Gotter, Friedrich Wilhelm: Die Erbschleicher. Leipzig, 1789.Die Erbschleicher. Pistorius (indem er Hut, Stock, und Degen und Handschuhe ablegt, das eine hier, das andere dorthin.) Du liebe Zeit! Zum Schelme müßt' ich werden, wenn ich nicht nebenher die Post hätte! Kleiner Ort! und erbärmliche Polizey! In so einem Neste drey Apotheken! Ja, wie wir noch den Hofstaat hier hatten, da gings flott, da war noch Nahrung unter den Leuten! Aber jetzt brauchen sie Jahr aus Jahr ein die Hungerkur. Justine. Von der sind Sie kein Patron. Pistorius (den Arzneyvorrath visitirend.) Was macht der Herr Gevatter? nimmt er brav ein? -- Hm! Die Pulver sollten gestern Abend alle werden. An den Gläsern ist auch nur genippt. -- Was heißt das? Da muß ich hinterdrein fe- gen. Friß Vogel oder stirb! heißts in der Mede- zin. Sonst mag er seinen Pnevmatismus be- halten. (Zieht ein Arzneyglas aus der Tasche.) Hier ist die neue Mixtur! Etwas chymisches! (In eine andere Tasche greifend.) Da sind auch frische Pul- ver! -- Und hier ein Sälbchen, um sich die Sei- te gelinde reiben zu lassen. Ich wüßte wohl ein Paar heilskräftige Pätschchen dazu. (Will ihr die Hände streicheln.) Justine (schlägt ihn auf die Finger.) Neh- men Sie den ganzen Kram nur wieder mit! Die Erbſchleicher. Piſtorius (indem er Hut, Stock, und Degen und Handſchuhe ablegt, das eine hier, das andere dorthin.) Du liebe Zeit! Zum Schelme muͤßt’ ich werden, wenn ich nicht nebenher die Poſt haͤtte! Kleiner Ort! und erbaͤrmliche Polizey! In ſo einem Neſte drey Apotheken! Ja, wie wir noch den Hofſtaat hier hatten, da gings flott, da war noch Nahrung unter den Leuten! Aber jetzt brauchen ſie Jahr aus Jahr ein die Hungerkur. Juſtine. Von der ſind Sie kein Patron. Piſtorius (den Arzneyvorrath viſitirend.) Was macht der Herr Gevatter? nimmt er brav ein? — Hm! Die Pulver ſollten geſtern Abend alle werden. An den Glaͤſern iſt auch nur genippt. — Was heißt das? Da muß ich hinterdrein fe- gen. Friß Vogel oder ſtirb! heißts in der Mede- zin. Sonſt mag er ſeinen Pnevmatismus be- halten. (Zieht ein Arzneyglas aus der Taſche.) Hier iſt die neue Mixtur! Etwas chymiſches! (In eine andere Taſche greifend.) Da ſind auch friſche Pul- ver! — Und hier ein Sälbchen, um ſich die Sei- te gelinde reiben zu laſſen. Ich wuͤßte wohl ein Paar heilskraͤftige Paͤtſchchen dazu. (Will ihr die Hände ſtreicheln.) Juſtine (ſchlägt ihn auf die Finger.) Neh- men Sie den ganzen Kram nur wieder mit! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0076" n="70"/> <fw place="top" type="header">Die Erbſchleicher.</fw><lb/> <sp who="#PIS"> <speaker> <hi rendition="#fr">Piſtorius</hi> </speaker> <stage>(indem er Hut, Stock, und Degen und<lb/> Handſchuhe ablegt, das eine hier, das andere dorthin.)</stage><lb/> <p>Du liebe Zeit! Zum Schelme muͤßt’ ich werden,<lb/> wenn ich nicht nebenher die <hi rendition="#g">Poſt</hi> haͤtte! Kleiner<lb/> Ort! und erbaͤrmliche Polizey! In ſo einem<lb/> Neſte drey Apotheken! Ja, wie wir noch den<lb/> Hofſtaat hier hatten, da gings flott, da war noch<lb/> Nahrung unter den Leuten! Aber jetzt brauchen<lb/> ſie Jahr aus Jahr ein die <hi rendition="#g">Hungerkur</hi>.</p> </sp><lb/> <sp who="#JUS"> <speaker> <hi rendition="#fr">Juſtine.</hi> </speaker> <p>Von der ſind Sie kein Patron.</p> </sp><lb/> <sp who="#PIS"> <speaker> <hi rendition="#fr">Piſtorius</hi> </speaker> <stage>(den Arzneyvorrath viſitirend.)</stage> <p>Was<lb/> macht der Herr Gevatter? nimmt er brav ein?<lb/> — Hm! <hi rendition="#g">Die</hi> Pulver ſollten geſtern Abend alle<lb/> werden. An <hi rendition="#g">den</hi> Glaͤſern iſt auch nur genippt.<lb/> — Was heißt das? Da muß ich hinterdrein fe-<lb/> gen. Friß Vogel oder ſtirb! heißts in der Mede-<lb/> zin. Sonſt mag er ſeinen <hi rendition="#aq">Pnevmatismus</hi> be-<lb/> halten.</p> <stage>(Zieht ein Arzneyglas aus der Taſche.)</stage> <p>Hier<lb/> iſt die neue Mixtur! Etwas chymiſches!</p> <stage>(In eine<lb/> andere Taſche greifend.)</stage> <p>Da ſind auch friſche Pul-<lb/> ver! — Und hier ein Sälbchen, um ſich die Sei-<lb/> te gelinde reiben zu laſſen. Ich wuͤßte wohl ein<lb/> Paar heilskraͤftige Paͤtſchchen dazu.</p> <stage>(Will ihr die<lb/> Hände ſtreicheln.)</stage> </sp><lb/> <sp who="#JUS"> <speaker> <hi rendition="#fr">Juſtine</hi> </speaker> <stage>(ſchlägt ihn auf die Finger.)</stage> <p>Neh-<lb/> men Sie den ganzen Kram nur wieder mit!</p> </sp><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [70/0076]
Die Erbſchleicher.
Piſtorius (indem er Hut, Stock, und Degen und
Handſchuhe ablegt, das eine hier, das andere dorthin.)
Du liebe Zeit! Zum Schelme muͤßt’ ich werden,
wenn ich nicht nebenher die Poſt haͤtte! Kleiner
Ort! und erbaͤrmliche Polizey! In ſo einem
Neſte drey Apotheken! Ja, wie wir noch den
Hofſtaat hier hatten, da gings flott, da war noch
Nahrung unter den Leuten! Aber jetzt brauchen
ſie Jahr aus Jahr ein die Hungerkur.
Juſtine. Von der ſind Sie kein Patron.
Piſtorius (den Arzneyvorrath viſitirend.) Was
macht der Herr Gevatter? nimmt er brav ein?
— Hm! Die Pulver ſollten geſtern Abend alle
werden. An den Glaͤſern iſt auch nur genippt.
— Was heißt das? Da muß ich hinterdrein fe-
gen. Friß Vogel oder ſtirb! heißts in der Mede-
zin. Sonſt mag er ſeinen Pnevmatismus be-
halten. (Zieht ein Arzneyglas aus der Taſche.) Hier
iſt die neue Mixtur! Etwas chymiſches! (In eine
andere Taſche greifend.) Da ſind auch friſche Pul-
ver! — Und hier ein Sälbchen, um ſich die Sei-
te gelinde reiben zu laſſen. Ich wuͤßte wohl ein
Paar heilskraͤftige Paͤtſchchen dazu. (Will ihr die
Hände ſtreicheln.)
Juſtine (ſchlägt ihn auf die Finger.) Neh-
men Sie den ganzen Kram nur wieder mit!
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