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Goldschmidt, Henriette: Das Erziehungswerk Friedrich Fröbels. Eisenach, 1899.

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meinen, daß sie von ihnen vom Scheitel bis zur Sohle geliebt würden,
sondern weil sie Mütter werden, Kinder erziehen sollen, denen nur Opfer
zu bringen, keine abzugewinnen sind." Jean Paul aber hat, wie auch Fröbels
große Vorgänger, Comenius und Pestalozzi, nur an die leibliche Mutter
gedacht.

Das ist aber der große, von seiner Naturforschung umzustoßende Unter-
schied des Menschen von allen Naturwesen, daß das kreatürliche vergeistigt
wird, die Mittel zur Vergeistigung enthält.

Die Hand des Menschen ist nicht nur zum fassen und greifen da, nach
Preyer's bezeichnenden Worten sind die Hände die Fühlhörner der Seele,
sie schaffen Werke, die wir erfassen, begreifen.

Ja, auch das Muttergefühl ist geistiger Natur. Die Empfindungen, die
jedes weibliche Tier für seine Brut hat, und nur so lange hat, als sie ihrer
zur Erhaltung der Jungen bedarf, auf diese Empfindungen ist die Frau
als Mutter des Menschen, als Trägerin des Geschlechts der Zukunft, nicht
beschränkt. Niemand aber vor Fröbel hat diese impulsive, innerlichste, dieses
auch schöpferische, keimkräftige Vermögen des Weibes mit ihren geistigen
Anlagen in Verbindung gesetzt, hat in ihm den Ausgangspunkt gesehen für
eine intellektuelle Entwickelung, die das weibliche Geschlecht auf dieselbe
geistige Höhe, welche den jetzigen Kulturstandpunkt des Mannes bezeichnet,
zu erheben vermag.

Meine Verehrten! Wer es nicht weiß, daß die Kenntnis der Lehre,
des Systems, der Methode Fröbels, ein Studium bedeutet, gleichwertig
jedem Studium einer Wissenschaft, der kennt nichts weiter von ihm als die
mechanische Aneignung seiner Spiel- und Beschäftigungsmittel.

Betrachten wir von solchem Standpunkt aus das Fröbelsche Erziehungs-
werk, so entsteht allerdings die Frage: "Ist es ihm auch hier gelungen, das
Wort in That zu wandeln?", haben wir bereits "Schulen", in denen die
weibliche Jugend in ihrer Gesammtheit sich für den Erziehungsberuf vor-
bereitet? Hat hier das instinktive Handeln sich zu einem "bewussten" erhoben?

Meine Verehrten! Für die Töchter höherer Stände werden Kurse in
der Koch- und Schneiderkunst als notwendig erachtet. Noch erscheinen diese
Künste wichtiger für den Beruf der Frau als die Erziehungskunst. Den
Zuschnitt des Kleides nicht zu verderben, darauf wird mehr Aufmerksamkeit
verwendet als -- um mit Kant zu reden -- auf den Zuschnitt der kind-
lichen Seele. Es schmerzt mich, sagen zu müssen: "Hier ist sein Wort nicht
That geworden." Doch mein Schmerz ist subjektiver, persönlicher Natur.
Dreißig Jahre durch Schrift und Wort durch Schaffung einer höheren Lehr-
anstalt für Töchter höherer Stände neben dem Seminar, vergeblich bemüht,
Verständnis für diese eigentlichste Bedeutung unseres Meisters zu erwecken,
darf ich wohl hier an dieser Stelle, wo er sich hoffnungsfreudig an die
weibliche Jugend gewendet, dieser meiner schmerzlichen Empfindung ein
Wort gestatten.

Aber mein Blick richtet sich auf und meine Ueberzeugung von der
siegenden Kraft der in Erkenntnis fortschreitenden Menschheit ist durch die
bisherige, langsame Entwickelung auch dieser bahnbrechenden Idee nicht
erschüttert.

Ist ja Friedrich Fröbel doch das große, wenigen Sterblichen beschiedene
Glück zu teil geworden, noch bei Lebzeiten zu erfahren, daß er sich nicht
getäuscht, wenn er in den Frauen die eigentlichen Träger seiner Mission
erblickte. War es nicht ein Glück, daß er in seiner eigenen Frau die rechte

meinen, daß sie von ihnen vom Scheitel bis zur Sohle geliebt würden,
sondern weil sie Mütter werden, Kinder erziehen sollen, denen nur Opfer
zu bringen, keine abzugewinnen sind.“ Jean Paul aber hat, wie auch Fröbels
große Vorgänger, Comenius und Pestalozzi, nur an die leibliche Mutter
gedacht.

Das ist aber der große, von seiner Naturforschung umzustoßende Unter-
schied des Menschen von allen Naturwesen, daß das kreatürliche vergeistigt
wird, die Mittel zur Vergeistigung enthält.

Die Hand des Menschen ist nicht nur zum fassen und greifen da, nach
Preyer's bezeichnenden Worten sind die Hände die Fühlhörner der Seele,
sie schaffen Werke, die wir erfassen, begreifen.

Ja, auch das Muttergefühl ist geistiger Natur. Die Empfindungen, die
jedes weibliche Tier für seine Brut hat, und nur so lange hat, als sie ihrer
zur Erhaltung der Jungen bedarf, auf diese Empfindungen ist die Frau
als Mutter des Menschen, als Trägerin des Geschlechts der Zukunft, nicht
beschränkt. Niemand aber vor Fröbel hat diese impulsive, innerlichste, dieses
auch schöpferische, keimkräftige Vermögen des Weibes mit ihren geistigen
Anlagen in Verbindung gesetzt, hat in ihm den Ausgangspunkt gesehen für
eine intellektuelle Entwickelung, die das weibliche Geschlecht auf dieselbe
geistige Höhe, welche den jetzigen Kulturstandpunkt des Mannes bezeichnet,
zu erheben vermag.

Meine Verehrten! Wer es nicht weiß, daß die Kenntnis der Lehre,
des Systems, der Methode Fröbels, ein Studium bedeutet, gleichwertig
jedem Studium einer Wissenschaft, der kennt nichts weiter von ihm als die
mechanische Aneignung seiner Spiel- und Beschäftigungsmittel.

Betrachten wir von solchem Standpunkt aus das Fröbelsche Erziehungs-
werk, so entsteht allerdings die Frage: „Ist es ihm auch hier gelungen, das
Wort in That zu wandeln?“, haben wir bereits „Schulen“, in denen die
weibliche Jugend in ihrer Gesammtheit sich für den Erziehungsberuf vor-
bereitet? Hat hier das instinktive Handeln sich zu einem „bewussten“ erhoben?

Meine Verehrten! Für die Töchter höherer Stände werden Kurse in
der Koch- und Schneiderkunst als notwendig erachtet. Noch erscheinen diese
Künste wichtiger für den Beruf der Frau als die Erziehungskunst. Den
Zuschnitt des Kleides nicht zu verderben, darauf wird mehr Aufmerksamkeit
verwendet als — um mit Kant zu reden — auf den Zuschnitt der kind-
lichen Seele. Es schmerzt mich, sagen zu müssen: „Hier ist sein Wort nicht
That geworden.“ Doch mein Schmerz ist subjektiver, persönlicher Natur.
Dreißig Jahre durch Schrift und Wort durch Schaffung einer höheren Lehr-
anstalt für Töchter höherer Stände neben dem Seminar, vergeblich bemüht,
Verständnis für diese eigentlichste Bedeutung unseres Meisters zu erwecken,
darf ich wohl hier an dieser Stelle, wo er sich hoffnungsfreudig an die
weibliche Jugend gewendet, dieser meiner schmerzlichen Empfindung ein
Wort gestatten.

Aber mein Blick richtet sich auf und meine Ueberzeugung von der
siegenden Kraft der in Erkenntnis fortschreitenden Menschheit ist durch die
bisherige, langsame Entwickelung auch dieser bahnbrechenden Idee nicht
erschüttert.

Ist ja Friedrich Fröbel doch das große, wenigen Sterblichen beschiedene
Glück zu teil geworden, noch bei Lebzeiten zu erfahren, daß er sich nicht
getäuscht, wenn er in den Frauen die eigentlichen Träger seiner Mission
erblickte. War es nicht ein Glück, daß er in seiner eigenen Frau die rechte

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Zitationshilfe: Goldschmidt, Henriette: Das Erziehungswerk Friedrich Fröbels. Eisenach, 1899, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goldschmidt_froebel_1899/9>, abgerufen am 24.11.2024.