Goldammer, Leo: Auf Wiedersehen! In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 157–185. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.miteinander. Der Strohmer verstand zu erzählen; er hatte die Welt gesehen von Moskau bis Amsterdam, von Kopenhagen bis Constantinopel. Gegen ihn war der Junge noch ein Kiek in die Welt, der, wenn er auf seinen Wanderfahrten Etwas durchgemacht haben wollte, aufschneiden mußte. Aber auch der Andere ließ es nicht fehlen daran. Lügen konnten sie Beide wie gedruckt. Da wurden denn Sachen aufgetischt, geschehen und nicht geschehen, möglich und unmöglich; und die Franzosen, wenn's gerade Deutsche oder Elsasser waren, welche, Gewehr im Arm, ihre beständigen Zuhörer abgaben, wurden dadurch meistens in gute Laune versetzt. Waren sie das, dann theilten sie den Gesellen von ihrem Branntwein mit, oder holten ihn extra aus der Schenke des Juden. Das Lügen und Witzereißen bei der Arbeit brachte ihnen sonach was ein, hatte aber den Nachtheil für sie, daß sie ihre erlogenen Schlechtigkeiten zu glauben anfingen, und für den Jüngern insbesondere, daß er sie kaum noch für Schlechtigkeiten ansah; es wurde ja darüber gelacht. Ein zweiter Schaden entstand aus dem Trinken bei der Arbeit. Der Strohmer war's gewohnt; ein Quart alle Tage, und noch dazu doppelten, das glitt ihm wie Wasser durch die Kehle. Ordentlichen Respekt hatte der Jüngere vor ihm, sah er ihn die große Rinne anlegen, wie er's nannte, wenn er einen Schluck nahm. Und seine Miene drückte dies aus. Trink, Bruderherz, rief ihm der Andere dann zu, das giebt einen ausge- miteinander. Der Strohmer verstand zu erzählen; er hatte die Welt gesehen von Moskau bis Amsterdam, von Kopenhagen bis Constantinopel. Gegen ihn war der Junge noch ein Kiek in die Welt, der, wenn er auf seinen Wanderfahrten Etwas durchgemacht haben wollte, aufschneiden mußte. Aber auch der Andere ließ es nicht fehlen daran. Lügen konnten sie Beide wie gedruckt. Da wurden denn Sachen aufgetischt, geschehen und nicht geschehen, möglich und unmöglich; und die Franzosen, wenn's gerade Deutsche oder Elsasser waren, welche, Gewehr im Arm, ihre beständigen Zuhörer abgaben, wurden dadurch meistens in gute Laune versetzt. Waren sie das, dann theilten sie den Gesellen von ihrem Branntwein mit, oder holten ihn extra aus der Schenke des Juden. Das Lügen und Witzereißen bei der Arbeit brachte ihnen sonach was ein, hatte aber den Nachtheil für sie, daß sie ihre erlogenen Schlechtigkeiten zu glauben anfingen, und für den Jüngern insbesondere, daß er sie kaum noch für Schlechtigkeiten ansah; es wurde ja darüber gelacht. Ein zweiter Schaden entstand aus dem Trinken bei der Arbeit. Der Strohmer war's gewohnt; ein Quart alle Tage, und noch dazu doppelten, das glitt ihm wie Wasser durch die Kehle. Ordentlichen Respekt hatte der Jüngere vor ihm, sah er ihn die große Rinne anlegen, wie er's nannte, wenn er einen Schluck nahm. Und seine Miene drückte dies aus. Trink, Bruderherz, rief ihm der Andere dann zu, das giebt einen ausge- <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="1"> <p><pb facs="#f0010"/> miteinander. Der Strohmer verstand zu erzählen; er hatte die Welt gesehen von Moskau bis Amsterdam, von Kopenhagen bis Constantinopel. Gegen ihn war der Junge noch ein Kiek in die Welt, der, wenn er auf seinen Wanderfahrten Etwas durchgemacht haben wollte, aufschneiden mußte. Aber auch der Andere ließ es nicht fehlen daran. Lügen konnten sie Beide wie gedruckt. Da wurden denn Sachen aufgetischt, geschehen und nicht geschehen, möglich und unmöglich; und die Franzosen, wenn's gerade Deutsche oder Elsasser waren, welche, Gewehr im Arm, ihre beständigen Zuhörer abgaben, wurden dadurch meistens in gute Laune versetzt. Waren sie das, dann theilten sie den Gesellen von ihrem Branntwein mit, oder holten ihn extra aus der Schenke des Juden. Das Lügen und Witzereißen bei der Arbeit brachte ihnen sonach was ein, hatte aber den Nachtheil für sie, daß sie ihre erlogenen Schlechtigkeiten zu glauben anfingen, und für den Jüngern insbesondere, daß er sie kaum noch für Schlechtigkeiten ansah; es wurde ja darüber gelacht.</p><lb/> <p>Ein zweiter Schaden entstand aus dem Trinken bei der Arbeit. Der Strohmer war's gewohnt; ein Quart alle Tage, und noch dazu doppelten, das glitt ihm wie Wasser durch die Kehle. Ordentlichen Respekt hatte der Jüngere vor ihm, sah er ihn die große Rinne anlegen, wie er's nannte, wenn er einen Schluck nahm. Und seine Miene drückte dies aus. Trink, Bruderherz, rief ihm der Andere dann zu, das giebt einen ausge-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0010]
miteinander. Der Strohmer verstand zu erzählen; er hatte die Welt gesehen von Moskau bis Amsterdam, von Kopenhagen bis Constantinopel. Gegen ihn war der Junge noch ein Kiek in die Welt, der, wenn er auf seinen Wanderfahrten Etwas durchgemacht haben wollte, aufschneiden mußte. Aber auch der Andere ließ es nicht fehlen daran. Lügen konnten sie Beide wie gedruckt. Da wurden denn Sachen aufgetischt, geschehen und nicht geschehen, möglich und unmöglich; und die Franzosen, wenn's gerade Deutsche oder Elsasser waren, welche, Gewehr im Arm, ihre beständigen Zuhörer abgaben, wurden dadurch meistens in gute Laune versetzt. Waren sie das, dann theilten sie den Gesellen von ihrem Branntwein mit, oder holten ihn extra aus der Schenke des Juden. Das Lügen und Witzereißen bei der Arbeit brachte ihnen sonach was ein, hatte aber den Nachtheil für sie, daß sie ihre erlogenen Schlechtigkeiten zu glauben anfingen, und für den Jüngern insbesondere, daß er sie kaum noch für Schlechtigkeiten ansah; es wurde ja darüber gelacht.
Ein zweiter Schaden entstand aus dem Trinken bei der Arbeit. Der Strohmer war's gewohnt; ein Quart alle Tage, und noch dazu doppelten, das glitt ihm wie Wasser durch die Kehle. Ordentlichen Respekt hatte der Jüngere vor ihm, sah er ihn die große Rinne anlegen, wie er's nannte, wenn er einen Schluck nahm. Und seine Miene drückte dies aus. Trink, Bruderherz, rief ihm der Andere dann zu, das giebt einen ausge-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/goldammer_wiedersehen_1910 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/goldammer_wiedersehen_1910/10 |
Zitationshilfe: | Goldammer, Leo: Auf Wiedersehen! In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 157–185. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goldammer_wiedersehen_1910/10>, abgerufen am 02.03.2025. |