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Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Kurt von Koppigen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–194. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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ausgesogene Leute zahlen keine Steuern, und wenn der Acker keine Ernte giebt, geht der Zehenten von selbsten ein. Der Ertrag steht also im umgekehrten Verhältniß mit dem Bedarf; je nöthiger Einer wird, desto weniger wird ihm; der ärmste Bauer, welcher das Geld am nöthigsten hätte, hat zumeist den magersten Hof, der nichts abträgt. Es liegt hierin eine große staatswirthschaftliche Lehre, welche beachtet werden sollte; aber es ist noch immer so, daß den Unmündigen offenbar wird, was den Weisen der Welt verborgen bleibt. Je nöthiger die Herren von Koppigen wurden, desto mehr sogen sie ihre Leute aus; wenn sie selbst nichts mehr hatten, nahmen sie das Erste Beste, was sie fanden. So geschah es, daß Pferde und Kühe Raritäten wurden im Koppiger Gebiete. Wenn nun aber der Bauer kein Vieh mehr hat, was helfen ihm da Aecker, und wenn der Bauer seine Aecker nicht mehr baut, was helfen dann dem Junker Zehenten und Bodenzinse. So hatten die Herren von Koppigen gewirthschaftet, unter Frau Grimhilde ward es nicht besser. Wie gesagt, hatte Frau Grimhilde nichts mitgebracht, als großen Hochmuth und etwas Weniges an Schmuck und Kleidern. Sie rechnete viel auf ihre Familie, trieb einstweilen Hoffart so viel und so lange sie konnte, schonte Nichts, hätte gerne den großen Grafen von Buchegg, Burgdorf und Andern es gleichgethan. Als ihr Mann vom wilden Küher erschlagen worden, erfuhr sie, wie viel Rechnungen einer vornehmen Tochter,

ausgesogene Leute zahlen keine Steuern, und wenn der Acker keine Ernte giebt, geht der Zehenten von selbsten ein. Der Ertrag steht also im umgekehrten Verhältniß mit dem Bedarf; je nöthiger Einer wird, desto weniger wird ihm; der ärmste Bauer, welcher das Geld am nöthigsten hätte, hat zumeist den magersten Hof, der nichts abträgt. Es liegt hierin eine große staatswirthschaftliche Lehre, welche beachtet werden sollte; aber es ist noch immer so, daß den Unmündigen offenbar wird, was den Weisen der Welt verborgen bleibt. Je nöthiger die Herren von Koppigen wurden, desto mehr sogen sie ihre Leute aus; wenn sie selbst nichts mehr hatten, nahmen sie das Erste Beste, was sie fanden. So geschah es, daß Pferde und Kühe Raritäten wurden im Koppiger Gebiete. Wenn nun aber der Bauer kein Vieh mehr hat, was helfen ihm da Aecker, und wenn der Bauer seine Aecker nicht mehr baut, was helfen dann dem Junker Zehenten und Bodenzinse. So hatten die Herren von Koppigen gewirthschaftet, unter Frau Grimhilde ward es nicht besser. Wie gesagt, hatte Frau Grimhilde nichts mitgebracht, als großen Hochmuth und etwas Weniges an Schmuck und Kleidern. Sie rechnete viel auf ihre Familie, trieb einstweilen Hoffart so viel und so lange sie konnte, schonte Nichts, hätte gerne den großen Grafen von Buchegg, Burgdorf und Andern es gleichgethan. Als ihr Mann vom wilden Küher erschlagen worden, erfuhr sie, wie viel Rechnungen einer vornehmen Tochter,

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[0014] ausgesogene Leute zahlen keine Steuern, und wenn der Acker keine Ernte giebt, geht der Zehenten von selbsten ein. Der Ertrag steht also im umgekehrten Verhältniß mit dem Bedarf; je nöthiger Einer wird, desto weniger wird ihm; der ärmste Bauer, welcher das Geld am nöthigsten hätte, hat zumeist den magersten Hof, der nichts abträgt. Es liegt hierin eine große staatswirthschaftliche Lehre, welche beachtet werden sollte; aber es ist noch immer so, daß den Unmündigen offenbar wird, was den Weisen der Welt verborgen bleibt. Je nöthiger die Herren von Koppigen wurden, desto mehr sogen sie ihre Leute aus; wenn sie selbst nichts mehr hatten, nahmen sie das Erste Beste, was sie fanden. So geschah es, daß Pferde und Kühe Raritäten wurden im Koppiger Gebiete. Wenn nun aber der Bauer kein Vieh mehr hat, was helfen ihm da Aecker, und wenn der Bauer seine Aecker nicht mehr baut, was helfen dann dem Junker Zehenten und Bodenzinse. So hatten die Herren von Koppigen gewirthschaftet, unter Frau Grimhilde ward es nicht besser. Wie gesagt, hatte Frau Grimhilde nichts mitgebracht, als großen Hochmuth und etwas Weniges an Schmuck und Kleidern. Sie rechnete viel auf ihre Familie, trieb einstweilen Hoffart so viel und so lange sie konnte, schonte Nichts, hätte gerne den großen Grafen von Buchegg, Burgdorf und Andern es gleichgethan. Als ihr Mann vom wilden Küher erschlagen worden, erfuhr sie, wie viel Rechnungen einer vornehmen Tochter,

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Zitationshilfe: Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Kurt von Koppigen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–194. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_koppingen_1910/14>, abgerufen am 23.11.2024.