Tagewerkes in Bewegung zu setzen. Eigenhändig schloß sie das Thor, welches doch noch ganz war, auf, um eine Magd nach frischer Milch zusenden. Es schien eingefroren das Thor; als sie mit Macht es aufstieß, fiel ein schwerer Körper ihr zu Füßen, als sie niedersah, erblickte sie Kurt bewußtlos. Sie schrie nicht hellauf, dazu hatte sie zu harte Nerven, aber ein mächtiger Schrecken ergriff sie doch, man kann es sich denken; sie glaubte ihn todt, erschlagen oder erfroren, hierher geschleppt von den Mördern, oder aus den Händen derselben hierher geflüchtet. Als sie noch Leben in ihm fand, rief sie nach Hülfe; er ward an die Wärme getragen, und in der Heilkunde nicht fremd, suchte sie nach des Zustandes Ursach. Erfroren war er nicht, zerhauen war sein Körper, Wunden fand sie, aber unbedeutende; aber ein schreckliches Fieber, welches ihn erfaßt hatte und mit seinem Leben rang,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-15T09:57:28Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-15T09:57:28Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |