Gotter, Friedrich Wilhelm: Die Erbschleicher. Leipzig, 1789.Die Erbschleicher. W. Ungew. Nennen Sie's Schwachheit -- böse Gewohnheit! Zur Zeit des Faustrechts wars eine Rittertugend -- der Trunk. Gerhard. Der Trunk? (Holt eine Flasche Tisane.) Da! kosten Sie, was ich trinke. W. Ungew. (mit Ekel.) O, ich glaube dem Geruche -- (Nimmt ihm die Flasche ab und setzt sie wieder auf den Tisch.) Ich bin überzeugt, daß Sie eben so wenig spielen. (Obgleich Wittwe Ungewitter, seit dem Visiti- ren der Thüren, in Ton und Miene mehr Dreistigkeit und Munterkeit zeigt, so vergißt sie doch nicht, sich fleißig umzusehen, und rückt Gerharden immer unvermerkt näher.) Gerhard. Spielen? -- Und ich kenne we- der Karten noch Würfel. W. Ungew. Und eher wollt' ich mich über- reden, daß der Satan den Tempel besucht, als daß Sie sich in öffentlichen Häusern her- um treiben. Gerhard. In öffentlichen Häusern? -- Und ich sitze innen, wie ein Kautz. Fragen Sie Ju- stinen, wie ich lebe! W. Ungew. (heuchlerisch.) Ach, die arme Justine! Gerhard.
Die Erbſchleicher. W. Ungew. Nennen Sie’s Schwachheit — boͤſe Gewohnheit! Zur Zeit des Fauſtrechts wars eine Rittertugend — der Trunk. Gerhard. Der Trunk? (Holt eine Flaſche Tiſane.) Da! koſten Sie, was ich trinke. W. Ungew. (mit Ekel.) O, ich glaube dem Geruche — (Nimmt ihm die Flaſche ab und ſetzt ſie wieder auf den Tiſch.) Ich bin uͤberzeugt, daß Sie eben ſo wenig ſpielen. (Obgleich Wittwe Ungewitter, ſeit dem Viſiti- ren der Thüren, in Ton und Miene mehr Dreiſtigkeit und Munterkeit zeigt, ſo vergißt ſie doch nicht, ſich fleißig umzuſehen, und rückt Gerharden immer unvermerkt näher.) Gerhard. Spielen? — Und ich kenne we- der Karten noch Wuͤrfel. W. Ungew. Und eher wollt’ ich mich uͤber- reden, daß der Satan den Tempel beſucht, als daß Sie ſich in oͤffentlichen Haͤuſern her- um treiben. Gerhard. In oͤffentlichen Haͤuſern? — Und ich ſitze innen, wie ein Kautz. Fragen Sie Ju- ſtinen, wie ich lebe! W. Ungew. (heuchleriſch.) Ach, die arme Juſtine! Gerhard.
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Die Erbſchleicher.
W. Ungew. Nennen Sie’s Schwachheit —
boͤſe Gewohnheit! Zur Zeit des Fauſtrechts wars
eine Rittertugend — der Trunk.
Gerhard. Der Trunk? (Holt eine Flaſche
Tiſane.) Da! koſten Sie, was ich trinke.
W. Ungew. (mit Ekel.) O, ich glaube dem
Geruche — (Nimmt ihm die Flaſche ab und ſetzt ſie
wieder auf den Tiſch.) Ich bin uͤberzeugt, daß Sie
eben ſo wenig ſpielen.
(Obgleich Wittwe Ungewitter, ſeit dem Viſiti-
ren der Thüren, in Ton und Miene mehr
Dreiſtigkeit und Munterkeit zeigt, ſo vergißt
ſie doch nicht, ſich fleißig umzuſehen, und rückt
Gerharden immer unvermerkt näher.)
Gerhard. Spielen? — Und ich kenne we-
der Karten noch Wuͤrfel.
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reden, daß der Satan den Tempel beſucht, als
daß Sie ſich in oͤffentlichen Haͤuſern her-
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Zitationshilfe: | Gotter, Friedrich Wilhelm: Die Erbschleicher. Leipzig, 1789, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotter_erbschleicher_1789/134>, abgerufen am 23.07.2024. |