Gotter, Friedrich Wilhelm: Die Erbschleicher. Leipzig, 1789.Die Erbschleicher. sie. Aber ich will mich an ihnen rächen. Ich willihnen einen Streich spielen, daß sie vor Aerger bersten sollen. Ich will mir Ruhe im Leben und im Tode schaffen. Mit Einem Wort, ich habe mir einen gewissen Jemand ins Herz geschlossen, den ich glücklich machen will. Sternberg. Das ist recht, Herr Vetter. Justine. Ja, das thät' ich an Ihrer Stelle auch. So ein Jemand ist dankbar. Das Häufchen bleibt hübsch beysammen. Der Name des Erblassers ruht darauf in immergrünem See- gen; und ein prächtiger Leichenstein erzählt seine exemplarische Menschenliebe in hochtrabenden Wor- ten den Kindeskindern. Aber Verwandte -- ich will keiner Seele zu nahe geredet haben, Herr Sternberg -- Verwandte, je weitläuftiger sie mit uns befreundet sind, um so mehr halten sie unsern guten Willen für Schuldigkeit. Gerhard. Sehr wahr gesprochen. Sternberg (spöttisch.) Sehr verbunden für die Protestation. Justine (mit steigender Lebhaftigkeit.) Kein grös- serer Spaß, als die Eröffnung eines Testaments unter einer Legion solcher Anwarter. Ich bin einmal dabey gewesen. -- Da standen sie, die Die Erbſchleicher. ſie. Aber ich will mich an ihnen raͤchen. Ich willihnen einen Streich ſpielen, daß ſie vor Aerger berſten ſollen. Ich will mir Ruhe im Leben und im Tode ſchaffen. Mit Einem Wort, ich habe mir einen gewiſſen Jemand ins Herz geſchloſſen, den ich gluͤcklich machen will. Sternberg. Das iſt recht, Herr Vetter. Juſtine. Ja, das thaͤt’ ich an Ihrer Stelle auch. So ein Jemand iſt dankbar. Das Haͤufchen bleibt huͤbſch beyſammen. Der Name des Erblaſſers ruht darauf in immergruͤnem See- gen; und ein praͤchtiger Leichenſtein erzaͤhlt ſeine exemplariſche Menſchenliebe in hochtrabenden Wor- ten den Kindeskindern. Aber Verwandte — ich will keiner Seele zu nahe geredet haben, Herr Sternberg — Verwandte, je weitlaͤuftiger ſie mit uns befreundet ſind, um ſo mehr halten ſie unſern guten Willen fuͤr Schuldigkeit. Gerhard. Sehr wahr geſprochen. Sternberg (ſpöttiſch.) Sehr verbunden fuͤr die Proteſtation. Juſtine (mit ſteigender Lebhaftigkeit.) Kein groͤſ- ſerer Spaß, als die Eroͤffnung eines Teſtaments unter einer Legion ſolcher Anwarter. Ich bin einmal dabey geweſen. — Da ſtanden ſie, die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#GER"> <p><pb facs="#f0032" n="26"/><fw place="top" type="header">Die Erbſchleicher.</fw><lb/> ſie. Aber ich will mich an ihnen raͤchen. Ich will<lb/> ihnen einen Streich ſpielen, daß ſie vor Aerger<lb/> berſten ſollen. Ich will mir Ruhe im Leben und<lb/> im Tode ſchaffen. Mit Einem Wort, ich habe<lb/> mir einen gewiſſen <hi rendition="#g">Jemand</hi> ins Herz geſchloſſen,<lb/> den ich gluͤcklich machen will.</p> </sp><lb/> <sp who="#STE"> <speaker> <hi rendition="#fr">Sternberg.</hi> </speaker> <p>Das iſt recht, Herr Vetter.</p> </sp><lb/> <sp who="#JUS"> <speaker> <hi rendition="#fr">Juſtine.</hi> </speaker> <p>Ja, das thaͤt’ ich an Ihrer Stelle<lb/> auch. So ein <hi rendition="#g">Jemand</hi> iſt dankbar. Das<lb/> Haͤufchen bleibt huͤbſch beyſammen. Der Name<lb/> des Erblaſſers ruht darauf in immergruͤnem See-<lb/> gen; und ein praͤchtiger Leichenſtein erzaͤhlt ſeine<lb/> exemplariſche Menſchenliebe in hochtrabenden Wor-<lb/> ten den Kindeskindern. Aber Verwandte — ich<lb/> will keiner Seele zu nahe geredet haben, Herr<lb/> Sternberg — Verwandte, je weitlaͤuftiger ſie<lb/> mit uns befreundet ſind, um ſo mehr halten ſie<lb/> unſern guten Willen fuͤr Schuldigkeit.</p> </sp><lb/> <sp who="#GER"> <speaker> <hi rendition="#fr">Gerhard.</hi> </speaker> <p>Sehr wahr geſprochen.</p> </sp><lb/> <sp who="#STE"> <speaker> <hi rendition="#fr">Sternberg</hi> </speaker> <stage>(ſpöttiſch.)</stage> <p>Sehr verbunden fuͤr<lb/> die Proteſtation.</p> </sp><lb/> <sp who="#JUS"> <speaker> <hi rendition="#fr">Juſtine</hi> </speaker> <stage>(mit ſteigender Lebhaftigkeit.)</stage> <p>Kein groͤſ-<lb/> ſerer Spaß, als die Eroͤffnung eines Teſtaments<lb/> unter einer Legion ſolcher Anwarter. Ich bin<lb/> einmal dabey geweſen. — Da ſtanden ſie, die<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [26/0032]
Die Erbſchleicher.
ſie. Aber ich will mich an ihnen raͤchen. Ich will
ihnen einen Streich ſpielen, daß ſie vor Aerger
berſten ſollen. Ich will mir Ruhe im Leben und
im Tode ſchaffen. Mit Einem Wort, ich habe
mir einen gewiſſen Jemand ins Herz geſchloſſen,
den ich gluͤcklich machen will.
Sternberg. Das iſt recht, Herr Vetter.
Juſtine. Ja, das thaͤt’ ich an Ihrer Stelle
auch. So ein Jemand iſt dankbar. Das
Haͤufchen bleibt huͤbſch beyſammen. Der Name
des Erblaſſers ruht darauf in immergruͤnem See-
gen; und ein praͤchtiger Leichenſtein erzaͤhlt ſeine
exemplariſche Menſchenliebe in hochtrabenden Wor-
ten den Kindeskindern. Aber Verwandte — ich
will keiner Seele zu nahe geredet haben, Herr
Sternberg — Verwandte, je weitlaͤuftiger ſie
mit uns befreundet ſind, um ſo mehr halten ſie
unſern guten Willen fuͤr Schuldigkeit.
Gerhard. Sehr wahr geſprochen.
Sternberg (ſpöttiſch.) Sehr verbunden fuͤr
die Proteſtation.
Juſtine (mit ſteigender Lebhaftigkeit.) Kein groͤſ-
ſerer Spaß, als die Eroͤffnung eines Teſtaments
unter einer Legion ſolcher Anwarter. Ich bin
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