Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gotter, Friedrich Wilhelm: Die Erbschleicher. Leipzig, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Erbschleicher.
Bieder. Kaum kann ichs glauben.
Gerhard. Wenn ich Sie mit Thränen darum
bitte?
Bieder. Unsere Luft ist gesund, die Gegend
reizend. Zur Frühlingskur steht Ihnen mein
Häuschen zu Diensten.
Gerhard. Bis dahin leb ich nicht.
Bieder. Nicht so kleinmüthig!
Gerhard. Sie können mir den Muth wieder
geben.
Bieder. Sie wissen nicht, was Sie verlan-
gen. Unsre Stuben sind nicht größer, als Vo-
gelbauer; die Treppe -- eine Hünerleiter; das
Dach können Sie mit der Hand erreichen.
Gerhard. Aber unter diesem Dache wohnt
der Friede!
Bieder. Und Genügsamkeit, die mit weni-
gem vorlieb nimmt. Jahr aus Jahr ein, nicht
mehr als Eine Schüssel.
Gerhard. Aber mit Eintracht und Freude
gewürzt! -- Lieben Leutchen! Ich will euch kei-
ne Ueberlast machen. Ich will mir alles gefal-
len lassen. Und mein Kostgeld -- mein Kostgeld
ist mein ganzes Vermögen.
O 4
Die Erbſchleicher.
Bieder. Kaum kann ichs glauben.
Gerhard. Wenn ich Sie mit Thraͤnen darum
bitte?
Bieder. Unſere Luft iſt geſund, die Gegend
reizend. Zur Fruͤhlingskur ſteht Ihnen mein
Haͤuschen zu Dienſten.
Gerhard. Bis dahin leb ich nicht.
Bieder. Nicht ſo kleinmuͤthig!
Gerhard. Sie koͤnnen mir den Muth wieder
geben.
Bieder. Sie wiſſen nicht, was Sie verlan-
gen. Unſre Stuben ſind nicht groͤßer, als Vo-
gelbauer; die Treppe — eine Huͤnerleiter; das
Dach koͤnnen Sie mit der Hand erreichen.
Gerhard. Aber unter dieſem Dache wohnt
der Friede!
Bieder. Und Genuͤgſamkeit, die mit weni-
gem vorlieb nimmt. Jahr aus Jahr ein, nicht
mehr als Eine Schuͤſſel.
Gerhard. Aber mit Eintracht und Freude
gewuͤrzt! — Lieben Leutchen! Ich will euch kei-
ne Ueberlaſt machen. Ich will mir alles gefal-
len laſſen. Und mein Koſtgeld — mein Koſtgeld
iſt mein ganzes Vermoͤgen.
O 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0221" n="215"/>
          <fw place="top" type="header">Die Erb&#x017F;chleicher.</fw><lb/>
          <sp who="#BIE">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Bieder.</hi> </speaker>
            <p>Kaum kann ichs glauben.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#GER">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Gerhard.</hi> </speaker>
            <p>Wenn ich Sie mit Thra&#x0364;nen darum<lb/>
bitte?</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#BIE">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Bieder.</hi> </speaker>
            <p>Un&#x017F;ere Luft i&#x017F;t ge&#x017F;und, die Gegend<lb/>
reizend. Zur Fru&#x0364;hlingskur &#x017F;teht Ihnen mein<lb/>
Ha&#x0364;uschen zu Dien&#x017F;ten.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#GER">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Gerhard.</hi> </speaker>
            <p>Bis dahin leb ich nicht.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#BIE">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Bieder.</hi> </speaker>
            <p>Nicht &#x017F;o kleinmu&#x0364;thig!</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#GER">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Gerhard.</hi> </speaker>
            <p>Sie ko&#x0364;nnen mir den Muth wieder<lb/>
geben.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#BIE">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Bieder.</hi> </speaker>
            <p>Sie wi&#x017F;&#x017F;en nicht, was Sie verlan-<lb/>
gen. Un&#x017F;re Stuben &#x017F;ind nicht gro&#x0364;ßer, als Vo-<lb/>
gelbauer; die Treppe &#x2014; eine Hu&#x0364;nerleiter; das<lb/>
Dach ko&#x0364;nnen Sie mit der Hand erreichen.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#GER">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Gerhard.</hi> </speaker>
            <p>Aber unter die&#x017F;em Dache wohnt<lb/>
der Friede!</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#BIE">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Bieder.</hi> </speaker>
            <p>Und Genu&#x0364;g&#x017F;amkeit, die mit weni-<lb/>
gem vorlieb nimmt. Jahr aus Jahr ein, nicht<lb/>
mehr als Eine Schu&#x0364;&#x017F;&#x017F;el.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#GER">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Gerhard.</hi> </speaker>
            <p>Aber mit Eintracht und Freude<lb/>
gewu&#x0364;rzt! &#x2014; Lieben Leutchen! Ich will euch kei-<lb/>
ne Ueberla&#x017F;t machen. Ich will mir alles gefal-<lb/>
len la&#x017F;&#x017F;en. Und mein Ko&#x017F;tgeld &#x2014; mein Ko&#x017F;tgeld<lb/>
i&#x017F;t mein ganzes Vermo&#x0364;gen.</p>
          </sp><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">O 4</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[215/0221] Die Erbſchleicher. Bieder. Kaum kann ichs glauben. Gerhard. Wenn ich Sie mit Thraͤnen darum bitte? Bieder. Unſere Luft iſt geſund, die Gegend reizend. Zur Fruͤhlingskur ſteht Ihnen mein Haͤuschen zu Dienſten. Gerhard. Bis dahin leb ich nicht. Bieder. Nicht ſo kleinmuͤthig! Gerhard. Sie koͤnnen mir den Muth wieder geben. Bieder. Sie wiſſen nicht, was Sie verlan- gen. Unſre Stuben ſind nicht groͤßer, als Vo- gelbauer; die Treppe — eine Huͤnerleiter; das Dach koͤnnen Sie mit der Hand erreichen. Gerhard. Aber unter dieſem Dache wohnt der Friede! Bieder. Und Genuͤgſamkeit, die mit weni- gem vorlieb nimmt. Jahr aus Jahr ein, nicht mehr als Eine Schuͤſſel. Gerhard. Aber mit Eintracht und Freude gewuͤrzt! — Lieben Leutchen! Ich will euch kei- ne Ueberlaſt machen. Ich will mir alles gefal- len laſſen. Und mein Koſtgeld — mein Koſtgeld iſt mein ganzes Vermoͤgen. O 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gotter_erbschleicher_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gotter_erbschleicher_1789/221
Zitationshilfe: Gotter, Friedrich Wilhelm: Die Erbschleicher. Leipzig, 1789, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotter_erbschleicher_1789/221>, abgerufen am 23.11.2024.