Goldammer, Leo: Auf Wiedersehen! In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 157–185. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Alles verloren! ruft der Meister und zerrt seine Frau hinter sich her in den Garten; die Gesellen, die Mägde folgen, mit ihrer Habe bepackt; die Kinder laufen barfuß über den Schnee, ebenfalls bepackt -- nur der Strohmer geht leicht, seine Last ist ein schwerer Gedanke. Das Krachen der Schüsse, die helle Lohe über dem Städtchen, sie beflügeln der Flüchtigen Schritte. Am Rande des Flusses machen sie Halt; das jenseitige Ufer zeigt ihnen den Wald, schneeüberglaset, flammenübergoldet. Einen scheuen Blick werfen sie hinüber, einen andern zurück, dann sind sie auf der Brücke, die der Frost auf das Wasser geworfen. Jetzt aber hämmert's auf dem Eise: Trab, Trab, Trab, Trab -- -- Die Kosacken! ruft der Jude, werft euch in den Schnee! Trab, Trab, Trab kommen die Kosacken bis ans diesseitige Ufer, da halten sie an, hundert haßheiße Blicke schießen sie in die Stadt, und ihre Führer halten eine kurze Besprechung. In seinem Versteck, fast unter den Pferden der Kosacken, flüstert der Strohmer zu seinen Kameraden; der jüdische Meister betet im stillen Herzen. Die Kosacken schwenken rechts ab und reiten nach dem Ende des Städtchens, lautlos wie Geister, in immer leiser verhallendem Trab, Trab, Trab, Trab. Die Flüchtlinge erheben sich, und die Frau mit den Kindern, die Mägde und der eine Gesell fliegen über das Eis. Nur Alles verloren! ruft der Meister und zerrt seine Frau hinter sich her in den Garten; die Gesellen, die Mägde folgen, mit ihrer Habe bepackt; die Kinder laufen barfuß über den Schnee, ebenfalls bepackt — nur der Strohmer geht leicht, seine Last ist ein schwerer Gedanke. Das Krachen der Schüsse, die helle Lohe über dem Städtchen, sie beflügeln der Flüchtigen Schritte. Am Rande des Flusses machen sie Halt; das jenseitige Ufer zeigt ihnen den Wald, schneeüberglaset, flammenübergoldet. Einen scheuen Blick werfen sie hinüber, einen andern zurück, dann sind sie auf der Brücke, die der Frost auf das Wasser geworfen. Jetzt aber hämmert's auf dem Eise: Trab, Trab, Trab, Trab — — Die Kosacken! ruft der Jude, werft euch in den Schnee! Trab, Trab, Trab kommen die Kosacken bis ans diesseitige Ufer, da halten sie an, hundert haßheiße Blicke schießen sie in die Stadt, und ihre Führer halten eine kurze Besprechung. In seinem Versteck, fast unter den Pferden der Kosacken, flüstert der Strohmer zu seinen Kameraden; der jüdische Meister betet im stillen Herzen. Die Kosacken schwenken rechts ab und reiten nach dem Ende des Städtchens, lautlos wie Geister, in immer leiser verhallendem Trab, Trab, Trab, Trab. Die Flüchtlinge erheben sich, und die Frau mit den Kindern, die Mägde und der eine Gesell fliegen über das Eis. Nur <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="1"> <pb facs="#f0014"/> <p>Alles verloren! ruft der Meister und zerrt seine Frau hinter sich her in den Garten; die Gesellen, die Mägde folgen, mit ihrer Habe bepackt; die Kinder laufen barfuß über den Schnee, ebenfalls bepackt — nur der Strohmer geht leicht, seine Last ist ein schwerer Gedanke.</p><lb/> <p>Das Krachen der Schüsse, die helle Lohe über dem Städtchen, sie beflügeln der Flüchtigen Schritte.</p><lb/> <p>Am Rande des Flusses machen sie Halt; das jenseitige Ufer zeigt ihnen den Wald, schneeüberglaset, flammenübergoldet. Einen scheuen Blick werfen sie hinüber, einen andern zurück, dann sind sie auf der Brücke, die der Frost auf das Wasser geworfen. Jetzt aber hämmert's auf dem Eise: Trab, Trab, Trab, Trab — —</p><lb/> <p>Die Kosacken! ruft der Jude, werft euch in den Schnee!</p><lb/> <p>Trab, Trab, Trab kommen die Kosacken bis ans diesseitige Ufer, da halten sie an, hundert haßheiße Blicke schießen sie in die Stadt, und ihre Führer halten eine kurze Besprechung.</p><lb/> <p>In seinem Versteck, fast unter den Pferden der Kosacken, flüstert der Strohmer zu seinen Kameraden; der jüdische Meister betet im stillen Herzen.</p><lb/> <p>Die Kosacken schwenken rechts ab und reiten nach dem Ende des Städtchens, lautlos wie Geister, in immer leiser verhallendem Trab, Trab, Trab, Trab. Die Flüchtlinge erheben sich, und die Frau mit den Kindern, die Mägde und der eine Gesell fliegen über das Eis. Nur<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0014]
Alles verloren! ruft der Meister und zerrt seine Frau hinter sich her in den Garten; die Gesellen, die Mägde folgen, mit ihrer Habe bepackt; die Kinder laufen barfuß über den Schnee, ebenfalls bepackt — nur der Strohmer geht leicht, seine Last ist ein schwerer Gedanke.
Das Krachen der Schüsse, die helle Lohe über dem Städtchen, sie beflügeln der Flüchtigen Schritte.
Am Rande des Flusses machen sie Halt; das jenseitige Ufer zeigt ihnen den Wald, schneeüberglaset, flammenübergoldet. Einen scheuen Blick werfen sie hinüber, einen andern zurück, dann sind sie auf der Brücke, die der Frost auf das Wasser geworfen. Jetzt aber hämmert's auf dem Eise: Trab, Trab, Trab, Trab — —
Die Kosacken! ruft der Jude, werft euch in den Schnee!
Trab, Trab, Trab kommen die Kosacken bis ans diesseitige Ufer, da halten sie an, hundert haßheiße Blicke schießen sie in die Stadt, und ihre Führer halten eine kurze Besprechung.
In seinem Versteck, fast unter den Pferden der Kosacken, flüstert der Strohmer zu seinen Kameraden; der jüdische Meister betet im stillen Herzen.
Die Kosacken schwenken rechts ab und reiten nach dem Ende des Städtchens, lautlos wie Geister, in immer leiser verhallendem Trab, Trab, Trab, Trab. Die Flüchtlinge erheben sich, und die Frau mit den Kindern, die Mägde und der eine Gesell fliegen über das Eis. Nur
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