Gotter, Friedrich Wilhelm: Die Erbschleicher. Leipzig, 1789.Die Erbschleicher. Gerhard. Wir wollen von etwas andern reden. Justine (setzt sich an einen andern Tisch, strickt und liest zugleich.) Gerhard. Mein Kapitalienbuch! Justine (indem sie sucht, vor sich.) Das ist im- mer sein Tröster bey Todesgedanken! (findet und bringts ihm.) Gerhard (indem er die Brille aufsetzt.) Den wie vielsten haben wir? Justine. Den zwanzigsten. (Setzt sich wieder, wie vorhin.) Gerhard (blättert darin, und liest und spricht vor sich.) "Fünftausend Reichsthaler in Louisd'ors beym Herrn Hofgerichtsrath Wieser" -- Ein ganzer Mann! grundgelehrt! leutselig! und religiös! auf den Tag trägt er die Interessen ab! -- "Zehntausend dito beym Herrn Rittmeister von Spacheim" -- Du wirst auch bald ausgebeutelt haben. Meinethalben! Ich bin gedeckt. -- "Zwölf- hundert in Laubthalern beym Kaufmann --" Der Mann ist gut; aber die Frau -- die Frau! -- "Fünftausend dito bey Sr. Excellenz, dem Herrn Reichsgrafen --" Daß's Gott erbarm! -- Schaffen Sie Geld Ihr' Excellenz! -- Acht Gro- F 4
Die Erbſchleicher. Gerhard. Wir wollen von etwas andern reden. Juſtine (ſetzt ſich an einen andern Tiſch, ſtrickt und lieſt zugleich.) Gerhard. Mein Kapitalienbuch! Juſtine (indem ſie ſucht, vor ſich.) Das iſt im- mer ſein Troͤſter bey Todesgedanken! (findet und bringts ihm.) Gerhard (indem er die Brille aufſetzt.) Den wie vielſten haben wir? Juſtine. Den zwanzigſten. (Setzt ſich wieder, wie vorhin.) Gerhard (blättert darin, und lieſt und ſpricht vor ſich.) „Fuͤnftauſend Reichsthaler in Louisd’ors beym Herrn Hofgerichtsrath Wieſer“ — Ein ganzer Mann! grundgelehrt! leutſelig! und religioͤs! auf den Tag traͤgt er die Intereſſen ab! — „Zehntauſend dito beym Herrn Rittmeiſter von Spacheim“ — Du wirſt auch bald ausgebeutelt haben. Meinethalben! Ich bin gedeckt. — „Zwoͤlf- hundert in Laubthalern beym Kaufmann —“ Der Mann iſt gut; aber die Frau — die Frau! — „Fuͤnftauſend dito bey Sr. Excellenz, dem Herrn Reichsgrafen —“ Daß’s Gott erbarm! — Schaffen Sie Geld Ihr’ Excellenz! — Acht Gro- F 4
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Die Erbſchleicher.
Gerhard. Wir wollen von etwas andern
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Juſtine (ſetzt ſich an einen andern Tiſch, ſtrickt
und lieſt zugleich.)
Gerhard. Mein Kapitalienbuch!
Juſtine (indem ſie ſucht, vor ſich.) Das iſt im-
mer ſein Troͤſter bey Todesgedanken! (findet und
bringts ihm.)
Gerhard (indem er die Brille aufſetzt.) Den
wie vielſten haben wir?
Juſtine. Den zwanzigſten. (Setzt ſich wieder,
wie vorhin.)
Gerhard (blättert darin, und lieſt und ſpricht vor
ſich.) „Fuͤnftauſend Reichsthaler in Louisd’ors
beym Herrn Hofgerichtsrath Wieſer“ — Ein
ganzer Mann! grundgelehrt! leutſelig! und
religioͤs! auf den Tag traͤgt er die Intereſſen ab!
— „Zehntauſend dito beym Herrn Rittmeiſter
von Spacheim“ — Du wirſt auch bald ausgebeutelt
haben. Meinethalben! Ich bin gedeckt. — „Zwoͤlf-
hundert in Laubthalern beym Kaufmann —“
Der Mann iſt gut; aber die Frau — die Frau!
— „Fuͤnftauſend dito bey Sr. Excellenz, dem
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