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Gotter, Friedrich Wilhelm: Die Erbschleicher. Leipzig, 1789.

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Die Erbschleicher.
W. Ungew. (spöttisch.) Fürchten Sie sich, ei-
nen Todten anzurühren?
Weinhold. Auf der Wahlstatt würd' ich mich
nicht bedenken.
W. Ungew. Wir müssen doch das Geld zum
Begräbniß abzählen --
Weinhold. Meinethalben mag er unbegra-
ben liegen bleiben.
(Zieht Pfeiffe und Tabaksbeutel
aus der Tasche, stopft, schlägt Feuer auf, und fängt
an zu rauchen.)
W. Ungew. Justine! Liebe, beste Justine!
was fangen wir an?
Justine. Wir lassen versiegeln.
W. Ungew. (wirst sich in den Sessel.) Und se-
hen das schöne Vermögen in hundert Bißen zer-
stückeln! -- Uns wars zugedacht. Unser wärs
in einer Stunde geworden. --
(Aufspringend.)
Schon die dritte Erbschaft, die mir fehl-
schlägt! -- Ich bin auch so desperat -- Wenn
ich eine geladene Pistole hätte, ich könnte --!

(Schlägt sich mit geballter Hand an die Stirne.)
Weinhold. Ich will Ihnen eine holen.
Justine. Ach, Madam, wenn eine so geist-
reiche Dame, wenn eine Gelehrte, wie Sie, sol-
che Reden führt -- was bleibt mir einfältigem
Die Erbſchleicher.
W. Ungew. (ſpöttiſch.) Fuͤrchten Sie ſich, ei-
nen Todten anzuruͤhren?
Weinhold. Auf der Wahlſtatt wuͤrd’ ich mich
nicht bedenken.
W. Ungew. Wir muͤſſen doch das Geld zum
Begraͤbniß abzaͤhlen —
Weinhold. Meinethalben mag er unbegra-
ben liegen bleiben.
(Zieht Pfeiffe und Tabaksbeutel
aus der Taſche, ſtopft, ſchlägt Feuer auf, und fängt
an zu rauchen.)
W. Ungew. Juſtine! Liebe, beſte Juſtine!
was fangen wir an?
Juſtine. Wir laſſen verſiegeln.
W. Ungew. (wirſt ſich in den Seſſel.) Und ſe-
hen das ſchoͤne Vermoͤgen in hundert Bißen zer-
ſtuͤckeln! — Uns wars zugedacht. Unſer waͤrs
in einer Stunde geworden. —
(Aufſpringend.)
Schon die dritte Erbſchaft, die mir fehl-
ſchlaͤgt! — Ich bin auch ſo deſperat — Wenn
ich eine geladene Piſtole haͤtte, ich koͤnnte —!

(Schlägt ſich mit geballter Hand an die Stirne.)
Weinhold. Ich will Ihnen eine holen.
Juſtine. Ach, Madam, wenn eine ſo geiſt-
reiche Dame, wenn eine Gelehrte, wie Sie, ſol-
che Reden fuͤhrt — was bleibt mir einfaͤltigem
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[184/0190] Die Erbſchleicher. W. Ungew. (ſpöttiſch.) Fuͤrchten Sie ſich, ei- nen Todten anzuruͤhren? Weinhold. Auf der Wahlſtatt wuͤrd’ ich mich nicht bedenken. W. Ungew. Wir muͤſſen doch das Geld zum Begraͤbniß abzaͤhlen — Weinhold. Meinethalben mag er unbegra- ben liegen bleiben. (Zieht Pfeiffe und Tabaksbeutel aus der Taſche, ſtopft, ſchlägt Feuer auf, und fängt an zu rauchen.) W. Ungew. Juſtine! Liebe, beſte Juſtine! was fangen wir an? Juſtine. Wir laſſen verſiegeln. W. Ungew. (wirſt ſich in den Seſſel.) Und ſe- hen das ſchoͤne Vermoͤgen in hundert Bißen zer- ſtuͤckeln! — Uns wars zugedacht. Unſer waͤrs in einer Stunde geworden. — (Aufſpringend.) Schon die dritte Erbſchaft, die mir fehl- ſchlaͤgt! — Ich bin auch ſo deſperat — Wenn ich eine geladene Piſtole haͤtte, ich koͤnnte —! (Schlägt ſich mit geballter Hand an die Stirne.) Weinhold. Ich will Ihnen eine holen. Juſtine. Ach, Madam, wenn eine ſo geiſt- reiche Dame, wenn eine Gelehrte, wie Sie, ſol- che Reden fuͤhrt — was bleibt mir einfaͤltigem

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Zitationshilfe: Gotter, Friedrich Wilhelm: Die Erbschleicher. Leipzig, 1789, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotter_erbschleicher_1789/190>, abgerufen am 24.11.2024.