Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Kurt von Koppigen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–194. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.ihre grauen Häupter schüttelten, so bezog das Frau Grimbilde auf sich, bedachte nicht, daß die guten Hunde den ganzen Tag wackelten mit ihren Häuptern, und bedauerlich war es anzusehen, wie die alte Frau die alten Hunde mit der Peitsche züchtigte, daß sie laut heulend aus der Halle wackelten. Der alte Herr von Denz sandte viel nach Koppigen, aber wer es in Empfang nahm und damit handtierte, das kümmerte ihn nicht, und was ihm Agnes klagen wollte, wies er die Tochter an den Mann und sagte, er mische sich nicht gerne in fremde Hauswesen, er habe daheim einstweilen an der Brigitte genug; übrigens solle sie es machen wie er, damit komme sie am besten fort; die Sache nicht gemüthlich nehmen, denken, es sei eine Krankheit, und gute Miene zum bösen Spiele machen, thun, als habe sie weder Augen noch Ohren, dabei brauchen, was ihr wohlthue, nicht mehr machen, als sie möge, ein besseres Leben gebe es ja nicht auf der Welt. Dieser väterliche Balsam war eben auch nicht heilsam für eine junge Frau, ihr wundes Herz wollte nicht heilen, und es würden wohl wenig junge Weiber auf der Welt zu finden gewesen sein, welche in den ersten Jahren der Ehe eine solche Schwiegermutter und solchen Trost dazu zu verwinden im Stande gewesen wären. Die Weiber sind nicht alle gleichen Schlages, fast möchte man glauben, sie seien nicht von gleicher Materie; in einem Verhältniß, wie Agnes war, werden die einen gemüthlich zerrieben, in Thränen aufgelös't bald ihre grauen Häupter schüttelten, so bezog das Frau Grimbilde auf sich, bedachte nicht, daß die guten Hunde den ganzen Tag wackelten mit ihren Häuptern, und bedauerlich war es anzusehen, wie die alte Frau die alten Hunde mit der Peitsche züchtigte, daß sie laut heulend aus der Halle wackelten. Der alte Herr von Denz sandte viel nach Koppigen, aber wer es in Empfang nahm und damit handtierte, das kümmerte ihn nicht, und was ihm Agnes klagen wollte, wies er die Tochter an den Mann und sagte, er mische sich nicht gerne in fremde Hauswesen, er habe daheim einstweilen an der Brigitte genug; übrigens solle sie es machen wie er, damit komme sie am besten fort; die Sache nicht gemüthlich nehmen, denken, es sei eine Krankheit, und gute Miene zum bösen Spiele machen, thun, als habe sie weder Augen noch Ohren, dabei brauchen, was ihr wohlthue, nicht mehr machen, als sie möge, ein besseres Leben gebe es ja nicht auf der Welt. Dieser väterliche Balsam war eben auch nicht heilsam für eine junge Frau, ihr wundes Herz wollte nicht heilen, und es würden wohl wenig junge Weiber auf der Welt zu finden gewesen sein, welche in den ersten Jahren der Ehe eine solche Schwiegermutter und solchen Trost dazu zu verwinden im Stande gewesen wären. Die Weiber sind nicht alle gleichen Schlages, fast möchte man glauben, sie seien nicht von gleicher Materie; in einem Verhältniß, wie Agnes war, werden die einen gemüthlich zerrieben, in Thränen aufgelös't bald <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="0"> <p><pb facs="#f0118"/> ihre grauen Häupter schüttelten, so bezog das Frau Grimbilde auf sich, bedachte nicht, daß die guten Hunde den ganzen Tag wackelten mit ihren Häuptern, und bedauerlich war es anzusehen, wie die alte Frau die alten Hunde mit der Peitsche züchtigte, daß sie laut heulend aus der Halle wackelten. Der alte Herr von Denz sandte viel nach Koppigen, aber wer es in Empfang nahm und damit handtierte, das kümmerte ihn nicht, und was ihm Agnes klagen wollte, wies er die Tochter an den Mann und sagte, er mische sich nicht gerne in fremde Hauswesen, er habe daheim einstweilen an der Brigitte genug; übrigens solle sie es machen wie er, damit komme sie am besten fort; die Sache nicht gemüthlich nehmen, denken, es sei eine Krankheit, und gute Miene zum bösen Spiele machen, thun, als habe sie weder Augen noch Ohren, dabei brauchen, was ihr wohlthue, nicht mehr machen, als sie möge, ein besseres Leben gebe es ja nicht auf der Welt. Dieser väterliche Balsam war eben auch nicht heilsam für eine junge Frau, ihr wundes Herz wollte nicht heilen, und es würden wohl wenig junge Weiber auf der Welt zu finden gewesen sein, welche in den ersten Jahren der Ehe eine solche Schwiegermutter und solchen Trost dazu zu verwinden im Stande gewesen wären.</p><lb/> <p>Die Weiber sind nicht alle gleichen Schlages, fast möchte man glauben, sie seien nicht von gleicher Materie; in einem Verhältniß, wie Agnes war, werden die einen gemüthlich zerrieben, in Thränen aufgelös't bald<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0118]
ihre grauen Häupter schüttelten, so bezog das Frau Grimbilde auf sich, bedachte nicht, daß die guten Hunde den ganzen Tag wackelten mit ihren Häuptern, und bedauerlich war es anzusehen, wie die alte Frau die alten Hunde mit der Peitsche züchtigte, daß sie laut heulend aus der Halle wackelten. Der alte Herr von Denz sandte viel nach Koppigen, aber wer es in Empfang nahm und damit handtierte, das kümmerte ihn nicht, und was ihm Agnes klagen wollte, wies er die Tochter an den Mann und sagte, er mische sich nicht gerne in fremde Hauswesen, er habe daheim einstweilen an der Brigitte genug; übrigens solle sie es machen wie er, damit komme sie am besten fort; die Sache nicht gemüthlich nehmen, denken, es sei eine Krankheit, und gute Miene zum bösen Spiele machen, thun, als habe sie weder Augen noch Ohren, dabei brauchen, was ihr wohlthue, nicht mehr machen, als sie möge, ein besseres Leben gebe es ja nicht auf der Welt. Dieser väterliche Balsam war eben auch nicht heilsam für eine junge Frau, ihr wundes Herz wollte nicht heilen, und es würden wohl wenig junge Weiber auf der Welt zu finden gewesen sein, welche in den ersten Jahren der Ehe eine solche Schwiegermutter und solchen Trost dazu zu verwinden im Stande gewesen wären.
Die Weiber sind nicht alle gleichen Schlages, fast möchte man glauben, sie seien nicht von gleicher Materie; in einem Verhältniß, wie Agnes war, werden die einen gemüthlich zerrieben, in Thränen aufgelös't bald
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Zitationshilfe: | Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Kurt von Koppigen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–194. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_koppingen_1910/118>, abgerufen am 28.07.2024. |