Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Kurt von Koppigen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–194. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.man wenige oder keine in niedrigerm Lande; mehr in Wald und Sumpf, als im Hause, lebte damals der Mensch. Darum wandte man auch wenig Sorgfalt auf des Hauses Ausstattung oder gar Verzierung. Bäuerinnen wohnten schlechter, als heute Bettlerinnen; wenn Edelfrauen es gehabt hätten in ihren kahlen, kalten Schlößchen, wie heutzutage Bäuerinnen auf ihren reichen Gehöften, sie wären von Königinnen beneidet worden. Damals ging es einfach zu: Gold und Silber war wenig im Schweizerlande; die Dienstmägde von jetzt haben vielleicht mehr Seide am Leibe, als damals zu finden gewesen wäre im ganzen Lande. Im schönen weiten Aarthale, nicht weit davon, wo es von der wilden Emme fast rechtwinklig durchschnitten wird, da, wo jetzt das reiche Dorf Koppigen steht im Bernbiet, stand damals, wo jetzt noch auf dem Hügel, der Bühl genannt, Spuren zu sehen sind, ein kleines Schlößchen. Von Koppigen hießen die Edeln, welchen es gehörte. Die Gegend war nicht im Glanze, wie jetzt; gar mancher Kraft war noch keine Schranke gezogen, zerstörend konnte sie walten nach Belieben; keine Dämme faßten die Emme ein und hinderten sie, ihr Bett zu verlassen, rechts und links lustwandelnd durch die Fluren. Ihr beliebtester Spaziergang war rechts bei Kirchberg vorbei über die weiten Felder gegen Koppigen hin, den großen Sümpfen und kleinen Seen zu, welche noch jetzt zwischen Koppigen und der Aare liegen. Spärlich bewohnt war diese man wenige oder keine in niedrigerm Lande; mehr in Wald und Sumpf, als im Hause, lebte damals der Mensch. Darum wandte man auch wenig Sorgfalt auf des Hauses Ausstattung oder gar Verzierung. Bäuerinnen wohnten schlechter, als heute Bettlerinnen; wenn Edelfrauen es gehabt hätten in ihren kahlen, kalten Schlößchen, wie heutzutage Bäuerinnen auf ihren reichen Gehöften, sie wären von Königinnen beneidet worden. Damals ging es einfach zu: Gold und Silber war wenig im Schweizerlande; die Dienstmägde von jetzt haben vielleicht mehr Seide am Leibe, als damals zu finden gewesen wäre im ganzen Lande. Im schönen weiten Aarthale, nicht weit davon, wo es von der wilden Emme fast rechtwinklig durchschnitten wird, da, wo jetzt das reiche Dorf Koppigen steht im Bernbiet, stand damals, wo jetzt noch auf dem Hügel, der Bühl genannt, Spuren zu sehen sind, ein kleines Schlößchen. Von Koppigen hießen die Edeln, welchen es gehörte. Die Gegend war nicht im Glanze, wie jetzt; gar mancher Kraft war noch keine Schranke gezogen, zerstörend konnte sie walten nach Belieben; keine Dämme faßten die Emme ein und hinderten sie, ihr Bett zu verlassen, rechts und links lustwandelnd durch die Fluren. Ihr beliebtester Spaziergang war rechts bei Kirchberg vorbei über die weiten Felder gegen Koppigen hin, den großen Sümpfen und kleinen Seen zu, welche noch jetzt zwischen Koppigen und der Aare liegen. Spärlich bewohnt war diese <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="0"> <p><pb facs="#f0010"/> man wenige oder keine in niedrigerm Lande; mehr in Wald und Sumpf, als im Hause, lebte damals der Mensch. Darum wandte man auch wenig Sorgfalt auf des Hauses Ausstattung oder gar Verzierung. Bäuerinnen wohnten schlechter, als heute Bettlerinnen; wenn Edelfrauen es gehabt hätten in ihren kahlen, kalten Schlößchen, wie heutzutage Bäuerinnen auf ihren reichen Gehöften, sie wären von Königinnen beneidet worden. Damals ging es einfach zu: Gold und Silber war wenig im Schweizerlande; die Dienstmägde von jetzt haben vielleicht mehr Seide am Leibe, als damals zu finden gewesen wäre im ganzen Lande.</p><lb/> <p>Im schönen weiten Aarthale, nicht weit davon, wo es von der wilden Emme fast rechtwinklig durchschnitten wird, da, wo jetzt das reiche Dorf Koppigen steht im Bernbiet, stand damals, wo jetzt noch auf dem Hügel, der Bühl genannt, Spuren zu sehen sind, ein kleines Schlößchen. Von Koppigen hießen die Edeln, welchen es gehörte. Die Gegend war nicht im Glanze, wie jetzt; gar mancher Kraft war noch keine Schranke gezogen, zerstörend konnte sie walten nach Belieben; keine Dämme faßten die Emme ein und hinderten sie, ihr Bett zu verlassen, rechts und links lustwandelnd durch die Fluren. Ihr beliebtester Spaziergang war rechts bei Kirchberg vorbei über die weiten Felder gegen Koppigen hin, den großen Sümpfen und kleinen Seen zu, welche noch jetzt zwischen Koppigen und der Aare liegen. Spärlich bewohnt war diese<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0010]
man wenige oder keine in niedrigerm Lande; mehr in Wald und Sumpf, als im Hause, lebte damals der Mensch. Darum wandte man auch wenig Sorgfalt auf des Hauses Ausstattung oder gar Verzierung. Bäuerinnen wohnten schlechter, als heute Bettlerinnen; wenn Edelfrauen es gehabt hätten in ihren kahlen, kalten Schlößchen, wie heutzutage Bäuerinnen auf ihren reichen Gehöften, sie wären von Königinnen beneidet worden. Damals ging es einfach zu: Gold und Silber war wenig im Schweizerlande; die Dienstmägde von jetzt haben vielleicht mehr Seide am Leibe, als damals zu finden gewesen wäre im ganzen Lande.
Im schönen weiten Aarthale, nicht weit davon, wo es von der wilden Emme fast rechtwinklig durchschnitten wird, da, wo jetzt das reiche Dorf Koppigen steht im Bernbiet, stand damals, wo jetzt noch auf dem Hügel, der Bühl genannt, Spuren zu sehen sind, ein kleines Schlößchen. Von Koppigen hießen die Edeln, welchen es gehörte. Die Gegend war nicht im Glanze, wie jetzt; gar mancher Kraft war noch keine Schranke gezogen, zerstörend konnte sie walten nach Belieben; keine Dämme faßten die Emme ein und hinderten sie, ihr Bett zu verlassen, rechts und links lustwandelnd durch die Fluren. Ihr beliebtester Spaziergang war rechts bei Kirchberg vorbei über die weiten Felder gegen Koppigen hin, den großen Sümpfen und kleinen Seen zu, welche noch jetzt zwischen Koppigen und der Aare liegen. Spärlich bewohnt war diese
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